Gebietsreform Der Anschluss

Zweibrücken · Vor 80 Jahren wurden Niederauerbach und Ixheim nach Zweibrücken zwangseingemeindet. Gegen diese Anordnung des Nazi-Regimes gab es heftigen Widerstand in der Kommunalpolitik und auch auf der Straße. Heute herrscht Zufriedenheit mit der Stadtzugehörigkeit.

 Noch 1937, mitten in der NS-Zeit, gab es im Ixheimer und Niederauerbacher Gemeinderat heftigen Widerstand gegen die von Gauleitung und Reichsstatthalter gewünschte Eingemeindung nach Zweibrücken. Im Bild das im Stadtarchiv archivierte Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 6. November 1937.

Noch 1937, mitten in der NS-Zeit, gab es im Ixheimer und Niederauerbacher Gemeinderat heftigen Widerstand gegen die von Gauleitung und Reichsstatthalter gewünschte Eingemeindung nach Zweibrücken. Im Bild das im Stadtarchiv archivierte Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 6. November 1937.

Foto: Lutz Fröhlich

Zweibrücken gilt als eine Hochburg des Nationalsozialismus in den dreißiger Jahren. Doch auch vier Jahre nach der Machtübernahme gab es offenen Widerstand gegen die NS-Politik – allerdings in einem Punkt, bei dem heute niemand mehr etwas an der von den Nazis durchgesetzten Entscheidung ändern möchte: der Eingemeindung von Niederauerbach und Ixheim in die Stadt Zweibrücken.

Der Pfälzische Merkur hat Einblick in im Stadtarchiv gelagerte Sitzungsniederschriften aus dieser Zeit genommen. Diese Protokolle dokumentieren, wie offen der Protest gegen die vom Reichsstatthalter in Bayern und von der Gauleitung geforderte Eingemeindung war – und wie lebhaft die Debatten in den Gemeinderäten waren, obwohl diese damals längst nationalsozialistisch gleichgeschaltet waren.

Bis auf die Straße reichte demnach der Widerstand in Niederauerbach. In der Niederschrift der Sitzung vom 8. November 1937 heißt es in der einstimmig verabschiedeten Entschließung: „Die Zustimmung zu der vom Stadtrat Zweibrücken betriebenen Eingemeindung von Niederauerbach wird abgelehnt, weil sich der gesamten Einwohnerschaft Niederauerbachs seit Aufrollen der Eingemeindungsfrage eine starke Erregung bemächtigt hat, die schon im Sommer 1936 gelegentlich der durch die Kreisleitung der N.S.D.A.P. gepflogenen Vorverhandlungen zu Protestkundgebungen auf der Strasse Veranlassung gab.“ Es folgt ein heute bei Gebietsreformen (siehe Wallhalben) oft gehörtes Argument: „Niederauerbach ist nicht gewillt, seine Selbständigkeit aufzugeben, da es dank einer geordneten Finanzwirtschaft lebensfähig und in der Lage ist, die gestellten Aufgaben zu meistern.“ Bei ihrer Entschließung versteckten sich die aufmüpfigen Gemeinderäte nicht hinter Anonymität: Statt einer geheimen Abstimmung wurde jedes Mitglied namentlich aufgerufen und erklärte seine Ablehnung der Eingemeindung.

Hartnäckig war auch der Widerstand in Ixheim. In der Niederschrift der Gemeinderatssitzung vom 2. November 1937 heißt es in einer ebenfalls einstimmigen Entschließung: „Vom Standpunkt der Gemeinde Ixheim aus betrachtet ist die Eingliederung in die Stadt Zweibrücken nur von großem Nachteil für die Gemeinde.“ Die Ixheimer Bevölkerung sei „fast 100 prozentig für die Selbständigkeit der Gemeinde“.

Trotz ihres Widerstands sahen sich die Ixheimer in nationalsozialistischer Tradition. So erinnerte Gemeinderat Mayer am 18. Mai 1936 daran, dass er schon seit 1929 für die NSDAP im Rat sei: „Die in früheren Jahren von den verschiedenen gegnerischen Parteien eingebrachten Eingemeindungsanträge wurden von uns (der nat.soz. Fraktion) immer abgelehnt.“ Die Zeiten hätten sich geändert, antwortete Kreisleiter Kaspar: Es sei „ein großer Unterschied, ob Gauleiter Bürckel den Rat zur Eingemeindung gebe oder ob einige kommunistische Herren dies beantragen“.

