Bahn frei, streckenweise oder: Wenn Geld zum Zug kommt

Zweibrücken · Alle jubeln, weil in ein paar Jahren die S-Bahn auf reaktivierter Strecke Zweibrücken und Homburg verbinden soll. Merkur-Chefredakteur Michael Klein jubelt gerne mit – sobald er die Stellungnahmen der Politiker verdaut hat.

Erinnern Sie sich noch? Seit Oskar Lafontaine am 16. November 1995 den ahnungslosen Rudolf Scharping beim Bundesparteitag der SPD auf so linke Art als deren Vorsitzenden stürzte, wie er sich später aus der Regierungsarbeit im Kabinett Schröder stahl, wissen wir, dass Spontaneität ein gerüttelt Maß an akribischer Vorarbeit braucht. Oder: An dem Tag von Mannheim hat das überraschende Momentum des Plötzlichen seine Jungfräulichkeit verloren. Weshalb sich seither das eine oder andere Fragezeichen schon mal gut macht, wenn etwas allzu überraschend formuliert wird.

Wie falsch stünden dagegen Zweifel am Ende jenes spontanen Satzes eines Kollegen in der Redaktion, wonach er im nächsten Leben wohl auch Politiker werde. Das nehmen wir ihm alle ab, fernab aller rhetorischen Taktik - denn der Kollege, der da gerade die nächste vielsagende Pressemitteilung in seinem Postfach hatte, ist nicht allein. Wie er wundere auch ich mich, wundern sich andere in der Redaktion, wundern sich ganz normale Leser. Vielleicht ja auch Sie? Über die Politiker!

Jetzt, da die beschlossene Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Zweibrücken und Homburg, zu der sich jetzt alle äußern müssen, nur noch an zwei Petitessen zu hängen scheint, die aber zu meistern sind. Weshalb ab dem Jahr 2021 nach derzeitiger Planung die S-Bahn zwischen den beiden Schwesterstädten verkehren dürfte. Das ist gut so. Und wichtig. Für die Zweibrücker, für die Westpfälzer, für die Saarpfälzer -überhaupt für alle und jeden. Verkehrstechnisch und wirtschaftlich. Weil eine ganze Menge Menschen eine ganze Menge Nutzen daraus ziehen (können).

Hat die Politik erkannt. Und die sie gestaltenden Politiker aller Couleur. Weshalb sie sich jetzt alle feiern lassen (wollen).

Pardon: Da wundert man sich schon, dass diese Erkenntnis ein gutes Jahrzehnt oder noch länger brauchte, das Licht der Welt zu erblicken. Neue Zahlen liegen nämlich nicht auf dem Tisch, neue Argumente auch nicht. All die Parameter, die guten und richtigen Einlassungen, das Eintreten und Kämpfen all der engagierten Bahnbefürworter - kurzum alles, was letzten Endes dazu geführt hat, dass nach der rheinland-pfälzischen Volksvertretung in der vergangenen Woche auch das saarländische Kabinett die Signale auf grün stellte, all dies war die ganze Zeit schon bekannt. Gestern, vorgestern, im letzten Jahr, im vorvergangenen - und all die Jahre vorher.

Weshalb die schlagzeilensüchtige Heuchelei und der frappierende Perspektivwechsel derer schon nervig ist, die sich nun alle zu Wort melden und glauben, ihren Teil am Happy-End der bis dato unendlichen Geschichte einfahren zu können. Bisweilen muten die Stellungnahmen schon grotesk an, die in den letzten Tagen abgesondert wurden. Und der Außenstehende nimmt irritiert zur Kenntnis, wer sich nun im Gästebuch des Erfolges verewigt. Offenbar unter vollkommener Verkennung des einzigen relevanten Tatbestandes. Der lautet ganz simpel: Rheinland-Pfalz ist nach langen Jahren Gott sei Dank bereit, eben noch deutlich mehr Geld in das Projekt zu stecken als ursprünglich geplant. Das war offenbar der Schlüssel zum Erfolg. Guten Argumenten kann man sich widersetzen, dem Geld eher nicht. Der schnöde Mammon - offenbar das einzige, was final helfen konnte, den gordischen Knoten zu durchschlagen. Hätte man allerdings schon früher haben können! Eingedenk des Sprichwortes, wonach der bezahlt, der auch bestellt. Wer als aufmerksamer Leser meine Kommentierungen in dieser Diskussion in den zurückliegenden Jahren verfolgt hat, wird ganz spontan zugeben, dass ich dies weniger politisch als vielmehr mit gesundem Menschenverstand in der kürzesten aller Formulierungen (siehe oben: Wer bestellt...) seit Jahr und Tag propagiert habe. Wahrlich kein Grund, sich im Erfolg zu sonnen. Wohl aber ein Grund für die Feststellung: Gott sei Dank bin ich in diesem Leben noch kein Politiker - und darf deshalb ganz unverbogen bei meiner Meinung bleiben!

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