Birgit Sosson will „Radeln ohne Alter“ nach Zweibrücken bringen Den Wind in den Haaren spüren
Zweibrücken · Bei „Radeln ohne Alter“ geht es um aktive Mitbürgerschaft, Beteiligung und einzelne Momente, die zählen. Birgit Sosson will diese innovative Idee nach Zweibrücken bringen.
„Wie möchte ich in 30 Jahren leben?“ Diese an sich selbst gestellte Frage konnte die Zweibrückerin Birgit Sosson (55) schnell beantworten: Teilhaben am gesellschaftlichen Leben, Kontakt haben mit Menschen, rauskommen in die Natur und an Orte, die schön sind. Etwas, das sie auch ihren engsten Verwandten, die zum Teil im Altenheim leben, wünscht. Da kam ihr im vergangenen Jahr der Zufall zu Hilfe: die begeisterte Radfahrerin, die sich auch bei der Zweibrücker Bürgerinitiative „ZW vernetzt“ engagiert, wurde aufmerksam auf „Radeln ohne Alter“.
Mit einer Fahrradrikscha werden Menschen, die selbst nicht mehr mobil sind oder einfach nicht mehr selbst in die Pedale treten können, zu einer Rundfahrt abgeholt. Birgit Sosson beschreibt: „Sie spüren wieder den Wind in den Haaren, kommen in Kontakt mit der Natur und mit anderen Menschen, können die Eisdiele oder sogar eine Ausstellung besuchen oder sich sogar an Plätze ihrer Kindheit und Jugend radeln lassen.“
Allein in Zweibrücken gebe es zahlreiche attraktive Plätze. Denn für viele Menschen bedeute Alter „eingeschränkt sein“ – körperlich, geistig und vor allem auch finanziell. Je mehr sie sich mit dem von dem norwegischen Sozialunternehmer Ole Kassow in Kopenhagen vor zehn Jahren gegründeten Verein beschäftigte, je mehr Videos aus ganz Deutschland und der ganzen Welt sie darüber sah, desto enthusiastischer wurde sie. „Cycling uden alder“ – „Radeln ohne Alter“ – ist inzwischen fester Bestandteil von über 111 Gemeinden in Dänemark.
Für die Sozialarbeiterin beim Zweibrücker Jugendamt war und ist klar: „Wir brauchen eine Fahrrad-Rikscha in Zweibrücken!“ Bei „ZW vernetzt“ fiel ihr Vorschlag auf fruchtbaren Boden und schnell formierte sich eine kleine Arbeitsgemeinschaft dafür.
Kontakte mit anderen Gruppierungen in der Pfalz und darüber hinaus ermöglichten ihr einen tieferen Einblick. Gemeinsam mit Claudia Stepp besuchte sie „Radeln ohne Alter“ in Herxheim, das im Förderverein eines Seniorenheims entstanden war. Die beiden engagierten Ehrenamtlerinnen konnten nicht nur eine Ausfahrt als Passagiere genießen, sondern sich auf einem großen Parkplatz gleich als Rikscha-Pilotinnen erproben. Sie beschreibt: „Das kostet schon mehr Kraft, als allein zu radeln, trotz Akku-Unterstützung und ist auch ganz anders zu lenken, besonders um Ecken und in Kurven. Dafür stabilisiert die Rikscha mit ihren zwei Rädern vorne auch anders.“
Mittlerweile ist Birgit Sosson selbst schon fast zu Rikscha-Expertin geworden und hat das passende Modell für Zweibrücken ausgewählt: eine Christiana-Rikscha. „Die ist so schmal, dass sie in einen Lastenaufzug passt und so in den Altenheimen selbst Bettlägerige direkt von dort abholen kann“, erklärt sie die Auswahl. Kostenpunkt: rund 8000 Euro – inklusive Versicherung. Und ein halbes Jahr Lieferfrist ab der Bestellung, da die Rikscha in Dänemark gefertigt wird.
Mittlerweile sind rund 2500 Euro an Spendengeldern zusammengekommen. Der Großteil jedoch fehlt noch, weshalb Birgit Sosson und das Team von „ZW vernetzt“ fleißig weiter „Klinken putzen“. Denn „Radeln ohne Alter“ ist ein kostenfreier Service, der Menschen die Teilhabe am Leben ermöglichen und Freude bereiten soll. „Davon profitieren nicht nur die Gäste, sondern auch die Rikscha-Fahrer, die mit ihnen ins Gespräch kommen und schöne gemeinsame Stunden erleben“, weiß die Sozialarbeiterin aus zahlreichen Gesprächen, dass sogar Freundschaften daraus entstanden seien. Außerdem würden so Generationen vernetzt. „Rikschafahren verbindet!“
Das ist ihr ein Anliegen, um einer möglichen Vereinsamung im Alter vorzubeugen oder auch Menschen mit Migrationshintergrund zu integrieren. Ein kleines Team an radbegeisterten Ehrenamtlern hat sich bereits formiert, doch auch hier sei noch viel Potenzial. Birgit Sosson wirbt: Wer in Rente geht und sich in der gewonnenen Freitzeit etwas Gutes tun möchte mit viel Bewegung an der frischen Luft, Studenten in den Semesterferien, besonders aus Sozialberufen, die Altenpflegeschüler der Berufsbildenden Schule. Das könne sogar als Praktikum angerechnet werden.
Willkommen sei selbst, wer nur einmal im Monat oder noch seltener fahren wolle. Je größer das Team sei, desto häufiger könne Menschen große Freude bereitet werden.
Stationiert werden soll die Rikscha im Awo-Altenheim am Rosengarten. Leiterin Andrea Schanz sei sofort begeistert gewesen von der Idee. Aktuell hängt das Projekt allein am fehlenden Geld. Um darauf aufmerksam zu machen, will „ZW vernetzt“ bei den Zweibrücker Gesundheitstagen am 9. April mitwirken und die Christiana-Rikscha vorstellen. „Wir bekommen dann alle eine ausführliche Einschulung für das Rikschafahren, denn wir tragen eine große Verantwortung“, betont die Initiatorin.
Aktuell läuft Birgit Sosson häufig durch die schönsten Freizeitgegenden in Zweibrücken, um zu testen, wo man mit der Rikscha gut fahren kann und überhaupt durchkommt zwischen Pfeilern und Pollern. „Ich habe ganz viel Lust darauf. Auch im hohen Alter kann und soll das Leben noch voller Glück und Zufriedenheit sein.“ Sie selbst plant die private Anschaffung eines günstigeren Lastenfahrrades, in dem beispielsweise ein Picknick mitgeführt werden könne.
Kontakt: Birgit Sosson, Tel. (0 63 32) 47 88 11 oder per Mail an birgit.sosson@web.de.