Zweibrücker Dr. Gensch kritisiert Landesregierung CDU schlägt wegen Notarzt-Versorgung Alarm

Zweibrücken/Mainz · Christoph Gensch zeigt sich erschrocken über die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der CDU zur Notarztdiensten in Rheinland-Pfalz. In Zweibrücken ist die Situation deutlich besser als im Landesschnitt.

Christoph Gensch (Archivbild  ) warnt: „Das Notarztsystem in Rheinland-Pfalz steht vor dem Kollaps.“ Die Antwort der Landesregierung klingt deutlich weniger alarmistisch, allerdings räumt sie „Herausforderungen“ ein.

Christoph Gensch (Archivbild ) warnt: „Das Notarztsystem in Rheinland-Pfalz steht vor dem Kollaps.“ Die Antwort der Landesregierung klingt deutlich weniger alarmistisch, allerdings räumt sie „Herausforderungen“ ein.

Foto: picture alliance/dpa/Andreas Arnold

Eine Pressemitteilung, die wie ein Notruf klingt: „Dr. Christoph Gensch: Notarztsystem in Rheinland-Pfalz steht vor dem Kollaps“! Unter dieser Überschrift informiert die CDU-Landtagsfraktion darüber, eine Große Anfrage von ihr an die rheinland-pfälzische Landesregierung habe „alarmierende Zahlen zu Tage“ gebracht.

In der Pressemitteilung heißt es weiter: „Viele Notarztstandorte im Land sind schon jetzt nicht mehr in der Lage, rund um die Uhr Patienten zu versorgen – und die Lage dürfte sich weiter verschärfen. Darauf macht der Arzt und gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Christoph Gensch, aufmerksam.“

Denn laut der von Wissenschafts- und Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) unterzeichneten Antwort namens der Landesregierung hätten „sich zahlreiche Notarztstandorte im ersten Halbjahr 2022 immer wieder von der Versorgung abmelden müssen – zum Teil bis hin zu 40 Prozent der sogenannten Sollvorhaltezeit“, fasst die CDU-Pressemitteilung mit eigenen Worten zusammen. Grund dafür sei „ein eklatanter Mangel an Ärzten in Rheinland-Pfalz“. Folge: „Die Rettungsleitstellen schicken während solcher Abmeldezeiten im Notfall Notärzte anderer, weiter entfernter Standorte zum Einsatz.“

Gensch, der auch Zweibrücker Wahlkreis-Abgeordneter ist und in der Stadt eine Arztpraxis betreibt, betont: „Ob bei Haus- und Fachärzten, Rettungsdiensten oder eben der Notfallmedizin: Die medizinische Versorgung im Land ist gefährdet und, das muss man leider offen sagen, an einigen Stellen schon heute nicht mehr sicher.“

Seit vielen Jahren fordere die CDU-Fraktion daher mindestens 200 zusätzliche Medizin-Studienplätze in Rheinland-Pfalz. Andere Bundesländer hätten ihre Verantwortung in diesem Bereich erkannt und bauten die Studienkapazitäten konsequent aus, so Gensch.

Der Mediziner und Politiker erklärt weiter: „Die Auswirkungen des eklatanten Ärztemangels treten immer häufiger und an unterschiedlichen Stellen des rheinland-pfälzischen Gesundheitssystems zu Tage. Die Notarztversorgung ist hierbei ein besonders sensibler Bereich. Die Vorstellung, dass der Notarzt nicht mehr kommt oder deutlich zeitverzögert, wenn ein Mensch sich in einer medizinischen Notlage befindet, berührt ein elementares Sicherheitsbedürfnis.“

Dass die Landesregierung angesichts der besorgniserregenden Situation selbst nicht endlich Notfallmaßnahmen ergreife, sei besonders bitter, so Gensch: „Minuten können über Leben und Tod entscheiden. Die Landesregierung muss entscheiden, ob sie weiter zulassen will, dass Hilfe zu spät kommen kann, weil keine Ärzte da sind.“

Die CDU hat der Presse auch den Link zu der 40-seitigen Antwort (plus Anlagen) der Landesregierung gemailt. Diese enthält auch Zahlen zum Notarztstandort Zweibrücken (am Nardini-Klinikum St. Elisabeth in der Kaiserstraße). Die „Soll-Vorhaltezeit“ für den Notarztdienst beträgt hier (wie fast überall in Rheinland-Pfalz) „24 Stunden täglich“. Die CDU-Frage, wie viel Personal dort für den Notarztdienst zur Verfügung steht, leitete die Landesregierung an die Kreisverwaltung Südwestpfalz als örtlich zuständige Rettungsdienstbehörde weiter – diese habe aber erklärt, ihr lägen für alle acht Notarztstandorte im Rettungsdienstbereich Südpfalz keine Personal-Zahlen vor.

