Vortrag in der Versöhnungskirche Der Abschied vom „amerikanischen Zeitalter“

Zweibrücken · (khu) Professor Gunther Schmid referierte am Mittwochabend über die aktuelle weltpolitische Lage und das Kräfteverhältnis der beherrschenden Mächte. Mit „Weltordnung vor dem Zerfall? Die neue globale Unübersichtlichkeit und ihre Folgen für Deutschland und Europa“ bot Schmid in der Versöhnungskirche in über 60 Minuten einen kompakten Überblick vor knapp 40 Gästen.

Schmid changierte in seinem Vortrag zwischen pointierter Ironie, sachlicher Darstellung von Fakten und viel Humor, was angesichts des ernsthaften Themas erstaunte. „Mit dem Zerfall der bestehenden regelbasierten liberalen Weltordnung, deren wesentliche Bestandteile von China, Russland und der amtierenden US-Regierung in Frage gestellt werden, hat der langsame Abschied vom sogenannten ‚Amerikanischen Zeitalter’ begonnen“ stand dabei als Kernthese im Mittelpunkt seiner Gedanken.

Ein verschärfter neuer globaler Systemwettbewerb kennzeichne die Gegenwart. Der Machtkampf um die geostrategische, technologische und damit politische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert zwischen China und den USA beziehe heute schon große Teile der Staatengemeinschaft, insbesondere Europa, unmittelbar mit ein. Deutschland sei wegen seiner starken Außenhandelsorientierung und seiner geopolitischen Lage mehr als andere Länder davon betroffen.

Welche strategischen Schlussfolgerungen ergeben sich aus dieser Zeitenwende für unsere Politik, Wirtschaft und Gesellschaft? Die „Ordnung, wie wir sie kannten, zerfällt buchstäblich“ lautete eine gewichtige Einschätzung in Schmids Ausführungen. Gemeint ist damit eine in Jahrzehnten gewachsene liberale Weltordnung mit potenten Akteuren wie China, die USA und Russland. Die Kennzeichen für die Unübersichtlichkeit der Weltordnung sind laut Schmid gut zu erkennen. Trump forciere mit seinem „America first“ den puren Amerikanismus statt Globalismus. Putin wolle ein Konzert der Großmächte, während China versuche, sich über den Einkauf ausländischer Technik und Knowhow weiter in den Vordergrund zu spielen.

Der Dozent wechselte dann gedanklich in andere Szenarien direkt im Herzen Europas und illustrierte damit innenpolitisch Folgen der veränderten Lage: Dass wir nämlich „einen autoritären Systemwettbewerb mit hybrider Kriegsführung erleben, den Einfluss von Hackergruppen beim Brexit, Gelbwestenproteste in Frankreich. Man kann wirklich von einem Krisenstakkato innerhalb weniger Jahre sprechen – Fukushima, Brexit, Syrienkonflikt, Ukrainekonflikt, Weltwirtschaftskrise“. Das Wirtschaftsmodell der Deutschen sei derzeit unter Druck. Wir sollten uns an ein Nebeneinander konkurrierender Ordnungen in der Welt gewöhnen und anhaltend großer Dynamik. Es entstünden dabei auch neue Formen der Zusammenarbeit.

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