Aggressivität gegen Vollzugsbeamte wächst

Zweibrücken · Beigeordneter Pirmann ärgert sich: Staatsanwaltschaft hat Verfahren wegen „mangelnden öffentlichen Interesses“ eingestellt.

Die stärkere Präsenz städtischer Ordnungshüter in der Öffentlichkeit hat sich für die Sicherheit in Zweibrücken bezahlt gemacht. Besonders an einem langjährigen Brennpunkt.

Ordnungsamtsleiter Klaus Stefaniak erinnert in einem Merkur-Gespräch: "Früher konnte man nach Einbruch der Dunkelheit nicht auf dem Kleinen Exe laufen, ohne angemacht zu werden oder das Handy abgenommen zu bekommen", auch Alkohol und Drogen sorgten oft für Probleme. Vor zehn Jahren stockte die Stadt dann den Kommunalen Vollzugsdienst (Hilfspolizei) von vier auf sechs und später acht Kräfte auf. Nach dieser Verdopplung und den dadurch ermöglichten Streifen bis 23 oder 24 Uhr "hat sich die Lage auf dem Kleinen Exe sehr verbessert", so Stefaniak. Auch in der seit zwei Jahren verstärkt bestreiften Fußgängerzone wirke die Präsenz erfolgreich vorbeugend. Doch die sechs Männer und zwei Frauen machen auch schlimme Erfahrungen. "Jeder von uns erlebt etwa fünf bis zehn körperliche Angriffe im Jahr, verbale Attacken sind Tagesgeschäft", berichtet der Vollzugsbeamte Matthias Freyler.

Ordnungsdezernent Henno Pirmann klagt, der Respekt vieler Bürger vor Ordnungshütern habe "schwer abgenommen - das ist nicht mehr so einfach wie vor vierzig Jahren, als ich beim Zoll angefangen hatte und die Leute die Hosen voll hatten, wenn sie mit dem Auto an die Grenze kamen". Die zunehmende Aggressivität gehe "quer durch alle Bevölkerungsschichten", sagt Stefaniak.

Pirmann (SPD) vermisst manchmal auch Unterstützung durch die Justiz. "Ich habe gerade einen Fall versuchter Körperverletzung auf dem Tisch: Beim Stadtfest 2016 sollte ein falsch geparktes Auto aus einer Rettungszufahrt abgeschleppt werden. Der Fahrer hat sich dagegen gewehrt, ist in sein Fahrzeug gestiegen und auf unsere Hilfspolizisten, der davor stand, losgefahren. Der konnte sich nur durch einen Sprung zur Seite retten" (wir berichteten). Jetzt habe die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Den Beigeordneten empört vor allem die Begründung: "mangelndes öffentliches Interesse". Die Staatsanwaltschaft habe seine Mitarbeiter nicht einmal als Zeugen angehört. Pirmann: "In Deutschland wird immer gepredigt, Ordnungshüter mehr zu schützen - aber in der Umsetzung tut man sich schwer!" Er wolle darüber noch mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt sprechen. Vorfälle wie der beim Stadtfest seien nämlich für die Betroffenen "sehr belastend". Bei Ersttätern würden Verfahren "häufig eingestellt", antwortet Vollzugsdienstchef Harald Bohl auf die Frage, ob die Stadtfestentscheidung ein Einzelfall sei. Meist gehe es um Beleidigung oder Widerstand. Trotzdem seien seine Vollzugsbeamten "voll motiviert", lobt Pirmann.

Bei renitenten Personen spielten oft Alkohol oder Drogen - vor allem in Kombination - eine Rolle, berichtet der Vollzugsbeamte Bernd Klöckner. Das habe es aber auch früher schon gegeben. Die zunehmende Aggressivität sei ein allgemeines gesellschaftliches Phänomen, glaubt Pirmann; auch Feuerwehr- und Rettungsdienstkräfte würden zunehmend bei Einsätzen behindert. Laut Stadtsprecher Heinz Braun wächst auch "in den Schulen die Gewaltbereitschaft". Um an alldem etwas zu ändern, seien vor allem die Eltern gefragt, sind sich die Merkur-Gesprächspartner einig. Wobei die direkten Erfahrungen mit Eltern ganz unterschiedlich seien. Pirmann: "Es gibt einsichtige Eltern, die sind erschüttert, wenn wir ihr Kind sturzbesoffen nach Hause bringen oder die Eltern es abholen lassen." Freyler hat aber "manchmal auch den Eindruck, sich entschuldigen zu müssen, wenn wir Eltern ihr Kind bringen". Bohl: "Manche Eltern finden es ganz normal, wenn 14- bis 15-Jährige Alkohol trinken!"

Derzeit stünden vor allem drei Bereiche im Fokus der Streifen, so Freyler: "Überall da, wo die ,Versorgung' gut ist - am Hilgardplatz, am Hallplatz-Parkhaus und am Netto Bubenhausen." Am Hilgardplatz vor allem, weil Edeka bis 22 Uhr geöffnet habe. "Die Geschäfte können aber nichts dafür - die Jugendlichen schicken Volljährige zum Alkoholkauf vor oder sprechen dafür Wildfremde an." Am Hallplatz sei die Lage durch die Kontrollen schon wieder deutlich besser geworden, ergänzt Brohl. Probleme gebe es auch am Busbahnhof, so Pirmann, dort dürfe aber nur die Polizei kontrollieren.

Machen Flüchtlinge mehr Probleme als Einheimische? "Ein klares Nein", antwortet Freyler.

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Die Vollzugsbeamten heißen zwar offiziell "Beamte", sind aber in Zweibrücken keine Beamten, sondern Beschäftigte. Auf Streife gehen immer zwei Männer und eine Frau, vor allem wegen Körperkontrollen. Die "Hilfspolizisten", wie die Stadt sie umgangssprachlich auch nennt, müssen wegen ihrer verantwortungsvollen Aufgaben fast 50 Gesetze kennen, sich für Kontrollen mit Schusswaffen auskennen (obwohl sie selbst keine tragen dürfen), werden in Deeskalationsstrategien und vielem mehr regelmäßig weitergebildet.

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