Wie Menschen in und um Zweibrücken Silvester verbringen 2022 endet mit Käse, Luftrüssel und Orakel

Zweibrücken · Mit Zuversicht geht es trotz schwieriger Bedingungen ins Jahr 2023. Wir haben mit Menschen in Zweibrücken über ihre Bräuche zu Silvester und Neujahr gesprochen, blicken aber auch über den Pfalz-Tellerrand.

Jede Menge Glücksbringer für ein „Gutes Neues“ werden diesen Silvesterabend auf vielen Tischen liegen.

Jede Menge Glücksbringer für ein „Gutes Neues“ werden diesen Silvesterabend auf vielen Tischen liegen.

Foto: Sabine Best

Wenn heute (31. Dezember) die Zeiger der Uhren auf Mitternacht rücken, lassen viele Menschen die Sektkorken knallen und begrüßen mit „Prosit Neujahr“ das neue Jahr. Das Wort „Prosit“ oder kurz „Prost“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „Es möge nützen, es möge gelingen“; ursprünglich war es ein Trinkspruch in der Studentensprache.

Zum guten Gelingen des Jahreswechsels gehört für Einige hierzulande die Fernsehübertragung der Neujahrsansprache des Bundeskanzlers oder auch der Klassiker „Dinner for One“ – eine britische Komödie aus dem Jahr 1963 mit Miss Sophie und ihrem skurrilen Butler James. Andere verbringen die Silvesternacht in geselliger Runde mit gutem Essen und traditionellen Bräuchen. In der Zweibrücker Innenstadt gaben Passanten im Interview mit dem Pfälzischen Merkur Einblicke in ihre Planung.

Damit das klassische Käsefondue am Silvesterabend auch glückt, habe er schon mal ein „Testessen“ gemacht, erklärt Julian Steinmetz, der in Zweibrücken mit Freunden feiern wird. Gar nicht Käse war 2022 für ihn; schließlich hat er seiner Traumfrau in diesem Jahr das Ja-Wort gegeben! Zusammen mit ihr ist fürs neue Jahr eine Motorradtour um Kreta geplant. Sobald ein passendes Eigenheim gefunden wird, steht für die Beiden auch ein Umzug möglichst in die Westpfalz an. Konkrete Wünsche für 2023 hat der 28-jährige nicht nur für sich: „Mehr Optimismus und konstruktive Verständigung anstelle von emotional aufgeladenen Debatten und verhärteten Fronten, die den öffentlichen Diskurs und auch die privaten Gespräche dominieren!“ Da sich der junge Mann auch in der nordischen Mythologie auskennt, weiß er um folgenden Silvester-Mythos: In der Nacht zum Jahreswechsel dürfe keine Wäsche auf der Leine hängen, denn da fliege der germanische Totengott Wotan mit seinem Gefolge umher – und wer möchte schon, dass er sich dann in der Wäsche verfängt und bleibt . . . .

Julian Steinmetz: Kein Dinner for One.

Julian Steinmetz: Kein Dinner for One.

Foto: Sabine Best

Gut gestärkt durch die Nacht

Auch das Silvesteressen unterliegt dem Wandel der Zeit: In den 1950er-Jahren kreierte der erste Fernsehkoch Deutschlands, Clemens Wilmenrod (C. Hahn), den Hawaiitoast, der sich schnell zum Silvesterparty-Renner mauserte. Im nächsten Jahrzehnt galten dann der legendäre Käseigel (oft eine halbe Grapefruit mit Käse und Trauben bespickt) und gefüllte Eierhälften üppig dekoriert als Highlight. Im Zuge der 68er Bewegung – die Hausfrau sollte entlastet werden, indem sie nicht einen Großteil des Silvesterabends in der Küche verbringen musste – wurden dann das heute noch beliebte Fondue und Raclette zum Klassiker. Häufig gibt es um Mitternacht noch eine deftige Suppe oder Schmalzgebäck als gute Grundlage für die gerne getrunkene Bowle mit in Wein und Sekt eingelegten Früchten.

Party-Hits als Stimmungsgarant

Auch Susanne Weinmann aus Zweibrücken freut sich auf ein Zusammensein mit ihrer ganzen Clique langjähriger Freunde in gemütlicher Runde beim Pfännchenessen. Flotte Musik und Tanz ist bei ihr angesagt, ansonsten „feiern wir wie die kleinen Kinder mit Konfetti, Luftschlangen und Papiertröten (sogenannte „Luftrüssel“)“, erzählt die 54-Jährige und lacht. Fürs neue Jahr wünscht sie sich wie sicher Viele Gesundheit und Frieden und „dass die Menschen einen Gang zurück schalten und sich auf wesentliche Werte besinnen“.

