Der Ärger mit den SchandfleckenKeine Anti-Schandfleck-Pflicht Taubenhaus-Fenster versiegelt
Zweibrücken. Der Fall des verlotterten Taubenhauses in der Poststraße hat dieser Tage erneut die Frage aufgeworfen, wie weit die Rechte und Pflichten von Immobilienbesitzern gehen und gehen sollten. Auch das Sinne-Eck ist ein Beispiel für frühere Vorzeigeobjekte, die heute ein bedauernswertes und unansehnliches Dasein fristen
Zweibrücken. Der Fall des verlotterten Taubenhauses in der Poststraße hat dieser Tage erneut die Frage aufgeworfen, wie weit die Rechte und Pflichten von Immobilienbesitzern gehen und gehen sollten. Auch das Sinne-Eck ist ein Beispiel für frühere Vorzeigeobjekte, die heute ein bedauernswertes und unansehnliches Dasein fristen. SPD-Stadtratsmitglied Dirk Schneider bezeichnet solche Immobilien für die Stadt als "Problem", beklagt, "dass man solchen Besitzern nicht besser beikommt" und sieht die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. "Uns ärgert es, dass zum Beispiel die Baulücke in der Fruchtmarktstraße nicht geschlossen wird, aber auf dem Privatbesitz dürfen wir nichts tun." Schneider befürchtet, dass das "Problem zunehmen wird, weil die Leute entweder kein Geld oder kein Interesse daran haben, ihre Gebäude in Schuss zu halten." Genau dieses Geld fehlt allerdings auch der Stadt. Sonst gäbe es eine einfache, schöne Lösung. CDU-Stadtratsfraktionsvositzender Eckhart Schiller: "Die wäre natürlich, dass die Stadt die Gebäude kauft und saniert." Gefördert könnte das etwa werden durch Programme wie Städtebau West. Doch auch dann wären nicht vorhandene Stadtmittel nötig und dafür schmerzen das Haushaltsloch und die Sparauflagen durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion viel zu sehr. Schneider: "Dazu befürchte ich, dass die Bundesregierung ihre Pläne umsetzt und die Städtebauförderung halbiert." Für den Fall rechnet Schneider, dass auf absehbare Zeit keine Chance auf den Kauf von Gebäuden besteht. Schiller kommentiert diesen möglichen Fall so: "Dann können wir gute Nacht sagen!" Oberbürgermeister Helmut Reichling lehnt ohnehin einen Ankauf von maroden Gebäuden ab, wittert im Verlotternlassen mancher Gebäude Methode. Der OB: "Man könnte eventuell annehmen, dass manche Investoren das Ziel haben, in Zweibrücken Immobilien zu kaufen, sie verrotten zu lassen, um dadurch öffentlichen Druck auf die Stadt aufzubauen. Aber die Stadt wird sich nicht erpressen lassen!" Um wenigstens den Zweibrücken-Besuchern klarzumachen, dass nicht die Stadt schuld am Zustand der Gebäude ist, will Eckhart Schiller etwa am Grundstück an der Fruchtmarktstraße ein entsprechendes Hinweisschild aufstellen. Bisher sei das allerdings am Widerstand der Grundstücksbesitzer gescheitert.Ohne Vorabinvestitionen durch die Eigentümer, da ist sich SPD-Mann Dirk Schneider sicher, wären Immobilien wie Sinne-Eck auch nicht interessant genug für die etwas flüssigeren Stadttöchter wie Gewobau, bei denen Ankauf und Renovierung den Beispielen Festhalle, Kaufhalle oder Villa Rothenberg folgend eher denkbar wären. Eckhart Schiller wendet allerdings ein: "Die Gewobau kann auch nicht überall der Rettungsanker sein, wenn etwas brachliegt. Eine Sanierung etwa des Sinne-Ecks würde in den selbst gesteckten Finanzrahmen der Gewobau nicht hineinpassen." Vor dem Hintergrund des maroden Taubenhauses: Welche Pflichten hat denn ein Hausbesitzer genau?
Matthias Krupp: Er ist unterhaltsverpflichtet, was die Verkehrssicherungspflicht insbesondere im Außenbereich anbelangt. Es gibt aber keine Pflicht, dass man ein Haus instand hält, sodass es kein Schandfleck ist.
Dem gegenüber haben Immobilienbesitzer viele Rechte ...
Krupp: Angenommen man hat selbst eine Immobilie und die verrußt durch Autoabgase, weil sie an einer stark befahrenen Straße liegt, dann können die Stadt oder wer auch immer nicht hingehen, und jemanden zum Streichen zwingen. Gegen Unansehnlichkeit kann die Stadt nichts machen.
Also ist die Stadt vom Willen des Eigentümers abhängig, solange keine Gefahr für die Öffentlichkeit besteht?
Krupp: Meines Erachtens ist die Stadt bei Problemen wie denen beim Taubenhaus gehindert, selbst etwas zu tun. Sie muss dem Eigentümer Gelegenheit geben, selbst tätig zu werden. Gegebenenfalls kann das Ordnungsamt Verfügungen erlassen oder Fristen setzen und androhen, wenn Maßnahmen ausbleiben, Fremdfirmen zu beauftragen.
Angenommen, mir gehörte das Gebäude neben dem Taubenhaus: Wie kann ich verhindern, dass durch das verfallene Gebäude auch der Wert meiner Immobilie sinkt?
Krupp: Das ist eine rein privatrechtliche Geschichte, der Wert wird ja nicht allein dadurch bestimmt, wie die Immobilie aussieht. Sie könnten in einem solchen Fall in zivilrechtlicher Hinsicht nicht mal eine konkrete Maßnahme verlangen. Der Anspruch würde relativ allgemein gehalten sein. Sie müssten versuchen einzuklagen, dass der Eigentümer zum Beispiel dafür sorgt, dass nichts auf Ihr Haus stürzt oder Feuchtigkeit eindringt.
Zweibrücken. Die Fenster des Taubenhauses in der Zweibrücker Poststraße sind seit gestern mit Holzbalken abgedichtet. "Die Sicherungsmaßnahmen des Eigentümers sind abgeschlossen. Das Absperrband kann wieder entfernt werden", teilte Stadtpressesprecher Heinz Braun kurz vor drei Uhr nachmittags mit. Die Feuerwehr musste also doch nicht für eine Zwangsvollstreckung anrücken (wir berichteten). Das Stadtbauamt hatte dem Hausbesitzer aus Kottweiler-Schwanden zuvor drei Fristen bis vergangenen Mittwoch, Freitag und diesen Montag, gesetzt, die er ungenutzt verstreichen ließ. Hintergrund: Am 7. Oktober waren im zweiten Stock des Gebäudes zwei Scheiben herausgebrochen und in die Poststraße gefallen. Verantwortlich dafür waren hunderte Tauben, die in dem Gebäude hausten und zu fliehen versucht hatten. Was aus den Tieren geworden ist, ist unklar. ek
"Die Stadt wird sich nicht erpressen lassen!"
Oberbürgermeister Helmut Reichling