„Einsamkeit im Alter ist schon lange Thema und seit Corona ist es noch schlimmer geworden“ Studenten vermitteln Senioren-Telefonfreundschaften

Zweibrücken · Grund ist nicht allein die Corona-Krise. Uni-Gruppe einer 24-jährigen Zweibrückerin startet das Projekt in der Rosenstadt.

 Die Projektgruppe hält per Skype Kontakt, von links oben: Andreas Tatzel, Vincenzo Prato, Jennifer Pitek, Frederic Edelmann, Ann-Sophie Scherer (Screenshot) .

Die Projektgruppe hält per Skype Kontakt, von links oben: Andreas Tatzel, Vincenzo Prato, Jennifer Pitek, Frederic Edelmann, Ann-Sophie Scherer (Screenshot) .

Foto: Ann-Sophie Scherer

Die Vereinsamung älterer Menschen rückt als Problematik immer mehr in den Blick der Öffentlichkeit. Seit der coronabedingten Einschränkung der Sozialkontakte, die Senioren besonders hart treffen, wird dies noch deutlicher.

Fünf Studierende der Technischen Universität Kaiserslautern haben sich entschlossen, das Thema im Rahmen eines Masterseminars zu bearbeiten, um die Situation für Senioren zu verbessern. Die Zweibrückerin Ann-Sophie Scherer und ihre vier Kommilitonen Frederic Edelmann, Jennifer Pitek, Vincenzo Prato und Andreas Tatzel – alle studieren Betriebswirtschaftslehre (BWL) mit Schwerpunkt Entrepreneurship (auf Deutsch Unternehmertum/-geist) – haben dabei das Projekt „Telefonfreundschaften für Senioren“ ins Leben gerufen.

„Einsamkeit im Alter ist schon lange Thema und seit Corona ist es noch schlimmer geworden, da die Senioren nicht mehr bedenkenlos raus können“, erklärt Ann-Sophie Scherer. „Zudem spitzt sich die Situation durch den demografischen Wandel immer mehr zu.“ Im Zusammenleben mit ihrem Großvater sowie in Gesprächen mit einer Pflegefachkraft im Bekanntenkreis sei ihr die Problematik besonders bewusst geworden und sie habe dringenden Handlungsbedarf erkannt. Einer der ersten Planungsschritte war für die Studierenden, älteren Menschen im persönlichen Umfeld die Projektidee vorzustellen, um den Bedarf zu prüfen. Die Idee stieß auf großes Interesse.

Das Telefonfreundschaften-Projekt richtet sich an alle Personen im Rentenalter. Scherer erklärt, als Zielgruppe seien zunächst alleinstehende Menschen ab 75 Jahren ins Auge gefallen, die laut einer Studie besonders unter Einsamkeit leiden. „Wir wollen aber niemanden ausgrenzen“, erläutert Scherer, „deshalb haben wir bewusst keine Grenze für Alter oder Lebensumstände gezogen.“

Starten sollen „Telefonfreundschaften für Senioren“ in Zweibrücken – Ziel der Studierenden ist es jedoch, deutschlandweit aktiv zu werden.

Gemeinsam mit ihren Kommilitonen arbeitet die 24-jährige Zweibrückerin neben dem Studium am Aufbau des Projekts. Als Arbeitsort dient der heimische PC, Austausch findet vor allem über Skype statt. Etwa zwei Monate Planungszeit standen den Organisatoren zur Verfügung. Dabei arbeiteten sie eigenständig, erhielten zur Unterstützung aber Feedback von ihrem Dozenten. „Typisch BWL ist das allerdings nicht“, erzählt Scherer und schmunzelt, „unser Projekt ist nämlich nicht profitorientiert“.

Die Vermittlung der Telefonfreundschaften erfolgt für Senioren kostenfrei. Finanziert werden soll das Projekt durch Spendengelder, geplant ist ein Spendenkonto und eine Crowdfunding-Seite im Internet. Alle Mitarbeiter sind auf ehrenamtlicher Basis tätig. Zunächst sind das die fünf Studierenden um Ann-Sophie Scherer, die die Telefonfreundschaften mindestens bis zum Ende ihrer Studienzeit betreuen wollen. Sobald das Projekt angelaufen ist, plant die Gruppe eine Vergrößerung mit weiteren ehrenamtlichen Helfern, die auf lange Sicht die Non-Profit-Organisation weiterführen sollen. „Und der nächste Schritt“, plant Scherer „wenn wir merken, es besteht wirklich großes Interesse – ist die Gründung eines gemeinnützigen Vereins“.