Zum Thema Feuerwerk hat Weinmann ein besonderes Anliegen: „Es wäre schön, wenn ausschließlich die Stadt das neue Jahr mit einem großen zentralen Feuerwerk begrüßen würde“. Denn das käme nicht nur der Umwelt zugute, sondern auch die unschönen Überbleibsel von Raketen und Co. als große Mengen Müll fielen weg.

 Susanne Weinmann: Feiern wie die­ kleinen Kinder.

Susanne Weinmann: Feiern wie die­ kleinen Kinder.

Foto: Sabine Best

Die „Knallerei“ gab es nicht immer: Speziell in der Nachkriegszeit wurde der Jahreswechsel eher leise vollzogen; zum einen hielten die Menschen ihr oft knappes Geld lieber für wirklich notwendige Dinge zusammen, zum anderen hatten gerade die Älteren noch ein gewisses Trauma vom Kriegslärm (Gewehrfeuer, Bombenexplosionen). Dabei geht der Brauch, Krach zu machen, ebenfalls auf die alten Germanen zurück: Sie wollten mit möglichst lautem Getöse böse Geister vertreiben.

Nachdem der Vertrieb von Feuerwerk in den 1960er- und 70er-Jahren boomte – die Deutschen investierten bis zu dreistelligen Millionensummen – ging der Verkauf nicht zuletzt durch die Aktion „Brot statt Böller“ der evangelischen Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ Anfang der 80erJahre deutlich zurück.

Lustige Deutungen

Bei Annette Weber gehört aber das traditionelle Feuerwerk einfach dazu. „Endlich mal wieder richtig zusammen feiern“ wollen die drei Generationen der Familie. Da lässt es sich die 56-Jährige nicht nehmen, ein großes Buffet mit allem was dazu gehört zu zaubern, inklusive selbst gebackener Neujahrsbrezel (ein Symbol der Verbundenheit) zur mitternächtlichen Stunde.

 Annette Weber und Tochter Jennifer: Wachsgießen statt Bleigießen.

Annette Weber und Tochter Jennifer: Wachsgießen statt Bleigießen.

Foto: Sabine Best

Mit Gesellschaftsspielen und als weitere gelebte Tradition „Wachsgießen“ (früher Bleigießen) will Familie Weber fröhlich ins neue Jahr starten. Tochter Jennifer freut sich besonders auf die lustige Deutung der gegossenen Wachsfiguren, die ja zukunftsweisend sein sollen. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, wenn es auch eine allgemein festgelegte Symbolik gibt: Ein Anker steht beispielsweise für die Hilfe beim Lösen von Problemen, ein Ball heißt „Glück rollt heran“, die Blume lässt auf neue Freundschaften hoffen, das Dreieck kündigt finanziellen Aufschwung an und bei einer gegossenen Glocke kann man sich auf baldigen Nachwuchs freuen.

Auf den meisten Silvesterpartys dürfen auch die verschiedenen Glücksbringer nicht fehlen wie Marzipanschweinchen (Symbol für Wohlstand und Reichtum), vierblättrige Kleeblätter, Hufeisen als Zeichen von Kraft und Stärke und Miniaturschornsteinfeger – in früheren Zeiten war ein gut gekehrter Kamin mit genügend Luftzufuhr für die Zubereitung von warmen Mahlzeiten sehr bedeutend und auch heute kann angestauter Ruß noch zu Kaminbränden führen.

Andere Länder, andere Sitten

Zu guter Letzt noch ein kurzer Blick auf andere Länder mit anderen Sitten: In Großbritannien, vor allem in Schottland, stimmen die Menschen zum Mitternachtsschlag gemeinsam das Lied „Auld Lang Syne“ (frei übersetzt „vor langer Zeit“) an, Spanierinnen wählen als Silvesterdessous die Farbe rot für viel Liebe und Leidenschaft im neuen Jahr und in Griechenland wird vielerorts mit Würfel- und Kartenspielen die Silvesternacht durchzockt, dabei sollen Millionenbeträge im Einsatz sein. Grober geht es in Bulgarien zu: Mit einem geschmückten Ast („Surwatschke“) des Kornelkirschbaumes schlägt man sich gegenseitig, verbunden mit guten Wünschen, auf den Rücken. Lebensgroße Puppen aus Sägemehl und Papier entweder als Hexen oder als unbeliebte reale Persönlichkeiten dargestellt, werden in Ecuador verbrannt um Platz für Neues, Besseres zu schaffen.

Den Jahreswechsel kurz und bündig zusammengefasst hat schon der deutsch-amerikanische Physiker Albert Einstein (1879-1955): „Wenn´s alte Jahr erfolgreich war, dann freue dich aufs neue. Und war es schlecht, ja dann erst recht!“

In diesem Sinne „Prosit Neujahr“!

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