Rastatter Prozesse Erinnerung an ein vergessenes Nachkriegs-Tribunal

Zweibrücken · Im Foyer des Pfälzischen Oberlandesgerichts ist die Ausstellung „Die Rastatter Prozesse – NS-Verbrechen vor Gericht“ zu sehen.

OLG-Präsident Bernhard Thurn und Elisabeth Thalhofer, die Leiterin der Rastatter Erinnerungsstätte, vor einer Tafel der Ausstellung.

OLG-Präsident Bernhard Thurn und Elisabeth Thalhofer, die Leiterin der Rastatter Erinnerungsstätte, vor einer Tafel der Ausstellung.

Foto: Rainer Ulm

Was kaum jemand weiß: Von 1946 bis 1956 war Rastatt eines der wichtigsten Zentren für die juristische Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen. Und das liegt nicht alleine an der Zeit, die seither verstrichen ist. Es liegt vor allem daran, dass die Gerichtsakten nach altem französischem Archivrecht 100 Jahre nach Schließung des Rastatter Tribunals unter Verschluss blieben. Erst 2016, nachdem die Sperrfrist vorzeitig aufgehoben wurde, war es Historikern möglich, Einsicht zu nehmen und längst Vergangenes zu erforschen.

An dieses kaum bekannte Oberste Gericht der französischen Besatzungszone, das am 2. März 1946 im Rastatter Schloss eingerichtet wurde, erinnerte am Donnerstagabend Elisabeth Thalhofer, die Leiterin der Rastatter Erinnerungsstätte für Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, einer Außenstelle des Bundesarchivs, im Zweibrücker Schloss, dem Sitz des Pfälzischen Oberlandesgerichts (OLG). Dorthin hatte sie 21 Tafeln mit Bildern und Dokumenten der Wanderausstellung „Die Rastatter Prozesse – NS-Verbrechen vor Gericht“ mitgebracht. Die Schau ist bis zum 9. November im OLG-Foyer zu sehen. Hausherr und OLG-Präsident Bernhard Thurn lud am Donnerstag alle geschichtsinteressierten Bürgerinnen und Bürgern ein, die neue Ausstellung im Zweibrücker Schloss zu besuchen. Hier geben Bilder und Dokumente aus dem Bundesarchiv, dem Kreisarchiv und dem Stadtarchiv Rastatt sowie aus französischen Archiven Aufschluss über die Geschichte des Tribunal Général. „Die Rastatter Prozesse sind Nürnberg im Kleinen“, sagte Erinnerungsstätten-Leiterin Thalhofer. Die Ausstellung zeige, wie die abscheulichen Verbrechen des Personals hauptsächlich in den NS-Lagern in Südwestdeutschland – beispielsweise im Lager Neue Bremm in Saarbrücken – durch die Justiz aufgearbeitet wurden.

Die Schau thematisiert die damaligen politischen Rahmenbedingungen ebenso wie die neuen Grundsätze der Rechtsprechung, die mit einigen ausgewählten Gerichtsverfahren verdeutlicht wird. So mit dem Prozess gegen Wachleute und Verwaltungsangestellte des Gestapo-Lagers Neue Bremm („ein erweitertes Polizeigefängnis“, wie es damals genannt wurde) an der Goldenen Bremm in Saarbrücken nahe der französischen Grenze. „Es war der Auftaktprozess, der am 15. März 1946 eröffnet wurde“, erläuterte Erinnerungsstätten-Leiterin Thalhofer. Zum Beleg zeigte sie ein kurzes Video, das das damals übliche Kreuzverhör eines ehemaligen Wachmanns wiedergibt, der eindringlich zu seinem brutalen Vorgehen gegen die Lagerinsassen befragt wird. Allein in diesem Prozess seien 14 Angeklagte zum Tode verurteilt und am 30. Mai 1946 erschossen worden, berichtete die Rastatter Erinnerungsstätten-Chefin weiter.

In den zehn Jahren war im Rastatter Schloss in 235 Prozessen 2130 Mal Anklage erhoben, 105 Mal die Todesstrafe verhängt und 62 Mal vollstreckt worden. Durch viele Fotos, Dokumente und Berichterstattung von und über die Prozesse aus der Nachkriegszeit werde die Ausstellung zu einem lebendigen und intensiven Erlebnis, die „die große Bedeutung der Gerichte für eine rechtsstaatliche Demokratie“ unterstreiche, hob OLG-Präsident Thurn hervor.

Demnach gibt es auch ein besonderes Angebot für Schülerinnen und Schüler, die die Ausstellung im Rahmen einer „Quiz-Ralley“ erleben dürfen. Zudem können Schulen Lehrmaterial zur Ausstellung bei der Pressestelle des Pfälzischen Oberlandesgerichts anfordern: pressestelle.olg@zw.jm.rlp.de

Die Ausstellung „Die Rastatter Prozesse – NS-Verbrechen vor Gericht“ wird bis 9. November im Foyer des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken für alle Bürgerinnen und Bürger gezeigt. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 9 bis 15.30 Uhr, freitags von 9 bis 12 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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