Zeitzeuge Günter Scheerer über die Bombardierung Zweibrückens 1945 Dem Inferno entkommen

Zweibrücken · Günter Scheerer war ein kleiner Junge, als die Stadt Zweibrücken am 14. März 1945 bei einem verheerenden Bombenangriff der Alliierten fast vollständig zerstört wurde. Die Bilder hat er bis heute nicht vergessen.

 Das Foto zeigt den Einmarsch der Amerikaner in das nahezu komplett zerstörte Zweibrücken. Fotos: Stadtarchiv/repro: Norbert Rech

Das Foto zeigt den Einmarsch der Amerikaner in das nahezu komplett zerstörte Zweibrücken. Fotos: Stadtarchiv/repro: Norbert Rech

Deutschland 1945 - das Nazi-Reich versank in einem Meer aus Blut und Tränen. Als am 8. Mai die Waffen endlich schwiegen, waren mehr als 50 Millionen Menschen tot. Gefallen an der Front, ermordet in Konzentrationslagern, verbrannt in Bombennächten, gestorben an Hunger, Kälte und Gewalt. Das Ende des Krieges war nicht die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit. Die Ursache liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Zweiten Weltkrieg führte. 1945 darf nicht vom 30. Januar 1933 - dem Tag der Machtergreifung von Hitler - getrennt werden, so die Auffassung nicht nur vieler Historiker und Politiker. In der Westpfalz und im Saarland endete der Krieg schon im März. Nach der Invasion im Juni 1944 und dem Durchbruch in der Normandie waren die amerikanischen Streitkräfte Woche für Woche weiter nach Westen vorgestoßen.

Günter Scheerer, 82, hat als Kind die schrecklichen Ereignisse zum Ende des Krieges in Zweibrücken miterlebt. Noch heute kann er sich gut erinnern, die Bilder vergisst er nicht. Bis Ende 1944 habe er nicht daran geglaubt, dass Deutschland den Krieg verlieren könnte, auch wenn Zweibrücken zu dieser Zeit bereits im Ziel von Jagdbombern war: "Man darf ja nicht die Propaganda damals vergessen."

Auch die Eltern hätten, wenn sie es geahnt haben, nicht mit dem Nachwuchs über solche Themen geredet. Scheerer hatte damals in der Sedanstraße gewohnt, der heutigen Jakob-Leyser-Straße.

Der erste schlimme Luftangriff war am 19. Dezember 1944. Bei diesem kamen in einem Luftschutzkeller bei der Villa Veith neun Soldaten ums Leben. Unter den Toten war auch sein Vater. Günter Scheerer selbst war zu dem Zeitpunkt mit seiner Mutter zu Besuch bei Verwandten in Landstuhl.

Viele Zweibrücker hatten die Stadt bereits verlassen. Die Evakuierung im Spätherbst 1944 sei aber nicht vergleichbar mit der zu Beginn des Krieges. So habe Chaos geherrscht und an eine Organisation sei nicht zu denken gewesen: "Jeder musste selbst sehen, ob er irgendwo unterkommt." Deshalb blieben noch mehrere tausend Menschen hier. Ein weiterer Bombenangriff war am 7. Januar 1945, bei dem der Dinglerkeller voll getroffen wurde. Dabei wurde die Besitzerin des Musikgeschäftes Großkloß getötet. "Meine Mutter stellte daraufhin fest, dass wir selbst hier nicht mehr sicher sich sind, weshalb wir danach in den Himmelsbergstollen flüchteten", erinnert sich der 82-Jährige.

