Neuer Demografie-Bericht Was Zweibrücken 2040 durch die erwartete Überalterung droht

Zweibrücken · Weniger Geschäfte, steigende Wasserpreise, unpassende Wohnangebote – und eine Stadtverwaltung, die noch weniger Geld für ihre Bürger investieren kann: Das könnten schon 2040 einige Folgen des demografischen Wandels in Zweibrücken sein. Doch der neue Demografie-Bericht des Seniorenbeauftragten zeigt auch, wie man der Herausforderung begegnen könnte.

Der Zweibrücker Seniorenbeauftragte Michael Seebald.

Der Zweibrücker Seniorenbeauftragte Michael Seebald.

Foto: Stadt Zweibrücken

Kommunalpolitiker haben naturgemäß meist vor allem die Gegenwart und nahe Zukunft im Blick – gilt es doch, die aktuellen Bedürfnisse und Erwartungen von Wählern zu erfüllen. Aber Entscheidungen heute können auch Auswirkungen auf die fernere Zukunft haben.

Der „Demografie-Bericht für Zweibrücken“ wirft einen Blick in die Zukunft – mit auf statistischen Daten beruhenden Prognosen für das Jahr 2040 und daraus resultierenden großen Herausforderungen und Lösungsvorschlägen.

Erstellt hat den Bericht der städtische Seniorenbeauftragte Michael Seebald. Auf dessen Bereich der Zweibrücker Homepage heißt es über die vielen Zweibrücker Senioren: „Ihre Erfahrung und ihr Wissen sind eine Bereicherung für das Gemeinwohl der Stadt.“

Aber der in der jüngsten Sozialausschuss-Sitzung vorgestellt Demografie-Bericht macht deutlich: Zweibrücken steht vor einer Überalterung, die auch erhebliche Probleme bereiten wird. Wenn denn die Bevölkerung sich so entwickelt, wie dies Experten des Statistischen Landesamts und der Technischen Universität Kaiserslautern berechnet haben – was sich durch unerwartete Faktoren wie Flucht vor Krieg nach Zweibrücken verändern kann. „Das sind Annahmen – keiner weiß, was vor uns liegt“, schränkte Seebald ein, dass er von einer zwar wahrscheinlichen, aber keiner feststehenden Entwicklung ausgeht.

Doch wenn sie so kommt wie prognostiziert, werde es „viele Auswirkungen durch die abnehmende und immer älter werdende Bevölkerung geben“, sagte Seebald. Und nannte zunächst einige drastische Zahlen. So sei die Geburtenrate in Zweibrücken kontinuierlich niedriger als in Rheinland-Pfalz – und die Sterberate liege weit über der Geburtenrate.

Die Folge sei eine „Überalterung“: Bis 2040 werde die Zweibrücker Einwohnerzahl insgesamt um 8 Prozent (knapp 2800 Menschen weniger) auf nur noch etwa 31 400 Einwohner schrumpfen. Dabei steige die Zahl der über 65-Jährigen um 30 Prozent auf 9365 – und die Zahl der Menschen unter 65 sinke um 14 Prozent. „Auffallend“ sei zudem: Gut jeder zehnte Zweibrücker werde dann sogar über 80 sein (über 3400 Personen). 2040 werde der Altersquotient (Anteil der über 65-Jährigen) der dritthöchste aller kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz sein.

Diese prognostizierten Daten hätte erhebliche Auswirkungen für Bürger und Kommunalpolitik. Seebald fokussiert in seinem Demografie-Bericht auf vier Bereiche:

Arbeit, Finanzen, Infrastruktur: 2040 werde es nur noch rund 13 600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Zweibrücken geben – über 11 Prozent weniger als heute. Das und der Einwohnerverlust „bedeutet geringer kommunale Einnahmen durch Rückgang der Einkommenssteuer-Steueranteile und Schlüsselzuweisungen“ des Lades, erläuterte Seebald. Folglich „sollten die kommunalen Ausgaben an die Einnahmen angepasst werden“. Damit es nicht ganz so schlimm kommt, empfahl Seebald: „Zur Anwerbung in- und ausländischer Fachkräfte sollten Stadt und Unternehmen Strategien entwickeln.“

Seebald warnt in seinem Bericht auch vor „negativen Folgen für die Tragfähigkeit von Geschäften und die Versorgungsqualität der Bevölkerung“. Durch den demografischen Wandel sinke bis 2040 die Kaufkraft in Zweibrücken um fast 14 Millionen Euro – folglich würden 4600 Quadratmeter Verkaufsfläche weniger benötigt, was einer Größenordnung von fünf Discountmärkten entspreche.

Selbst aufs Wasser hat der Bevölkerungsschwund Einfluss. Der Wasserverbrauch sinke rechnerisch um 127 000 Kubikmeter pro Jahr, das führe für die Stadtwerke zu Einnahmeverlusten von 0,76 Millionen Euro – was den Wasserpreis für die Zweibrücker jährlich um durchschnittlich 24 Euro verteuern könnte.