In Zweibrücken betrug die Abmeldequote (also die Zeit, in der mangels Notärzten Nachbar-Standorte die Notversorgung übernehmen mussten) im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich 0,7 Prozent (Höchstwert war im Januar mit 2,7 Prozent); Hauptgrund war „Dienst kann nicht besetzt werden“. Im Rettungsdienstbereich Südpfalz am höchsten war im ersten Halbjahr die Abmeldequote mit 19,0 Prozent in Bad Bergzabern/Wissembourg, gefolgt von Rodalben mit 15,2 Prozent. Germersheim liegt bei 0,4 Prozent, jeweils 0,0 Prozent sind es in Dahn, Kandel, Landau und Pirmasens.

Einen Landes-Durchschnitt der Abmeldequoten nennt das Ministerium nicht. Der Pfälzische Merkur hat deshalb die Abmeldequoten der insgesamt 68 rheinland-pfälzischen Notarztstandorte addiert und daraus einen Durchschnittswert gebildet, dieser beträgt 5,1 Prozent. Damit ist die Zweibrücker Abmeldequote (0,7 %) relativ betrachtet sehr gering.

Der Durchschnittswert liegt zudem weit hinter der von der CDU genannten Spitzen-Abmeldequote von 40 Prozent (in Remagen) zurück.

Aber auch die Landesregierung ist mit den Abmeldequoten nicht zufrieden – wenngleich sie dies deutlich weniger drastisch ausdrückt als Gensch. So heißt es in der von Gesundheitsminister Hoch unterzeichneten Antwort: „Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass die Situation in der Notarztversorgung insgesamt vor großen Herausforderungen steht.“

Das zuständige Innenministerium habe deshalb „weitere Projekte initiiert, die auf eine Kompensation und Entlastung der Ressource Notärztin/Notarzt abzielen“, zum Beispiel „gesetzliche Regelung zur Einführung einer Qualitätssicherungsstelle Rettungsdienst“.

Und durch spezielle Ausbildung würden Notfallsanitäter/-innen „befähigt, eigenverantwortlich medizinische Maßnahmen der Erstversorgung bei Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz durchzuführen und dabei auch invasive (gewebeverletzende) Maßnahmen anzuwenden, um einer Verschlechterung der Situation der Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung vorzubeugen, wenn ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind“.

Außerdem beginne bald ein Pilotprojekt „Telemedizin“ in Ludwigshafen, wodurch „mit der telemedizinischen Begleitung notfallmedizinischer Einsätze das Notarztsystem entlastet werden“ könne.

Unter Berufung auf die Rettungsdienstbehörden berichtet die Landesregierung von einer „spürbar gesunkenen Bereitschaft (...) als Notärztin bzw. als Notarzt tätig zu werden“. In ländlichen Regionen und bei kleinen Krankenhäusern sei „die Situation grundsätzlich schwieriger als im städtischen Bereich und bei großen Kliniken“.

Mit der „Novellierung des Rettungsdienstgesetzes mit der neu geregelten Notarztfinanzierung“ habe die Landesregierung „unter anderem die Grundlage dafür geschaffen, dass standortbezogene Vergütungsvereinbarungen für den jeweiligen Notarztstandort abgeschlossen werden können“.

Was sind die Folgen von Notarzt-Abmeldungen für die Patientenversorgung? Auf diese CDU-Frage antwortet das Gesundheitsministerium zu unserer Region zwischen Zweibrücken und Landau: „Für den Rettungsdienstbereich Südpfalz teilt die Rettungsdienstbehörde Kreisverwaltung Südwestpfalz mit, dass sich die Folgen für die Patientenversorgung im Einzelnen nicht beurteilen ließen. Probleme, die z. B. in Form zeitlicher Verzögerung aufgetreten seien, seien ihr nicht bekannt.“ Nur einzelne der acht Rettungsdienstbehörden räumen Probleme ein wie die der Kreisverwaltung Kaiserslautern, wo „die notärztliche Versorgung der Notfallpatienten durch die eingeschränkte Verfügbarkeit von Notärztinnen und Notärzten zeitweise verzögert“ sei.

Generell sei „die Struktur der Notfallversorgung in Deutschland reformbedürftig“, schließt die von Gesundheitsminister Hoch unterzeichnete Antwort der Landesregierung auf die CDU-Anfrage.

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