Auch der 14. März 1945 ist noch gut im Gedächtnis des heute in Einöd Lebenden: "An diesem Tag war es ruhig in Zweibrücken. Wir waren mit Aufräumarbeiten in unserem Haus beschäftigt." Er selbst legte noch Ziegeln auf dem Dach, als eine Nachbarin ihn und seine Mutter bedrängte, mit in den Stollen zu kommen. "Wir hatten sehr viel Glück. Als wir die Oselbachstraße hinaufrannten, waren schon die ersten Leuchtkörper am Himmel zu sehen", erzählt Scheerer. Im Bunker angekommen habe er sich auf den Boden geworfen. Durch die Detonation der vielen Bomben sei Sandstein von der Decke gerieselt. Rund 2000 Menschen seien im Stollen gewesen, darunter die Feuerwehr, das Rote Kreuz und eine Station des Katholischen Krankenhaus. Der Angriff selbst dauerte eine gute halbe Stunde.

"Wir waren ohne Verpflegung, hatten kein Wasser und keine Toiletten - die Verhältnisse waren haarsträubend. Ich kann gar nicht nachvollziehen, wie wir die Zeit bis zum Einmarsch der Amerikaner überstanden haben", sagt Scheerer.

Am 20. März kamen dann Einheiten der 7. US-Armee in den Bunker. Die Soldaten hatten das Gewehr im Anschlag und kontrollierten jeden. Die Menschen im Stollen hatten Glück, dass die Eingänge nicht vorher von Wehrmachtssoldaten gesprengt wurden, die hierfür einen Befehl hatten. Die Amerikaner hätten wohl kaum vermutet, dass sich hier Leute befinden und die Eingeschlossenen wären ihrem Schicksal überlassen geblieben.

Ein geplanter Transport der Zweibrücker nach Lothringen, wie sie die Besatzer geplant hatten, war nicht nötig, da der Vormarsch der US-Armee rasch voranschritt. Doch die Deutschen mussten erst mal im Bunker bleiben. Nur Kinder durften sich aus einem Brunnen im Hof des früheren Gasthauses "Zum Kronprinz" Wasser holen. Erst viele Tage später gab es zwei Stunden Ausgehzeit: "Wir haben gesehen, dass unser Haus völlig zerstört war."

Die Amerikaner suchten dann einen Deutschen, der Verantwortung für die Organisation des Lebens in der zerbombten Stadt übernehmen konnte, den sie in dem späteren Oberbürgermeister Ignaz Roth dann auch fanden. Scheerer und seine Mutter erhielten eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Bismarkstraße 19 zugewiesen. Das Haus wurde von einem Lagerkommandanten beschlagnahmt und ausgebombten Leuten zur Verfügung gestellt. "Nun fing an, etwas Normalität reinzukommen", sagt der Zeitzeuge. An Schulunterricht sei aber noch nicht zu denken gewesen. So habe er geholfen, an der späteren Hauptschule Nord die Backsteine zu säubern. Die Essenszuteilung war streng bemessen und erste Zeitungsberichte wurden an Mitteilungstafeln veröffentlicht.

"Die Amerikaner haben uns aber als Feinde betrachtet. Von ihnen war keine Hilfe zu erwarten", beschreibt Scheerer die Situation, die sich erst gebessert habe, als Teile der US-Armee kamen, die keine Feindberührung hatten. Als am 10. Juli dann die Region den Franzosen übergeben wurde, habe sich die Lage noch einmal verschlechtert: "Die hatten ja selbst nichts zu essen."

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Auf einen BlickHeute Gedenken: Stadt, Kirchen und Bündnis Buntes Zweibrücken rufen für diesen Samstag, 11 bis 18 Uhr, zum "Gedenken an die Zerstörung Zweibrückens" auf. Auftakt ist um 11.15 Uhr mit einer Rede von Oberbürgermeister Kurt Pirmann auf dem Herzogplatz. Bis 15.30 Uhr folgt dort ein vom Bündnis organisiertes "Kulturprogramm für Frieden, Vielfalt und Toleranz". Danach gibt's in der Karlskirche Kuchen. Um 16.30 Uhr folgt dort eine szenischen Lesung von Michael Dillinger und Wolfgang Ohler. Der Gedenk-Tag endet auch in der Karlskirche mit einem Ökumenischen Gottesdienst, 17.30 Uhr. nob

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