Als „Vogelfreier“ Volks-Bibel geschaffen

Zweibrücken · Hat Luther seine Thesen an die Kirchentür genagelt? Hat er nicht? Darüber streiten Forscher. Unbestreitbar ist die Bedeutung seiner Bibel fürs Volk, erklärt Charlotte Glück, Leiterin des Stadtmuseums.

 Worms gedenkt Luther mit dieser Statue, daneben eine Inschrift mit seinem berühmtesten Satz, den er so vielleicht nicht sagte. Foto: Uwe Anspach/dpa

Worms gedenkt Luther mit dieser Statue, daneben eine Inschrift mit seinem berühmtesten Satz, den er so vielleicht nicht sagte. Foto: Uwe Anspach/dpa

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"Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen!" Diesen Satz hat Martin Luther so womöglich nie gesagt. Ebenso wenig, wie er seine 95 Thesen tatsächlich an die eiserne Kirchentür zu Wittenberg schlug. Und doch werden diese Worte zusammengefasst als Meilenstein in der Freiheitsgeschichte der Reformation.

Nachdem Luther sich geweigert hatte, seine Lehre zu wiederrufen, wurde er Anfang des Jahres 1521 von Papst Leo X. exkommuniziert, das heißt, aus der katholischen Kirche ausgeschlossen. Daraufhin erwirkte Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen Luthers Einladung zu einem Rechtfertigungsbericht vor dem Reichstag in Worms bei freiem Geleit.

Begleitet von einem großen Medienecho traf Luther am 16. April in Worms ein. Vor Kaiser Karl V. und den Reichsständen verteidigte er seine Thesen. Den vom Kaiser geforderten Widerruf lehnte er mit dem oben zitierten Satz mit der Berufung auf sein Gewissen ab. Im Mai verhängte Karl V. daraufhin mit dem Wormser Edikt die Reichsacht über Martin Luther "wegen der Verbreitung ketzerischer Lehren". Damit war Luther "vogelfrei", jeder hatte das Recht, ihn zu töten. Doch zu diesem Zeitpunkt befand sich der Reformator bereits auf der Wartburg bei Eisenach in Sicherheit. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, Luthers Landesherr, hatte ihn zu seinem eigenen Schutz entführen lassen. Getarnt unter dem Namen "Junker Jörg" gelangte der Vogelfreie in sein sicheres Exil. Luther nutzte die zehn Monate seines Zwangsaufenthaltes, von Mai 1521 bis März 1522, um das Neue Testament ins Deutsche zu übersetzen. Verfasst wurde das Neue Testament ursprünglich in Griechisch, das Alte Testament in Hebräisch. Anders als bei den 18 Übersetzungen der Mentelin-Bibel ins Neuhochdeutsche legte Luther seiner Übersetzung jedoch den griechischen Urtext zugrunde. Damit wollte er die Übersetzungsfehler der Vulgata vermeiden. Damit die Menschen das Wort Gottes verstehen konnten, verfasste er seine Bibelübersetzung in kraftvollem Deutsch, bei dem er "dem Volk auf Maul schaute".

"Mit seiner Bibelübersetzung schuf Luther so die Grundlage der vereinheitlichten deutschen Hochsprache", erklärt die Zweibrücker Stadtmuseumsleiterin Charlotte Glück. Im September 1522 ließ Luther seine Übersetzung des Neuen Testaments in Wittenberg drucken. Trotz ihres hohen Preises war die Erstauflage von 3000 Exemplaren in nur drei Monaten ausverkauft. Bereits im Dezember desselben Jahres erschien die zweite Auflage mit verbessertem Text und korrigierten Bildern ("Dezembertestament"). Die erste komplette Lutherbibel eroberte 1534, nach der Übersetzung des Alten Testaments, den Markt. In Zusammenarbeit mit dem deutschen Humanisten und Theologen Philipp Melanchthon überarbeitete Luther sie immer wieder, feilte an einzelnen Versen.

Die Ausgabe "letzter Hand" von 1545 wurde bis 1892 kaum verändert. In diesem Jahr wurde die erste "kirchenamtliche" Revision (Durchsicht) für abgeschlossen erklärt, im Jahre 1912 die zweite. Nach den Revisionen von 1975 und 1984, die sich vor allem auf die Nutzung einer moderneren, in unserem Jahrhundert verständlicheren Sprache fokussierten, erfolgte zum Jubiläumsjahr eine erneute Überarbeitung. "Hier wurden neben der Modernisierung der Sprache vor allem neue exegetische Erkenntnisse berücksichtigt", weiß der Ixheimer Pfarrer Martin Bach.

Die Ausstellung "Neuer Himmel. Neue Erde. Die Reformation in der Pfalz" ist noch bis 14. Mai im Stadtmuseum Zweibrücken zu sehen. Jeden Mittwoch um 15 Uhr wird dort eine offene Führung angeboten. Außerdem gibt es Gruppenführungen nach Voranmeldung. Kontakt: Tel. (0 63 32) 871-380. Weitere Informationen gibt es im Internet: www.zweibruecken.de/museum .

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