Schlechte Noten fürs Radeln in Zweibrücken Auch begeisterte Radfahrer sind frustriert

Zweibrücken · Zweibrücken nahm erstmals beim Fahrradklimatest teil – und schloss alles andere als gut ab. Die Initiative „Pro Fahrrad“ fordert schon seit Längerem, mehr auf die Bedürfnisse der Radfahrer einzugehen. Welche Schlüsse zieht die Stadt daraus?

 Klaus Fuhrmann, Mitglied der Initiative „Pro Fahrrad“ Zweibrücken sowie Stadtradmitglied, sitzt mit einem Lächeln auf seinem Mountainbike. Doch manchmal ist er auch wirklich frustriert. Er findet, dass die Stadt für Fahrradfahrer deutlich mehr tun könnte.

Klaus Fuhrmann, Mitglied der Initiative „Pro Fahrrad“ Zweibrücken sowie Stadtradmitglied, sitzt mit einem Lächeln auf seinem Mountainbike. Doch manchmal ist er auch wirklich frustriert. Er findet, dass die Stadt für Fahrradfahrer deutlich mehr tun könnte.

Foto: Klaus Fuhrmann

Immer wenn Klaus Fuhrmann zur Arbeit fährt, benutzt er das Fahrrad. Er mag es, auf den Sattel zu steigen, in die Pedale zu treten. „Dann bin ich glücklich“, sagt er, „sehr glücklich“. Die frische Luft. Die Bewegung. Der freie Kopf. Die purzelnden Kalorien vielleicht auch. Endorphine. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, sagt man. Bei ihm kommt das Vergnügen auch schon davor.

Und dennoch: Manchmal spürt Fuhrmann, trotz der Glücksgefühle, eine ziemliche Frustration. Etwa dann, wenn er von seinem Wohnort Rimschweiler zur Arbeit fährt, und auf den Kreisel in Zweibrücken-Ixheim zusteuert. „Da sind sehr unschöne Bordsteine. Die sollten nur drei Zentimeter hoch sein. Sind teilweise aber höher“, schildert Fuhrmann. Er müsse deshalb „sehr langsam fahren“, damit er keinen platten Reifen bekommt. „Auch von vielen anderen Radfahren habe ich das schon gehört“, sagt er. Fuhrmann, Mitglied der Zweibrücker Bürgerinitiative „Pro Fahrrad“, spricht von einer „äußerst fahrradunfreundlichen Stelle“. Die ihn freilich störe. Nur eine von vielen, die es in Zweibrücken gibt. Für ihn ist klar: „Es herrscht Bedarf.“ Nachholbedarf.

Mit dieser Meinung steht Fuhrmann keineswegs alleine da; das zeigt der Mitte März veröffentlichte Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC): Die 117 Anwohner, die bei der Umfrage mitmachten, stellten Zweibrücken alles andere als ein gutes Zeugnis. Im Gegenteil. Der Notendurchschnitt liegt bei 4,17. Ein mehr schlechtes als rechtes Ausreichend – mit dem die Stadt bei ihrer ersten Teilnahme im Ranking der 20000- bis 50 000-Einwohner-Städte auf Platz 322 liegt. Von insgesamt 412. Zum Vergleich: Am besten schloss Baunatal mit der Note 2,2,ab.

Davon ist Zweibrücken, zumindest wenn es nach den Befragten geht, sehr weit entfernt: So meinen die Anwohner, dass die Stadt dem Radverkehr keinen sonderlich hohen Stellenwert beimesse. Note: 4,5. Dasselbe gilt auch für die zweite von fünf Hauptkategorien – dem „Komfort beim Radfahren“. Auch hier? Knapp mangelhaft (4,5). Und auch die anderen Bereiche der Umfrage taugen mitnichten zum Angeben. Bei der „Infrastruktur“ gab es eine 4,1. In der Kategorie „Sicherheit beim Radfahren“ eine 3,9. Am besten schnitt die Stadt noch beim „Fahrrad- und Verkehrsklima“ ab. Mit 3,8.

„Mich hat das Ergebnis nicht überrascht“, sagt Fuhrmann dazu. Er kenne ja Zweibrücken, dessen unschöne Ecken, die er aus der Sicht eines fahrrad-begeisterten Bürgers betrachtet. Mal mehr, mal weniger kopfschüttelnd.

Und die Stadt? Die sieht trotz der schlechten Noten auch etwas Gutes. Stadtsprecher Jens John schreibt: „Solche Studien helfen uns bei den weiteren Planungen weiter, um auch einen besseren Blick auf die Bedürfnisse der Fahrradfahrer*innen zu bekommen.“

So weit, so verständlich. Dennoch wirft das Ergebnis natürlich auch Fragen auf. Eine, die sich am ehesten aufdrängt: Wie konnte es soweit eigentlich kommen? Fuhrmann, der sich nicht nur bei der Initiative „Pro Fahrrad“ engagiert, sondern auch als Stadtratsmitglied (SPD) aktiv ist, glaubt, dass die Politik dem Radverkehr bis heute schlicht zu wenig Gewicht beimesse. In der Umfrage sieht er folglich nicht nur eine Orientierung, was beim Radverkehr besser gemacht werden muss. Sondern auch eine Quittung für die stiefmütterliche Behandlung des Radverkehrs.