Doch zunächst einmal muss der Startschuss fallen. Dazu benötigt die Projektgruppe noch ein solides Startkapital, Scherer nennt 10 000 Euro als angedachte Summe. Diese hofft die Gruppe von Sponsoren zu erhalten. „Wenn wir ohne dieses Startkapital loslegen wollen, ist unser Vorhaben äußerst schwierig umzusetzen und wir können uns das Geplante auch schlicht nicht leisten“, erläutert die Studentin. Konkret benötigt das Projekt-Team geeignete IT-Systeme zur Erstellung der Datenbank, eine Expertise im Bereich des Datenschutzes und eine Startsumme für die laufenden Kosten wie Telefon und Server, aber auch Ressourcen, um die geplanten Steckbriefe zu drucken und zu verschicken. Auch hier haben die Studierenden ehrenamtliche Helfer im Sinn, beispielsweise IT- oder Datenschutzexperten, die ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wer sich einbringen will, erreicht die Projektgruppe per E-Mail: telefonfreundschaft@web.de.

Sobald die finanziellen Hürden genommen sind, beginnt die Vermittlungsarbeit für die Telefonfreundschaften. Für Teilnehmer gestaltet sich der Ablauf folgendermaßen: Zunächst nehmen interessierte Senioren telefonisch Kontakt auf und sprechen mit einem der fünf Studierenden. Sie geben ihre Adresse an und erhalten wenige Tage später einen Steckbrief per Post. In diesen können die Senioren ihre Interessen und Vorlieben eintragen, beispielsweise in den Bereichen Musik und Literatur. Auch Herkunft und ehemaliger Beruf können genannt werden, sowie Wünsche an den zukünftigen Gesprächspartner.

Dabei sind fast alle Angaben freiwillig. „Der Steckbrief ist übersichtlich gestaltet und in Großschrift gedruckt“, erklärt Scherer. Außerdem sei immer Platz für eigene Themenvorschläge und Anmerkungen mit denen der Steckbrief ergänzt werden könne. So soll möglichst individuell auf die Teilnehmenden eingegangen werden.

Fertig ausgefüllt, geht der Steckbrief dann im beigefügten Rückumschlag zurück an die Projektgruppe und wird in deren Datenbank eingepflegt. Sobald ein passender Telefonpartner gefunden ist, nehmen die Vermittler erneut Kontakt mit den Interessenten auf, um sicherzugehen, dass die Weitergabe der Kontaktdaten noch immer erwünscht ist. „Wir wollen den Senioren einen echten Mehrwert liefern und eine Vertrauensbasis schaffen“, betont Ann-Sophie Scherer. Deshalb sei es ihrem Team auch wichtig, die Teilnehmenden nicht nur nach passenden Interessen zusammenzubringen, sondern auch weiterhin zu betreuen. „Nach der Vermittlung haken wir nach, wie zufrieden die Senioren sind. Wir wünschen uns Rückmeldung und Verbesserungsvorschläge, die wir dann in unsere weitere Planung miteinbeziehen“, erklärt die Zweibrückerin.

„Eine hundertprozentige Garantie für eine erfolgreiche Vermittlung gibt es natürlich nicht“, ergänzt Scherer, „Auch bei ähnlichen Interessen kann es sein, dass man nicht zusammenpasst wenn man zum Beispiel einen völlig unterschiedlichen Humor hat.“ In solchen Fällen sei eine erneute Vermittlung angedacht, natürlich nur, wenn die Senioren das noch immer möchten. Selbstverständlich vermittele man auch mehrere Telefonfreundschaften gleichzeitig, betont die junge Zweibrückerin.

Noch Zukunftsmusik, aber bereits fester Bestandteil der Planung, sei für die fünf Studierenden eine Erweiterung der Zielgruppe. „Längerfristig möchten wir mit unserem Projekt auch Jung und Alt zusammenbringen“, stellt Scherer in Aussicht, die den Austausch zwischen den Generationen als große Bereicherung für beide Seiten ansieht.

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