Frankenthal Begehrter Stoff in der Tiefe: Wo das Gas unter Tage lagert

Frankenthal · Besitzt Deutschland in den nächsten Monaten genug Gas? Wir besuchten den einzigen Gas-Untertagespeicher in Rheinland-Pfalz und im Saarland.

 Ein Mitarbeiter der Firma Enovos Storage GmbH steht auf dem Gelände des Gasspeichers auf einer Absorber-Anlage.

Ein Mitarbeiter der Firma Enovos Storage GmbH steht auf dem Gelände des Gasspeichers auf einer Absorber-Anlage.

Foto: dpa/Uwe Anspach

(dpa) Eine in diesen Krisenzeiten heiß begehrte Ware steckt im Boden unter Frankenthal: Erdgas. Dicke Rohre einer Verdichteranlage führen senkrecht in den einzigen Untertagespeicher in Rheinland-Pfalz und im Saarland. „Hier speichern Kunden ihr Gas, es bleibt ihr Eigentum“, sagt Geschäftsführer Markus Bastian von Enovos Storage GmbH (ESG) der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind kein Importeur, kein Händler, kein Transporteur, kein Weiterverteiler – nur Vermieter von Speichervolumen.“

Rund 88 Millionen Kubikmeter Erdgas können hier in pfälzischem Boden gespeichert werden – genug, um 50 000 Haushalte ein Jahr lang zu versorgen. Das Unternehmen übernimmt Kundengas und lagert es.

„Wir verfügen über einen sogenannten Aquiferspeicher, eine Besonderheit im Rheintalgraben“, sagt Bastian. „Ähnliche Speicher befinden sich bei Sandhausen und nördlich von Mannheim.“ Der Speicher Frankenthal umfasst zwei „Speicherhorizonte“ in 700 Meter und 1000 Meter Tiefe, mit einer Fläche von etwa 2,5 Kilometer mal 1,0 Kilometer.

Hier wird das Gas in Erdschichten gepresst, deren Porenraum mit Wasser gefüllt ist, dabei wird Wasser durch das Gas verdrängt. Mit der Ausspeicherung sinkt der Druck, Wasser drückt nach. Das Gas muss daher vor dem Einspeisen ins Leitungsnetz erst getrocknet werden.

Der Ukraine-Krieg hat noch einmal die Abhängigkeit Deutschlands von Gas vor allem aus Russland deutlich gemacht. Der seit Wochen gedrosselte und wegen Wartungsarbeiten vorübergehend sogar eingestellte Gasfluss durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 hat im Land Sorgen befeuert, Kremlchef Wladimir Putin werde die Gaslieferungen dauerhaft stoppen.

Um einen Mangel im Winter zu vermeiden, will Deutschland die Gasspeicher so schnell wie möglich füllen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kündigte am Donnerstag an, dass die Vorgaben für die Füllstände der Speicher nun noch einmal verschärft werden sollen. Zum 1. Oktober sollen die Speicher statt bisher zu 80 Prozent dann zu 85 Prozent und zum 1. November statt wie bisher zu 90 dann zu 95 Prozent gefüllt sein.

Werden wir Versorgungsprobleme bekommen? „Eine genaue Vorhersage der Gasflüsse ist nicht seriös möglich, weil es von vielen Faktoren abhängt“, sagt Jens Apelt, Geschäftsführer der Enecvo Deutschland, der Gesellschafterin der ESG. „Allerdings erscheint es ein wenig übertrieben, sich schon Gedanken über wärmende Turnhallen zu machen.“

Falls Probleme mit der Versorgungslage in Deutschland entstehen, dann nicht flächendeckend, sondern wohl regionsbezogen, meint Apelt. „Das hat mit den Gasflüssen zu tun. Bayern und Baden-Württemberg liegen relativ weit weg von Belgien, Norwegen und den Hubs an der See.“

Ähnlich sieht es Jörg Rothermel, Energieexperte beim Verband der Chemischen Industrie (VCI). „Wir werden einen Gasmangel nicht gleichzeitig in Deutschland sehen und auch nicht flächendeckend“, meint er. Osten und Süden würden im Ernstfall wohl zuerst betroffen sein. „Im Süden haben wir nur zwei Speicher. Außerdem ist das Netz nicht für stärkere Gasflüsse aus dem Norden und Westen ausgelegt.“

Relevanter als Frankenthal für die Gasversorgung in Deutschland sind sogenannte Kavernenspeicher, die sich hauptsächlich in Norddeutschland befinden. Dort werden Salzstöcke ausgehöhlt und mit Gas befüllt. Einen weiteren Typ stellen Porenspeicher dar, bei denen ausgebeutete Gas- und Ölfelder genutzt werden. Diesen Typ findet man in Norddeutschland und in Südbayern. „Der größte deutsche Speicher ist etwa 45 Mal so groß wie der Speicher Frankenthal“, macht Bastian den Unterschied deutlich.

Lagert in der Pfalz auch russisches Gas? Bastian wiegt den Kopf. „Vor dem geopolitischen Hintergrund füllt unser Kunde den Speicher momentan mit Gas aus der Rheinschiene“, schildert er. Aufgrund des Brennwertes sei von norwegischem Gas auszugehen.

Allerdings sei in den Jahren bis zu den Liefereinschränkungen in Folge des Ukraine-Kriegs stetig mehr Gas aus Russland in die EU geflossen. „Es ist daher davon auszugehen“, sagt Bastian, „dass sich im Speicher auch russisches Gas befindet.“

(dpa)
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