Anonyme Attacken auf Büttenredner

Mainz · Nach scharfzüngigen Seitenhieben auf Rechtspopulisten haben Mainzer Büttenredner böse Mails oder Faxe bekommen.

 Mehrere Büttenredner, darunter Kabarettist Lars Reichow, berichten nach kritischen Bemerkungen über Rechtspopulisten von heftigen Beschimpfungen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Foto: Schmidt/dpa

Mehrere Büttenredner, darunter Kabarettist Lars Reichow, berichten nach kritischen Bemerkungen über Rechtspopulisten von heftigen Beschimpfungen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Foto: Schmidt/dpa

Foto: Schmidt/dpa

Die Mainzer Fastnacht ist stolz auf ihre Balance zwischen Kokolores und der politisch-literarischen Fastnacht. In dieser Kampagne sorgt aber die politische Seite für einige Aufregung: Mehrere Büttenredner berichten nach kritischen Bemerkungen über Rechtspopulisten von heftigen Beschimpfungen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß.

Diese Angriffe aus dem Hinterhalt seien eine Zumutung, sagt Lars Reichow der Deutschen Presse-Agentur. Er bekomme zahlreiche E-Mails, in denen er bezichtigt werde, im Dienste der etablierten Parteien wie SPD und CDU zu stehen, gar von Bundeskanzlerin Angela Merkel finanziert zu sein. "Sie sind Staats-Kabarettist, von Merkel bezahlt", sei geschrieben worden. Er sei, so heiße es in den Zuschriften, für den "Untergang Deutschlands" mitverantwortlich. Reichow tritt in diesem Jahr auch wieder in der Fernsehsitzung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" auf, am Freitag steigt er als "Anchorman der Fastnachtsthemen im Elften" in die Bütt.

Reichow sagt, dass er immer wieder 20- bis 30-seitige Faxe erhalten habe, die offensichtlich dazu dienen sollten, sein Faxgerät zu blockieren. "Das ist eine Holzvernichtungsmaßnahme", sagt er. Die Nummern habe er sperren lassen. Absender hätten geschrieben, sie gehörten der AfD an. Reichow vermutet unter ihnen "alte, zornige Menschen". Die Angreifer trauten sich nicht, die Beschimpfungen offen auszusprechen. Keiner von diesen traue sich in die Bütt. "Sie haben ihr Recht auf Widerrede verwirkt, wenn sie nicht aufstehen können", findet Reichow.

Auch Andreas Schmitt, langjähriger "Obermessdiener" und zudem Sitzungspräsident bei "Mainz bleibt Mainz", sowie Hans-Peter Betz alias "Guddi Gutenberg" haben nach Berichten des SWR und der "Allgemeinen Zeitung" ähnliche Erfahrungen wie Reichow gemacht. Betz sagt, ihm sei vieldeutig angekündigt worden: "Wir beobachten Sie."

Der Präsident des Mainzer Carneval-Vereins, Reinhard Urban, verspricht den angegriffenen Büttenrednern Unterstützung: "Der Narr muss die Gelegenheit haben, Wahrheiten zu sagen, ohne beleidigend zu werden", sagt er am Rande der Präsentation der MCV-Motivwagen, darunter auch ein "Wut-Zwergenaufstand" mit Parolen wie "Das Beet ist voll" oder "Gegen fremde Blumen in meinem Garten". Es gehe in der Fastnacht doch darum, im Sinne der Narretei anderen den Spiegel vorzuhalten.

"In der Fastnacht gilt grundsätzlich die Narrenfreiheit", stimmt der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Mainzer Landtag, Jan Bollinger, zu. Androhungen von Gewalt oder andere Gesetzeswidrigkeiten seien in keinem Fall eine angemessene Reaktion, auch wenn "ein bestimmtes Niveau natürlich auch von Satire nicht unterschritten werden" sollte.

Wo das anfängt oder aufhört, liegt aber wohl stets im Ermessen der Büttenredner oder der Veranstalter der Sitzungen. Inzwischen haben die Angriffe über Mainz hinaus Beachtung gefunden. Der "Huffington Post" sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD): "Wer diejenigen angreift, die uns in der Fastnacht die gegenwärtigen Verhältnisse scharfzüngig und mit Humor vor Augen führen, demaskiert sich selbst als Gegner der offenen Gesellschaft."

Reichow will sich nicht einschüchtern lassen. Er möchte nicht in Angst leben oder sich gar einen Leibwächter zulegen. Und er ist entschlossen, sich nicht zum Schweigen bringen zu lassen - mit Kritik an allem, was ihn politisch ärgere: "Ich werde nicht aufhören."

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