„Das System ist der Bösewicht“

Zweibrücken · Morgen kommt „The Big Short“ in die Kinos. Der Film thematisiert mit Ironie den Beginn der Finanzkrise 2007. Regisseur Adam McKay inszeniert die Vorgeschichte zum Finanzkollaps aus der Perspektive gewiefter Akteure wie HedgeFonds-Manager Michael Burry (Christian Bale) und Deutsche Bank-Investmentbanker Jared Vennett (Ryan Gosling). Brad Pitt spielt einen Star-Investor. Merkur -Mitarbeiter Martin Schwickert sprach mit dem Regisseur über den Film, Politik und die ungebrochene Macht der Banken.

Mr. McKay, "The Big Short" versucht auf unterhaltsame Weise, die Wirtschaftskrise von 2007/2008 zu erklären. Übernimmt Hollywood nun die politische Bildungsarbeit in den USA?

McKay: Leider wissen viele Amerikaner immer noch nicht, was damals während des Banken-Crashs wirklich passiert ist. Mein wichtigstes Ziel bei diesem Film ist es zu zeigen, was hinter den Wall-Street-Kulissen damals genau vor sich gegangen ist. Die Medienlandschaft hat sich sehr verändert. Die Nachrichtensendungen geben uns heute kaum noch Informationen, die auf den tatsächlichen Fakten beruhen. Wir haben schon bei den Probevorführungen gemerkt, dass es beim Publikum ein großes Bedürfnis nach Geschichten gibt, die etwas mit der aktuellen, politischen Wirklichkeit des Landes zu tun haben.

Wie schwer war es, ein Hollywood-Studio für ein solch brisantes Projekt zu gewinnen?

McKay: Stars wie Steve Carell und Brad Pitt , dessen Firma den Film mitproduziert hat, sind dabei immer eine große Hilfe. Aber auch der Autor der Buchvorlage Michael Lewis hat in Hollywood einen guten Ruf. Die Studios wissen, dass es einen Markt für qualitätvolle Filme gibt, die sie dann auch gern zur Oscar-Saison antreten lassen. Vor 20 Jahren war es natürlich einfacher. Da gab es noch mehr unabhängigige Produktionsfirmen und es ist eine Schande, dass die meisten von Konzernen aufgekauft und zerschlagen wurden.

Zurzeit ist in den USA Wahlkampf, aber die Konsequenzen aus der Bankenkrise, durch die Millionen Menschen ihre Häuser und ihre Jobs verloren haben, scheint im Wahlkampf keine Rolle zu spielen.

McKay: Das liegt daran, dass alle Kandidaten - Bernie Sanders ausgenommen - auf die Wahlkampfspenden der Banken angewiesen sind. Und das gilt auch für die meisten Kongressabgeordneten. Da gehen riesige Summen über den Tisch und darüber wird nicht gern gesprochen. Hilary Clinton bekommt mehr Geld von den Banken als irgendein anderer Kandidat. Und die Banken lieben Hilary! Es ist ein korruptes System und die Banken haben die Regierung in der Hand. Eine der wichtigsten Konsequenzen, nachdem die Banken im Zuge der Krise mit Steuergeldern freigekauft wurden, hätte sein müssen, die Banken zu 20 Prozent zu verstaatlichen und gesetzlich festzulegen, dass Banken keine Lobbyarbeit mehr betreiben dürfen. Nichts davon ist passiert. Die Macht der Banken ist heute größer denn je und wenn sie noch einmal kollabieren, müssen wir sie wieder freikaufen.

Angesichts der drastischen Auswirkungen der Bankenkrise auf die Bevölkerung wundert man sich, dass der politische Protest eingeschlafen ist…

McKay: Es gab ja zumindest "Occupy Wall Street ". Aber dann haben die Stadtverwaltungen in New York und anderswo diese Demonstrationen aufgelöst - auf wie ich finde illegale Weise. Zudem hat das rechte politische Lager es auf fast schon brillante Weise verstanden, die Wut auf die Krise in eine Wut auf Einwanderer und Liberale zu kanalisieren. Und schließlich haben die Medien damals vollkommen versagt. Nach ein paar halbherzigen Reformen war die Debatte erledigt. Wir wollen mit diesem Film deutlich sagen: Diese Debatte ist längst nicht beendet.

Sind Sie für den Film angegriffen worden?

McKay: Natürlich wird man den Film in den Finanzetagen nicht mögen und die amerikanischen Zeitungen aus dem Murdoch-Konzern haben auch schon auf uns eingedroschen. Aber wir haben den Film nach Fertigstellung auch einigen wichtigen Personen aus der Finanzwelt gezeigt: Mervyn King, damaliger Gouverneur der britischen Zentralbank, war dabei, einige Hedge-Fonds-Manager und Wirtschaftsprofessoren. Ich dachte, die würden uns zerfetzen. Aber sie sagten alle: "Yep, genauso war's". Es gab nicht eine Beschwerde bezüglich der Fakten. Wir haben sie nacheinander gefragt, was sie nach der Krise am meisten schockiert hat. Und wirklich alle haben gesagt, dass sie es nicht fassen konnten, dass keiner der Verantwortlichen im Gefängnis gelandet ist.

Ihr Film ist aus der Perspektive einiger Hedge Fonds-Manager erzählt, die das Platzen der Immobilienblase vorhergesehen und dagegen gewettet haben. Wenn das die "Helden" in Ihrem Film sind, wer ist dann eigentlich der Bösewicht?

McKay: Der Bösewicht ist das korrupte System, in dem die Banken zu mächtig und die Regierung auf jeder Ebene bestechlich ist. Ich glaube prinzipiell nicht daran, dass der Bösewicht sich auf ein klar zu benennendes Individuum festlegen lässt. Es geht immer um Systeme und deshalb haben wir bewusst darauf verzichtet, einen Schurken zu kreieren.

Ab morgen in den Kinos .

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