In Fuhrmanns Worten klingt das so: „Wir wissen, dass wir was machen müssen – aber wir haben aktuell andere Sorgen. Diesen Tenor nehme ich aktuell von der Politik wahr.“ Zwar könne er durchaus verstehen, dass auch andere Dinge wichtig sind. Aktuell womöglich gar wichtiger. Etwa das politische Vorgehen während der Corona-Pandemie. Und dennoch, trotz allem Verständnis, bestehen die „fahrradunfreundlichen Bedingungen“ ja nicht erst seit sprichwörtlich gestern. Sie keimten auch nicht erst im Laufe der Corona-Pandemie auf. Rückblick: Im Januar 2020 wies die Initiative „Pro Fahrrad“ in einem prall gefüllten, schlappe 40 Seiten langen Forderungskatalog auf „Gefahrenquellen, Hindernisse und Fehlplanungen im Radwegenetz in und um Zweibrücken“ hin. „Nur davon ist bislang aber kaum etwas umgesetzt worden“, sagt Fuhrmann – 15 Monate später.

Zwei Beispiele: „Pro Fahrrad“ schlug damals vor, die Strecke entlang der Allee als hybriden Geh- und Radweg zu markieren. Doch noch immer ist keine optische Abtrennung umgesetzt. Das sorgt laut „Pro Fahrrad“ stets für Diskussionen zwischen Fußgängern und Radlern. „Dabei ist genug Platz, mit ein wenig Farbe einen richtigen Radweg in beide Richtungen auszuweisen“, wiederholt Fuhrmann das, was die Initiativ bereits damals sehr dezidiert vorgeschlagen hat.

Und auch in der Steinhauser Straße blieb bis heute alles beim Alten. Dort kritisiert „Pro Fahrrad“, dass die sehr breit angelegte Strecke Autofahrer zur Raserei verleite. Was wiederum auch eine Gefahr für die Radfahrer darstellt. Der Vorschlag also: Die Straße verengen und zwei Radwege links und rechts der Strecke bauen. Doch es tut sich nichts. „Es braucht mehr Gleichberechtigung im Straßenverkehr.“ Denn bis heute haben Radelnde sehr häufig das Nachsehen gegenüber den Autofahrern. Zu häufig, findet Fuhrmann. Dabei fahren viele Menschen sehr gerne mit dem Rad. Eine Zahl, die noch weiter anstieg, als das E-Bike auf den Markt kam. Gar von einem „E-Bike-Boom“ ist die Rede – der während der Pandemie weiter anstieg. Darauf müsse die Stadt reagieren und die Infrastruktur verbessern, fordert Fuhrmann. Jetzt.

Natürlich sei das auch der Stadt bewusst, teilt Pressesprecher Jens John mit. Doch dass sie nicht schneller dem Trend folge, habe keinesfalls etwa mit Untätigkeit zu tun. Nein. So sei das Bauamt stets bemüht, „wo immer es geht, Verkehrsmischflächen zu ermöglichen, die alle Verkehrsteilnehmer*innen gleich berücksichtigt“. Es sei jedoch schwierig, in einem bereits fertigen Bestand mehr und komfortableren Radverkehr zu realisieren.

Und dennoch, trotz aller Schwierigkeiten, wolle die Stadt die Bedingungen für Radfahrer vor Ort verbessern, betont John. Das betreffe etwa „das Aufstellen von Fahrradständern oder die bessere Hinweisbeschilderung zu Fahrradabstellmöglichkeiten“. Zum Beispiel am Max 1. „Maßnahmen, die kurzfristig umgesetzt werden können“.

Auf der Agenda stehen außerdem größere Projekte. Projekte, die einer „langen und genauen Planung“ bedürfen. Darunter falle etwa die fehlende Radwegeverbindung von Oberauerbach nach Niederhausen. Auch Mörsbach soll besser angebunden werden. Bislang müssen Radelnde die knapp elf Kilometer lange Strecke (noch) durch den Wald bestreiten. „Das ist fahrradunfreundlich“, sagt Fuhrmann. Er wählt damit dieselben Worte wie für die zu hohen Bordsteine im Ixheimer Kreisel.

  Zweibrücker Allee. Auch hier gibt es Verbesserungspotenzial.

Zweibrücker Allee. Auch hier gibt es Verbesserungspotenzial.

Foto: Klaus Fuhrmann

Aber wahrscheinlich nicht mehr lange. Denn am Freitag, als Fuhrmann von der Arbeit Richtung Wochenende fuhr, waren Mitarbeiter „einer luxemburgischen Firma dabei, die Bordsteine in meinem Lieblingskreisel abzuschleifen“, berichtet er. Fuhrmann klingt mal wieder glücklich. Vielleicht wird sein Weg zur Arbeit und nach Hause ja bald wirklich nur noch eines sein. Vergnüglich.

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