Merkur-Gespräch mit Wahlkreis-Abgeordneter Angelika Glöckner Klimaschutz „müssen sich alle leisten können“
Zweibrücken · Angelika Glöckner kündigt an, 2025 wieder für den Bundestag kandidieren zu wollen. Zudem äußert sich die Wahlkreis-Abgeordnete im Merkur-Redaktionsgespräch zu Themen wie Krieg und Frieden, Rente, Bürgergeld und Fachkräftemangel. Klar warnt sie davor, Mehrheiten von der AfD abhängig zu machen – wie jüngst im Zweibrücker Stadtrat geschehen.
In gut einem Jahr – voraussichtlich am 28. September – wird der Deutsche Bundestag neu gewählt. Für den Zweibrücker Wahlkreis „210 Pirmasens“ kündigt Angelika Glöckner im Merkur-Redaktionsgespräch an: „Ich habe vor, wieder zu kandidieren.“ Nachdem die Lembergerin 2014 (als Nachrückerin) und 2017 über die SPD-Landesliste in den Bundestag einzog, hat sie 2021 überraschend das Direktmandat gewonnen – was der SPD in der Geschichte des Wahlkreises zuvor erst einmal gelungen war.
Wahrscheinlich Ende November werde die SPD über die Wahlkreis-Kandidatur entscheiden, erklärt Glöckner. Welche Inhalte wären ihr in der nächsten Wahlperiode besonders wichtig? „Unseren Frieden wahren, denn ohne Frieden ist alles nichts“, antwortet die 62-Jährige. Ein Thema, das auch bei ihren Bürgersprechstunden (beim Redaktionsgespräch am 23. Juli kam sie gerade von Gesprächen vorm und im Café Leiner in der Zweibrücker Fußgängerzone, wo sie 40 bis 50 Leute meist aktiv ansprach) immer wieder aufkommt – vor allem aus Sorge, Deutschland könne in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden. Wobei nach ihrem Eindruck die Bevölkerung gespalten sei: „Ein Teil will die Ukraine weiter unterstützen, ein Teil will, dass wir uns raushalten – aber auch die wollen nicht, dass Putin den Krieg gewinnt.“
Wichtig ist Glöckner auch „Europa: was wir uns erarbeitet haben erhalten und die Kooperation mit den Mitgliedsstaaten verstärken – wir sollten unsere Verteidigungsfähigkeit unabhängig vom US-Wahlausgang verstärken.“ Glöckner ist Mitglied des Bundestags-Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – und Vorstandsmitglied der „Deutsch-Französischen Parlamentarische Versammlung“. Die deutsch-französische Zusammenarbeit als Rückgrat der EU will Glöckner stärken – „und auch wieder enger mit Polen kooperieren“.
Im Wahlkreis sieht Glöckner weiter die Herausforderung, dass „die Region nicht abgehängt wird“. Hierfür seien eine gute Infrastruktur wichtig und die Finanzausstattung der Kommunen. Hierfür habe die Landesregierung durch den Kommunalen Entschuldungsfonds „gut vorgelegt – aber der Bund muss auch seinen Beitrag zur Entschuldung der Kommunen leisten“. Was von der CDU/CSU leider bislang blockiert werde.
Im letzten Bundestags-Wahlkampf stand im Merkur-Kandidatenportrait über Glöckner: „So klare Worte Angelika Glöckner für die Mobilität in der Südwestpfalz findet, so klar sind auch ihre Vorstellungen, wie Klimapolitik aussehen muss. ,Sie muss so gestaltet werden, dass die Bürger in Deutschland den Weg auch mitgehen – ja mitgehen können’, betont sie mit Blick auf den Geldbeutel von Otto Normalverbraucher.“
Wie zufrieden ist sie diesbezüglich mit der bisherigen Bilanz der Ampel-Regierung – das Heizungsgesetz hat ja für viel Wirbel gesorgt? „Wir hatten letzten Sommer große Diskussionen“, erinnert Glöckner und räumt ein: „Die Leute wollen schon Klimaschutz – aber man muss viel Vertrauen wieder gutmachen. Es tut mir echt leid, dass so ein wichtiges Thema für so viel Verunsicherung gesorgt hat“, weil zunächst die Lebenssituationen vieler, vor allem älterer, Menschen zu wenig berücksichtigt worden seien. Die SPD habe aber erreicht, „dass keine Heizung 2024 raus muss, wir haben dafür gesorgt, dass das Gesetz vom Kopf auf die Füße gestellt wird“.