Pflege: Infolge der Überalterung werden 2040 wohl 552 stationäre Pflegeplätze benötigt. Hier sieht Seebald nicht schwarz – denn derzeit gebe es in Zweibrücken 365 stationäre Pflegeplätze, zusammen mit dem auf dem ehemaligen Parkbrauerei geplanten Seniorenheim wären es schon 515. Der hohe Anteil der über 80-Jährigen in Zweibrücken allerdings werde auch dazu führen, dass künftig mehr Menschen Hilfe bei alltäglichen Aufgaben benötigen. Hierfür brauche es nicht nur mehr Betreuungs- und Pflegeplätze, sondern auch mehr „Alltagsdienstleister“, schreibt Seebald. Hier sei Zweibrücken bereits mit den beiden seit Februar aktiven „Gemeindeschwestern plus“ aktiv, die Menschen helfen, auch als Hochbetagte möglichst lange zuhause leben zu können (siehe Artikelende).

Wohnen: Wegen der sinkenden Einwohnerzahl gebe es 2040 „keinen akuten Neubedarf an Wohnungen mehr“, prognostiziert der Demografie-Bericht. Seebald empfiehlt, bestehende Wohneinheiten zu verkleinern und „es sollten vermehrt neuere Wohnformen entstehen wie Pflegewohngruppen oder betreute Wohnanlagen, Wohnquartiere“. Auch ehrenamtliche lokale Strukturen wie Nachbarschaftshilfen sollten geschaffen werden.

Schulen/Kindergärten: Bei einer Fortentwicklung der bisherigen Zahlen werde Zweibrücken im Jahr 2040 105 weniger Sechs- bis Neunjährige Kinder als heute haben und vier Grundschulklassen weniger benötigen. Eventuell sei eine Grundschule von der Schließung bedroht. Das sei aber „der „demografische Worst Case, und die ukrainischen Kinder sind noch nicht eingerechnet“, schränkte Seebald ein. In seinem schriftlichen Bericht empfiehlt er aber: „Eine zukünftige Alternativnutzung sollte innerhalb der Schulinfrastruktur mitbedacht werden.“

Drei- bis Sechsjährige werde es sogar 150 weniger geben, folglich brauche man sechs Kita-Gruppen weniger.

Als drei besondere Herausforderungen, bei deren richtiger Annahme sich die Überalterung bremsen lasse, hebt der Demografie-Bericht die „Integration von Geflüchteten und Migranten“, die „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ (durch Erhalten und Schaffen von Arbeitsplätzen und die Stärkung der Attraktivität Zweibrückens als Wohnstandort) sowie „Ausbildung junger Menschen und die Bindung an die Kommune“ hervor.

Der Seniorenbeauftragte macht der Kommunalpolitik auch mehrere Vorschläge für die demografische Weiterentwicklung. So schlägt Seebald einen „Demografie-Check“ vor: Jedes Projekt und jede Beschlussvorlage solle auf die Auswirkungen auf künftige Generationen überprüft werden (zum Beispiel drohende Steuer- oder Abgabe-Erhöhungen). Zudem empfiehlt Seebald einen Arbeitskreis Demografie zu gründen, um „eine aktive Mitgestaltung des demografischen Wandels“ zu erleichtern.

Seebald verwies im Sozialausschuss auch auf einige ganz praktische Ideen, die das „gute Altwerden vor Ort“ erleichtern könnten, etwa „Navigationssysteme für Fußgänger, die zum Beispiel die nächste Sitzbank anzeigen – oder Smart-Home-Systeme mit Sturzdetektoren“.

Nach Seebalds Vortrag gab es im Sozialausschuss zwei Wortmeldungen. Bürgermeister und Sozialdezernent Christian Gauf (CDU) sagte: „Ich glaube, dass wir schon auf einem guten Weg sind.“ Bei den prognostizierten Zahlen seien aber „Ausschläge in die eine oder andere Richtung möglich“. Bernd Henner (SPD) warb dafür, künftig zu diskutieren, wie die Stadt das Worst-Case-Szenario durch Maßnahmen verringern könne: „Sonst müssen wir Kita-Erzieherinnen zu Altenpflegerinnen umschulen.“

Die Gemeindeschwestern plus, Claudia Hoffmann und Claus Wilhelm, die seit Februar über 80-Jährige in Zweibrücken dabei unterstützen, zu Hause zu leben, stellten sich nach dem Bericht im Merkur auch im Sozialausschuss vor. „Einsamkeit ist das vorherrschende Thema“, berichtete Hoffmann aus ihren Gesprächen mit Senioren. Viele hätten auch Probleme, weil sie Hilfe im Haushalt bräuchten und „im zweiten oder dritten Stock ohne Aufzug“ wohnen. Wilhelm schätzt, 500 Wohnungen müssten bausubstanziell verändert werden. Zudem hätten viele Senioren „wenig Geld, schämen sich aber, Hilfe zu beantragen“, so Hoffmann. Um die Mobilität zu erhöhen, hätte Wilhelm gerne einen Bürgerbus, „aber das ist schwierig wegen der Rechte der Taxifahrer“. — Erreichbar sind Claudia Hoffmann unter Tel. (0 63 32) 871-417 und Claus Wilhelm unter 871-418. Ihr Büro ist in der Poststraße 40, Zimmer 012.

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