Prozess am Landgericht Zweibrücken gegen Dealerbande Kronzeuge wird von Sturmhauben tragenden Polizisten geschützt
Zweibrücken · Ein ehemaliges Mitglied sagt am Landgericht Zweibrücken gegen Dealer-Bande aus. Ein weiterer Zeuge erzählte eine abenteuerlich wirkende Geschichte.
Ein martialischer Auftritt: Begleitet von sechs dunkel gekleideten Polizeibeamten mit schwarzen Sturmhauben über dem Kopf, die in einem Sehschlitz nur die Augen frei ließen, hat ein 35-jähriger Mann am vergangenen Mittwoch den Sitzungssaal 4 des Landgerichts Zweibrücken betreten. Er sollte vor der Ersten Großen Strafkammer aussagen – als Kronzeuge.
Und weil er sich von Beginn der Ermittlungen im November 2020 an bereit erklärt hatte, über Strukturen und Vorgehensweisen einer in der Südwest- und Saarpfalz sowie im Rhein-Main-Gebiet agierenden Drogendealer-Bande zu berichten, der er einst selber angehörte, befindet sich der 35-Jährige aus dem Saarpfalz-Kreis derzeit im Zeugenschutzprogramm, hält sich an einem unbekannten Ort auf. Er verlässt sein Versteck nur, wenn es nötig ist und dann nur unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen – zum Beispiel bei einem Gerichtstermin wie diesem. Im Gegensatz zu den Polizisten war sein Gesicht ungetarnt.
Zur Erinnerung: Staatsanwältin Karin Ephan und Staatsanwalt Christian Horras hatten den bislang überwiegend in Kaiserslautern und Umgebung lebenden neun 23- bis 35-jährigen Männern zu Beginn der drei parallel laufenden Prozesse mit jeweils zwei, drei und vier Angeklagten vorgeworfen, sich Mitte 2018 zusammengeschlossen und bis November 2020 gewerbsmäßig als Mitglieder einer Bande in über 100 Fällen im je zweistelligen Kilogramm-Bereich mit Betäubungsmitteln gehandelt und Drogen im Wert von mehreren Millionen Euro umgeschlagen zu haben. Dabei sollen sie zunächst Rauschgifte wie Marihuana, Amphetamin, Kokain und Haschisch bei Lieferanten im Rhein-Main-Gebiet oder übers Internet erworben und in Zweibrücken, in der Südwest- und in der Saarpfalz gewinnbringend weiterverkauft haben (wir berichteten mehrfach).
Von der Vorsitzenden Richterin Susanne Thomas zur Struktur der mutmaßlichen Drogendealer-Bande befragt, benannte der Kronzeuge am Mittwoch einen der Angeklagten, den er bereits aus Kindheitstagen kenne, als jenen Mann, der bei den Rauschgiftgeschäften für das Eintreiben der Gelder zuständig gewesen sei.
Ein anderer nun Angeklagter habe die Deals vermittelt. Der 35-jährige Kronzeuge gab an, sich 2018 wegen seiner hohen Schulden der Bande angeschlossen zu haben. Zu Beginn der Zusammenarbeit sei er mit dem Geldeintreiber nach Heidelberg gefahren, wo es um ein Geschäft mit Heroin gegangen sei, erzählte der Kronzeuge. Dort habe er auch den Vermittler getroffen. „Ich wusste nicht, dass er was mit Drogen zu tun hatte. Ich hatte Angst vor ihm“, sagte der 35-Jährige.
Bis 2020 habe er insgesamt neun Kilogramm „Gras“ (Cannabis) und 14 Kilogramm Amphetamin vertickt – an drei Abnehmer in Homburg, St. Ingbert und Kirkel, rechnete der Kronzeuge vor. Einem seiner „Kunden“ habe er drei Kilogramm Marihuana zum Preis von 18 000 Euro geliefert.
Das „Gras“ sei für eine Rocker-Gruppe aus dem Saarpfalz-Kreis bestimmt gewesen. Der Kronzeuge gab der Strafkammer bereitwillig auch detailliert Auskunft darüber, wo die Drogen gebunkert, Hanf angebaut und Amphetamin „gekocht“ wurden.
Nicht ganz so aussagefreudig war ein anderer Zeuge. Dafür tischte der 25-jährige Saarpfälzer dem Gericht eine abenteuerlich anmutende Geschichte auf. Er kenne die Angeklagten, sei für den einen oder anderen von ihnen unter anderem nach Darmstadt gefahren, um dort etwas abzuholen – aus Gefälligkeit, und weil er ohnehin im Rhein-Main-Gebiet zu tun gehabt habe, behauptete der selbständige Elektriker.
Zunächst sei er gebeten worden, nach Kaiserslautern zu fahren, um ein abhörsicheres Handy entgegenzunehmen, das er wunschgemäß nach Darmstadt mitnehmen sollte, um mit seinen Auftraggebern Kontakt aufnehmen zu können. Dort habe er sich in einem Industriegebiet mit einem ihm unbekannten Mann getroffen, der ihm eine „Tüte“ in den Kofferraum seines Autos gelegt habe, und dann die Rückreise in die Saarpfalz angetreten, wo er das Mobiltelefon und die Tüte abgegeben habe: „Ich wusste nicht was drin war.“ Allerdings habe er etwas „geahnt“, antworte der 25-Jährige auf eine entsprechende Nachfrage der Vorsitzenden Richterin.
Erst später – nachdem sie im November 2020 festgenommen wurden – will er erfahren haben, dass seine Bekannten mit Drogen gehandelt hatten und er mit seinen Gefälligkeits-Fahrten daran wohl, wie er betonte, unwissentlich beteiligt gewesen war.
Die Verhandlungen am Landgericht werden fortgesetzt.