Pirmasens hat schon alle Klassen ausgerüstet und sieht sich durch Messergebnisse bestätigt Lüftungsanlagen für Schulen? Zweibrücken wartet weiter ab

Zweibrücken · Der zunächst skeptische Gesundheitsamtsleiter ist nach Messungen nun vom Erfolg des günstigen Pirmasenser Modells überzeugt. Zweibrücken lehnt es weiter ab.

 Nach allen Klassenzimmern rüstet Pirmasens nun auch einige Kita-Räume mit Lüftungsanlagen nach.

Nach allen Klassenzimmern rüstet Pirmasens nun auch einige Kita-Räume mit Lüftungsanlagen nach.

Foto: Lutz Fröhlich

Pirmasens sieht sich durch wissenschaftliche Messergebnisse darin bestätigt, alle 450 Klassenräume in seinen Schulen mit relativ günstigen Lüftungsanlagen „Marke Eigenbau“ ausgerüstet zu haben. „Das hat sich sehr gut bewährt“, bilanzierte Oberbürgermeister Markus Zwick (CDU) am Donnerstag vor der Presse.

Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Aeorosole und größere Partikel – an denen jeweils Corona-Viren anheften könnten – würden durch die Pirmasenser Anlage genauso gut wie durch Stoßlüften entfernt. Wobei überraschenderweise auch ganz ohne Lüftung die Konzentration ähnlich war. Doch die Lüftungsanlagen brächten zwei entscheidende Vorteile: Das sonst zum Corona-Schutz alle 20 Minuten erforderliche Stoßlüften lasse sich auf die Pausen beschränken und störe so nicht mehr den Unterricht. Und im Sommer ermögliche die Anlage nachts die Zufuhr kühlerer Luft.

In den Pirmasenser Schulen wurden mit Baumarkt-Materialien Lüftungsrohre aus Metall an den Decken installiert. Über die Körperwärme steige eventuell virenenbelastete Luft nach oben und werde durch Ventile über einen Ventilator im Rohrsystem nach draußen abgesaugt. Um Unterdruck zu vermeiden, muss ständig ein Fenster gekippt sein (wie viel kälter es dadurch wird, verrät die Studie nicht).

In Zweibrücker Stadtrats-Sitzungen im Februar und März war das Pirmasenser Modell kein Thema mehr, nachdem der regionale Gesundheitsamtsleiter Dr. Heinz-Ulrich Koch sich skeptisch gezeigt hatte. Die Ergebnisse der (von ihm begleiteten) Studie des Pirmasenser Prüfinstituts PFI hätten ihn aber überzeugt, sagte Koch gestern: „Mit relativ einfachen Mitteln wird eine hohe Effizienz erzielt.“ Natürlich wäre professionelle Raumluftfiltertechnik noch besser – aber kaum bezahlbar. Der Pirmasenser Gebäudemanagements-Leiter Alexander Kölsch entkräftete Zweibrücker Versicherungs-Bedenken: „Unsere Anlagen sind mit der Unfallkasse Rheinland-Pfalz abgestimmt!“

Während Pirmasens nun auch noch Stillbeschäftigungsräume in Kitas mit den Anlagen ausrüstet (Gruppenräume seien ungeeignet, weil die viele Bewegung dort zu zu vielen Verwirbelungen führen würde); will die Stadt Zweibrücken erst nach den Sommerferien prüfen, ob Lüftungsanlagen auch dort in Schulen installiert werden, wo es Fenster zum Stoßlüften gibt. Pressesprecher Jens John teilte auf auf Merkur-Anfrage mit, der Stadtvorstand sei „in regelmäßigen Beratungen zu diesem Thema und bewertet die Situation immer wieder neu“. Doch dem Pirmasenser Modell erteilt Zweibrücken weiter eine Abfuhr: „Wir werden zum aktuellen Stand auch in Zukunft nicht auf improvisierte und selbstgebaute Lösungen setzen, sondern weiter dort wo es notwendig und zielführend ist auf professionelle Lösungen setzen.“

John schreibt weiter: „Vor dem Hintergrund, dass bisher laut Aussage des Gesundheitsamtes keine Infizierungen in Schulen stattgefunden haben, der fallenden Inzidenz und der anstehenden Impfstrategie für Schüler*innen, setzen wir auch weiterhin bis zu den Schulferien auf Stoßlüftung. Wir werden die Situation in den Schulen und den Kitas vor dem Hintergrund der anstehenden Impfstrategie für Schüler*innen nach den Sommerferien in Absprache mit dem Gesundheitsamt neu bewerten. In diesem Zusammenhang wird durch die Stadtverwaltung geprüft ob weitere Lüftungsanlagen in Schulen und Kitas installiert werden sollten.“

Zweibrücken folge den seit März unveränderten Vorgaben des Landes. Daher habe man aktuell nur in vier fensterlosen Hofenfels-Fachräumen Lüftungsanlagen auf den Weg gebracht (wir berichteten) sowie für den Kita-Neubau an der Gabelsbergerstraße.

Die Bundesregierung hat allerdings vor wenigen Tagen angekündigt, Mitte Juni neue Förderrichtlinien vorzustellen, die auch den Neueinbau von Lüftungsanlagen in Räumen mit Fenstern zu 80 Prozent bezuschussen.

Zu langsam ist das Handeln der Zweibrücker Stadtspitze einigen Ratsmitgliedern. Patrick Lang (FWG) ärgert sich, dass trotz mehrfacher Anfragen (zuerst am 14. April) die Stadtspitze zu diesem „zeitkritischen Thema“ ihm immer noch nicht geantwortet habe. Auch Sara-Kim Schneider (CDU) kritisiert, sie habe auf ihre am 12. Mai im Rat gestellte Anfrage „leider noch keine Antwort vom Oberbürgermeister erhalten“. Auch die in Aussicht stehende Impfung Jugendlicher „löst die Problematik in Kitas und im Grundschulbereich leider nicht, da diese Kinder unter die vorgegebene Altersgrenze fallen, sodass hier weiterhin Handlungsbedarf besteht“. Lang erinnert, dass die Stadt schon seit Februar am Prüfen sei, ob und wie man den Corona-Schutz in Schulen durch technische Maßnahmen erhöhen könne. Weil sich häufiger als früher Kinder infizierten, müsse die Stadt schneller handeln.

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