Bei einer Beratung am 18. Februar 1937 im Zweibrücker Rathaus mit den Ixheimer Gemeinderäten gerieten Oberbürgermeister Collofong und Gauamtsleiter Knissel auf der einen und Ixheims Bürgermeister Blietschau auf der anderen Seite heftig aneinander. Trotz des Drängens des Gauamtsleiters sprachen sich am Ende „sämtliche Gemeinderäte gegen die Eingemeindung aus und verweigerten ihre Zustimmung“. Knissel hatte zuvor als Grund für die Eingemeindung genannt, dass Zweibrücken und Ixheim baulich „eine Einheit bilden“, zudem bestehe bereits ein „versorgungswirtschaftlicher Zusammenhang“ bei Wasser, Gas und Strom. Knissels Bitte, „Kleinigkeiten, und Fragen, die außerhalb der größeren Ziele stehen, nicht in die Debatte zu werfen“, folgte Ixheims Bürgermeister Blietschau schon in seinen ersten Worte nicht – indem er den Gauamtsleiter korrigierte, die Transformatorenstation in Ixheim gehöre nicht der Stadt Zweibrücken, sondern den Pfalzwerken.

Zudem warnte Blietschau vor der „unendlich größeren Verschuldung der Stadt Zweibrücken“, unter der die Ixheimer Bürger bei einer Eingemeindung leiden müssten. Knissel gab zu bedenken, die Schulden der Stadt Zweibrücken seien zwar „selbstverständlich hoch“ – dies werde aber durch die deutlich höhere Finanz- und Steuerkraft Zweibrückens ausgeglichen. Und Oberbürgermeister Collofong versuchte bei den Schulden zu beruhigen: „Die Höchstbelastung haben wir bereits erreicht.“

Das Ixheimer Gemeindratsmitglied Krauß erklärte laut Protokoll, die Ablehnung in der Bevölkerung „entspringe nicht dem Haß, sondern die Ixheimer seien nicht gewillt, ihr Eigenleben aufzugeben. Es spreche in diesem Falle auch das Blut mit.“ Gauamtsleiter Knissel entgegnete, „daß die Eigenart der Ixheimer nicht zerschlagen, sondern gewahrt werden soll“.

80 Jahre später spielen solche Fragen in den beiden Stadtteilen überhaupt keine Rolle mehr. Der Ixheimer Ortskartellvorsitzende Peter Schönborn antwortet auf Merkur-Anfrage: „Man merkt kaum noch einen Unterschied zwischen Ixheim und Zweibrücken. Die Menschen hier fühlen sich als Ixheimer und als Zweibrücker.“ Thorsten Gries, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Niederauerbacher Vereine und Verbände, sagt: „Das ist alles Geschichte.“ Zwar sprächen ältere Niederauerbacher noch vom „Dorf“, fühlten sich aber gleichzeitig auch als Zweibrücker. Die Eingemeindung habe Niederauerbach „keine Nachteile gebracht, im Gegenteil“ – obwohl der Zweibrücker Schuldenberg entgegen der Prognose von OB Collofong massiv gewachsen ist. So sei „der Straßen- und Versorgungsleitungsausbau in den fünfziger und sechziger Jahren dank Stadtzugehörigkeit besser vonstatten gegangen als dass dies wohl bei Eigenständigkeit der Fall gewesen wäre“, sagt Gries.

Angesichts der Landes-Pläne für eine Kommunalreform bei den kreisfreien Städten könnte es in den nächsten Jahren neue Eingemeindungs-Debatten geben. Gries plädiert für einen „Stadkreis Zweibrücken“. Das Beispiel Niederauerbach und Ixheim könne durchaus Ängste nehmen, dass ein Zusammengehen mit Zweibrücken trotz der hohen Verschuldung nicht nachteilig sein müsse. „Wobei die Orte dann ja auch ihre eigenen Gemeinderäte behalten würden.“ Schönborn will sich bezüglich einer Kommunalreform noch nicht positionieren: „Die damalige Zeit war eine andere. Das muss alles gut durchdacht und untersucht werden.“

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