Wobei mehr Klimaschutz notwendig sei. „Wir können vor dem Klimawandel auch in Zweibrücken nicht weglaufen“, sagt Glöckner auch mit Blick auf das große Pfingst-Hochwasser. Klimaschutz biete aber auch Chancen, auch für die deutsche Wirtschaft. Unabdingbar für die Menschen sei aber: „Klimaschutz müssen sich alle leisten können, die sanieren oder bauen.“ Hier sei man zwar mit Förderprogrammen auf einem guten Weg – der aber verlässlicher werden müsse: „Vieles läuft nach dem Windhundverfahren, da muss nachgebessert werden.“
Neben dem Europa-Ausschuss ist Glöckner im Bundestag Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Einkommen, Mindestlohn und vor allem eine zukunftssichere und auskömmliche Renten seien Themen, die Bürger oft in den Gesprächen mit ihr anschnitten. „Für mich ist das auch eine Aufforderung, dass wir das Rentenpaket, das in der Pipeline ist, verabschieden können.“
Was hält Glöckner davon, das freiwillige Weiterarbeiten nach dem Rentenalter von 67 Jahren attraktiver zu machen? „Ich unterstützte das, weil viele das wollen.“ Sie sei aber klar gegen Forderungen aus der Union nach einem höheren Renteneintrittsalter: „Viele Menschen müssen aus gesundheitlichen Gründen sogar vorher aus dem Arbeitsleben ausscheiden!“
Glöckner ist „wichtig, dass man die Leute gesund in die Rente bringt“. Derzeit verhinderten dies zu oft gesundheitliche Probleme. Deshalb setze sie sich dafür ein, „die Menschen und Unternehmen mehr zu unterstützen“ bei Gesundheits-Prävention und betrieblicher Wiedereingliederung nach längeren Krankheiten. „Dies funktioniert in großen Betrieben ganz gut – in kleinen und mittleren Unternehmen noch nicht. Da arbeiten ja die meisten Menschen – aber es gibt keine großen Personalabteilungen, wo jemand darauf spezialisiert ist.“ Glöckner plädiert deshalb auf Unterstützungs-Angebote für kleine und mittlere Unternehmen diesbezüglich.
Das von der Opposition kritisierte Bürgergeld verteidigt Glöckner. Dieses sei keine soziale Hängematte, sondern „eine Brücke in den Arbeitsmarkt“. Vorher mit Hartz IV hab es zwar „viele schnelle, aber nicht nachhaltige Vermittlungen“ gegeben. Mit dem neuen Bürgergeld-System und der damit einhergehenden individuelleren Beratung durch die Jobcenter seien zielgerichtetere Qualifizierungsmaßnahmen möglich. „Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt. Qualifizierungsmaßnahmen dauern aber zwei, drei Jahre. Deshalb ist klar, dass es jetzt noch nicht die großen Erfolge gibt.“ Der Anteil der Totalverweigerer – Bürgergeld-Empfänger, die jegliche Arbeit verweigern – sei mit 0,4 Prozent sehr gering.
Auch die Integration der aus der Ukraine geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt komme nach und nach voran. Warum gelingt das in einigen anderen Ländern Europas schneller? Dass dies am deutschen Bürgergeld liege, weist Glöckner zurück: „In den Niederlanden zum Beispiel ist die Vermittlungsquote in den Arbeitsmarkt bei Ukrainern tatsächlich höher – aber in Minijobs! Für und ist auch wichtig, dass Leute steuerpflichtig beschäftigt werden und da, wo sie gebraucht werden.“
Nichts hält die Sozialdemokratin von dem auf Initiative der FDP von der Ampel-Koalition geplanten Steuer-Rabatt, um qualifizierte Ausländer nach Deutschland zu locken und so dem Fachkräftemangel zu begegnen. Denn wenn in Betrieben Beschäftigte für die gleiche Arbeit unterschiedlich besteuert würden, „schürt das Zwietracht“.
Zum Umgang mit der AfD äußert sich Glöckner deutlich – aber auch differenziert. Einerseits sagt sie auf die Frage, ob sie beunruhigt ist, nachdem in der ersten Sitzung des neu gewählten Zweibrücker Stadtrats gleich bei der ersten inhaltlichen Abstimmung CDU und FWG nur mithilfe der (deutlich erstarkten) AfD ein Anliegen durchsetzen konnten, nämlich das Cannabis-Verbot beim Stadtfest. Glöckner antwortet: „Ich sehe die AfD nicht als demokratische Partei. Dass man hingenommen hat, mit den Stimmen der AfD zu dieser Mehrheit zu kommen, ist eine Verletzung der Brandmauer nach rechts, was Friedrich Merz ausgeschlossen hat.“ Natürlich werde es schwieriger, wenn wie auch in Zweibrücken die AfD mehr Sitze habe, Mehrheiten ohne sie zu bilden. Aber: „Da müssen wir alle als etablierte Parteien uns aufeinander zu bewegen.“ Während Glöckner keine inhaltlichen und personellen Entscheidungen von der Zustimmung der AfD abhängig machen will, plädiert sie andererseits für Dialog. Bei Podiumsdiskussionen wollten manche Veranstalter und Politiker die AfD außen vor lassen: „Ich finde, man sollte die AfD mit reinholen, diskutieren und kritisch hinterfragen.“