Das Kammerflimmern hat begonnen

Zweibrücken · Die Hoffnung ist noch nicht tot, aber so gut wie: Gestern Mittag zeigte sich der Zweibrücker Flughafen wie ein Patient kurz vorm Ende. Im Umfeld verlieren immer mehr Menschen ihre Arbeit.

 Grabesstimmung herrschte gestern in der Zweibrücker Abflughalle.

Grabesstimmung herrschte gestern in der Zweibrücker Abflughalle.

Foto: Eric Kolling

"Danke und auf Wiederfliegen" prangt auf dem Transparent neben der Ankunftshalle des Zweibrücker Flughafens. Doch "Wiederfliegen" wird aller Voraussicht nach nur noch bis übernächste Woche am 3. November möglich sein. Und so wirkte gestern um die Mittagszeit der Flughafen wie ein Patient im Endstadium: Die Abflughalle beinahe leer, vor dem unbesetzten Neckermann-Schalter stehen nicht ausgepackte Prospekt-Bündel, die Bedienung im Café hat keine Kunden, hinter der Tür lockt L'Tur auf einem Aufsteller mit aktuellen Angeboten ab Saarbrücken. Gegen 12.20 Uhr gibt's dann kurz so etwas wie Leben: Die eben aus Antalya angekommenen Passagiere verlassen das Gebäude , verteilen sich auf ihre Autos, wenige Minuten danach ist auch der Kurzzeitbesucherparkplatz vor dem Gebäude leer. Vor dem Gebäude sind auch die Mietwagen-Boxen von Sixt, Europcar und Buchbinder ausgeräumt. Die Zeiten, da man dort regelmäßig Leute sah, seien schon seit Jahren und dem Weggang von Germanwings vorbei, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Markus Rademacher, der sich vor dem Gebäude eine Zigarette gönnt. Bei ihm und seinen Kollegen regiere das Prinzip Hoffnung.

"Man muss mich als letzten vom Gelände tragen", unterstreicht er seine Verbundenheit mit dem Zweibrücker Airport als Arbeitgeber. Einige seiner Kollegen hätten Aufhebungsverträge unterschrieben, er selbst habe sich auch beworben - vorsichtshalber. Auch wenn er Zusagen bekäme, wolle er "so lange warten wie möglich und die Entwicklung abwarten", ehe er dem Flughafen den Rücken kehrt. Gekündigt sei noch keinem Mitarbeiter seitens der Flughafengesellschaft, fügt er an. In den nächsten acht bis vierzehn Tagen sollen die Bewerber, die sich auf die 20 vom Landesbetrieb Mobilität zur Verfügung gestellten Stellen beworben habe, "erfahren, wie ihre Aktien stehen", so Rademacher, der persönlich immer noch "große Hoffnung hat, dass sich auf dem Gelände Richtung Flugbetrieb etwas weiterentwickelt".

Die Entwicklungen in Sachen Mietverträgen gehen in eine andere Richtung. Das von Werner Schmidt betriebene Café in der Abflughalle habe zum 8. November die Kündigung bekommen, schildert die Verkäuferin. Sie selbst arbeite hier nebenbei, müsse sich einen neuen Nebenjob suchen. Das Problem hat die Putzfrau mit französischem Akzent nicht, die eben die leeren Check-in-Schalter abreibt. Sie arbeite erst seit drei Monaten am Flughafen und werde sich künftig auf die Style Outlets konzentrieren. Die wenigen Schalter der Reiseveranstalter in der Abflughalle werden wohl auch dieser Tage zum letzten Mal genutzt. Während die Mitarbeiterin bei Tui keine Auskunft geben will, schildert nebenan Gabi Nicodemo im L'tur-Schalter, dass dieser zum 1. November schließt. In den folgenden Tagen werde er ausgeräumt, Nicodemo dann wieder am Ensheimer Flughafen arbeiten. In Zweibrücken sei sie seit 2011 immer wieder aushilfsweise gewesen. "Einer Vollzeitkraft wurde wegen der Situation am Flughafen gekündigt, sie hat aber direkt etwas Neues gefunden", erzählt sie. Außer dieser sei immer eine Aushilfe in Zweibrücken beschäftigt gewesen.

Außerhalb des Gebäudes wird man um 13.08 Uhr Zeuge, wie noch mal eine Tuifly-Maschine in Richtung Rhodos abhebt. Von der kleinen Aussichtsplattform aus verfolgt ein älteres Pärchen aus Pirmasens den Start. "Das kann doch nicht sein, dass hier alles zumachen muss", klagt die Frau. Sie selbst hae Protest-Unterschriften gegen die Schließung gesammelt. Beide wettern gegen die Entscheider in Brüssel und Mainz und auch gegen Ensheim. Niemals wieder flögen sie ab dort, dann lieber ab Stuttgart, sagt der Mann rau.

Einige hundert Meter weiter, im Haupteingangsgebäude, gibt sich die Mitarbeiterin der Arbeitsagentur zugeknöpft, die dort Jobperspektiven der Angestellten ausloten soll. Nur die Pressestelle dürfe etwas sagen (siehe nebenstehender Text). Dafür redet vor der Tür des Gebäudes ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Big, der anonym bleiben möchte. Allen 36 Mitarbeitern sei zum 31. Oktober oder 15. November gekündigt worden. Sie kontrollieren die Passagiere oder gehen Streife über das Gelände. "Ich persönlich habe die Arschkarte gezogen", klagt der Mann, für den ein Umzug anstehe. Ensheim habe keinen Bedarf, freie Stellen gebe es weiter weg. Aktuell sei es wegen des abgespeckten Winterflugplans ohnehin schwieriger als ab April. Er selbst sei erst seit Juli bei Big: "Ich bin im Juli erst hergezogen und habe gerade die Kisten ins Haus getragen, als die Nachricht von der Insolvenz kam", erzählt er. Zum 31. Oktober sei für ihn Schluss, "meine Kisten habe ich vorsorglich nie ganz ausgepackt, da geht es mit dem Umziehen jetzt schneller". Das Flughafenmotto "Danke und auf Wiederfliegen" dürfte für ihn besonders bitter klingen.

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