Stoßlüften schütze besser vor Corona: Luftfilteranlagen nur für zwei fensterlose Schulräume in Zweibrücken Wosnitza: Wissenschaft statt Bauchgefühl folgen!

Zweibrücken · Oberbürgermeister und Stadtvorstand sind derzeit gegen Lüftungsanlagen für Schulen. Stadtrat beschließt trotzdem Debatte.

 Auch in Klassenräumen mit Lüftungsanlagen muss regelmäßig stoßgelüftet werden, da dies zum Corona-Schutz effektiver sei, empfiehlt das Umweltbundesamt.

Auch in Klassenräumen mit Lüftungsanlagen muss regelmäßig stoßgelüftet werden, da dies zum Corona-Schutz effektiver sei, empfiehlt das Umweltbundesamt.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Sollen alle Zweibrücker Klassenzimmer zum Corona-Schutz mit Luftfilteranlagen ausgestattet werden? In Anfragen hatten dies zuerst die SPD (die als ersten Schritt nur Grundschulen ausstatten will) und danach die CDU angeregt (wir berichteten). In dieser Frage gibt es offensichtlich einen Konflikt mit dem Stadtvorstand.

Der nämlich sieht hierfür derzeit keine Möglichkeit und und auch keine Notwendigkeit, wie Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) am Mittwochabend in einer schriftlich vorbereitete Rede im Stadtrat deutlich machte. Darin hob Wosnitza zunächst hervor, wie gut Zweibrücken bislang durch die Corona-Pandemie kommt – als momentan einziges Gebiet in Rheinland-Pfalz unterhalb der drei Warnstufen, und wie sich am Donnerstag bestätigte auch mit der niedrigsten Inzidenzzahl ganz Deutschlands (siehe Aufmacher Titelseite). Das Erfolgsgeheimnis dafür sei nicht nur Glück, zeigte sich Wosnitza überzeugt: „Gemeinsam mit den Organisationen, den Ärzten, den Senioreneinrichtungen, der kommunalen Politik – und das unabhängig von Kompetenz, Organisation oder politischer Couleur – haben wir das Ziel verfolgt, die Ausbreitung der Pandemie einzugrenzen. Wir haben besonnen gehandelt, wir haben gemeinsam gehandelt und wir haben uns nicht von Bauchgefühlen und Stimmungen leiten lassen.“ Dass man sich bei Entscheidungen nicht von (sehr verständlichen) Emotionen, sondern den jeweils aktuell vorliegenden „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ leiten solle, wiederholte Wosnitza mehrfach, damit niemand seine Botschaft überhörte. Die Diskussion um die Lüftungsgeräte bezeichnete Wosnitza in diesem Zusammenhang als eine „angeregte“ – und verwies darauf, dass laut Umweltbundesamt und einer im Ärzteblatt veröffentlichten Studie Stoßlüften wesentlich effektiver ist als Lüftungsgeräte. Diese könnten Stoßlüften nicht ersetzen, betont das Umweltbundesamt. SPD und CDU hatten in ihren Anfragen Lüftungsgeräte als Alternative zum Stoßlüften beworben.

Rheinland-Pfalz fördere den Einbau von Lüftungsanlagen nur in Schulräumen, in denen keine zu öffnenden Fenster sind. Dies aber sei in allen Zweibrücker Klassenzimmern möglich, erläuterte Wosnitza. Lediglich am Hofenfels-Gymnasium gebe es zwei andere Unterrichtsräume ohne Fenster. Diese statte man selbstverständlich mit Luftfilteranlagen aus. Zudem habe die Stadt „CO2-Ampeln“ bestellt, damit Schulen bei Bedarf messen können, ob durch das Stoßlüften genug Luft ausgetauscht wird.

Wosnitza sagte weiter: „Der Stadtvorstand hat großes Verständnis dafür, dass es Sorgen und Ängste in der Bevölkerung gibt, sicherlich auch befeuert durch Diskussionen in den sozialen Medien, wie zuletzt bei der Frage des Impfens. Wir können uns aber nur an das halten, was uns zum einen die jeweiligen Richtlinien vorgeben und uns an dem orientieren, was bei der Bewältigung von Pandemien immer handlungsleitend sein sollte, nämlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum jeweiligen Thema.

Wosnitza berichtete, in den Schulen sei eine Vielzahl anderer Coronaschutz-Maßnahmen ergriffen worden. Die Stadt als Schulträger sei mit den Schulen auch „seit Langem im ständigen Austausch“.

In allen 74 Zweibrücker Grundschul-Klassenräumen Lüftungsgeräte einzubauen, würde 347 800 Euro kosten. Selbstgebaute oder von Eltern installierte Anlagen kämen aus Haftungsgründen nicht infrage.

Die CDU-Fraktion hatte in der Pressemitteilung zu ihrer Anfrage Wosnitza auch parteipolitisch kritisiert: Auffällig sei „die Zurückhaltung der SPD-Oberbürgermeister Wosnitza und Weichel“ (Kaiserslauterer OB) bei Lüftungsanlagen, wohl weil die Landesregierung sich weigere, zum Schutz der Schüler Geld in die Hand zu nehmen, so die CDU.

Womöglich auch deshalb hob Wosnitza am Ende seiner Rede hervor: „Uns allen im Stadtvorstand war es ein Anliegen, das nochmal darzulegen vor dem Hintergrund der letzten Diskussionen.“ Neben ihm gehören Bürgermeister Christian Gauf und die Beigeordnete Christina Rauch (beide CDU) dem Stadtvorstand an. Rauch hatte bereits Mitte November auf Merkur-Anfrage keine Notwendigkeit für Lüftungsanlagen gesehen – auch in den befragten Grundschulen war das Interesse daran gering.

Bürgernah-Fraktionschef Dirk Schneider beantragte eine Stadtrats-Sondersitzung, um über die von ihm geforderten Lüftungsanlagen für alle Klassenräume zu diskutieren. Schneider verwies auf eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt, wonach solche Geräte sehr wirksam seien, und die Deutsche Physikalische Gesellschaft halte sie für viel besser als Stoßlüften. Mit überwältigender Mehrheit (fast nur die Grünen stimmten nicht zu) beschloss der Rat, das Thema in der nächsten Sitzung zu beraten.

Die Corona-Zahlen im Gesundheitsamtsbezirk Südwestpfalz waren am Donnerstag stabil. Die Sieben-Tage-Inzidenzzahl blieb in Zweibrücken bei 11,7 (keine Warnstufe), im Landkreis Südwestpfalz bei 59,1 und stieg in Pirmasens von 57 auf 57,2 (beide Gebiete bleiben in Alarmstufe rot). Es gab keine Toten und 14 bestätigte Neuinfektionen, davon je eine in Zweibrücken und Thaleischweiler-Wallhalben (Weselberg).

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