ADD gegen Zweibrücker Bitte, Bürger und Firmen noch nicht zu belasten Steuererhöhungen verschieben? Stadt blitzt ab

Zweibrücken · Trotz des „besten Haushalts seit Jahrzehnten“: Die Landesbehörde ADD beharrt auf schneller Anhebung von Grund- und Gewerbesteuer in Zweibrücken. SPD und CDU sind enttäuscht.

 Den Zweibrückern winkt eine Grundsteuer-Erhöhung von durchschnittlich 80 Euro – obwohl die Verantwortlichen im Rathaus das den Bürgern 2023 gerne erspart hätten angesichts der vielen weiteren finanziellen Belastungen.

Den Zweibrückern winkt eine Grundsteuer-Erhöhung von durchschnittlich 80 Euro – obwohl die Verantwortlichen im Rathaus das den Bürgern 2023 gerne erspart hätten angesichts der vielen weiteren finanziellen Belastungen.

Foto: Lutz Fröhlich

Hiobsbotschaft für die Stadt Zweibrücken und vor allem für ihre ohnehin schon von Steuererhöhungen und Inflation geplagten Bürger und Firmen: Trotz des Widerstands von Stadtvorstand und Stadtrat beharrt die ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier) darauf, dass Zweibrücken bereits dieses Jahr die Grundsteuer und Gewerbesteuer deutlich erhöht.

Das hatte die Stadt mit einem „Realsteuer-Moratorium“ verhindern und auf 2024 verschieben wollen. Doch die ADD als Kommunalaufsicht ist den Argumenten der Stadt nicht gefolgt, ergaben am Dienstag Merkur-Recherchen. Deren Anlass war: Im Ortsbeirat Mörsbach hatte Ortsvorsteher Achim Ruf (Grüne) erklärt, Vorhaben wie die Spielplatz-Sanierung könnten nicht angegangen werden, weil der Stadthaushalt 2023 noch nicht von der ADD genehmigt ist (wir berichteten).

Nächste Woche Mittwoch findet eine Sondersitzung des Zweibrücker Stadtrats statt. Stadtsprecher Jens John bestätigt Merkur-Informationen: Thema der Sondersitzung ist die fehlende Haushaltsgenehmigung. John mailt: „Das ist korrekt. Der Vorstoß eines Realsteuermoratoriums für die Stadt Zweibrücken wurde von der Genehmigungsbehörde nicht berücksichtigt. Somit befindet sich die Stadt Zweibrücken aktuell in der vorläufigen Haushaltsführung, bei welcher Projekte nur dann umgesetzt werden können, wenn diese als unabweisbar gelten. Dieser Sachverhalt wird Thema im kommenden Stadtrat, am Mittwoch, den 17.05.2023 sein und dort entsprechend vorgestellt und von den Ratsmitgliedern diskutiert werden.“

Die Frage, mit welchem Beschlussvorschlag der Stadtvorstand (Oberbürgermeister Marold Wosnitza, SPD, Bürgermeister und Finanzdezernent Christian Gauf, CDU und Beigeordnete Christina Rauch, CDU) in die Sitzung gehen, beantwortet John aktuell noch nicht.

ADD-Pressesprecherin Eveline Dziendziol erklärt auf Merkur-Anfrage, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion habe bereits mit Schreiben vom 22. März an die Stadtverwaltung „Bedenken wegen Rechtsverletzung im Hinblick auf den nicht erreichten, aber gem. § 93 Abs. 4 GemO (Gemeindeordnung) geforderten, Haushaltsausgleich geltend gemacht“. Die ADD habe der Stadt dabei „erneut die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben“. Aber, so Dziendziol: „Die erbetenen Unterlagen liegen bisher nicht vor.“ Nach Vorlage der Unterlagen beginne laut GemO „eine neue Frist für die Haushaltsprüfung von zwei Monaten beginnt“. Das bedeutet offensichtlich: Wie in Mörsbach könnten sich noch viele Projekte in Zweibrücken verzögern.

Dziendziol schreibt: „Die Haushaltsverbesserungen und Bemühungen der Stadt Zweibrücken werden positiv zur Kenntnis genommen. Nichtsdestotrotz besteht die gesetzliche Verpflichtung den Haushalt in jedem Haushaltsjahr auszugleichen (§ 93 Ab. 4 GemO). Dabei obliegt es der Eigenverantwortung der Gemeinde, wie sie diesen Haushaltsausgleich erreicht (z. B. durch Einsparungen auf der Ausgabenseite oder durch Verbesserungen auf der Einnahmenseite). Gemäß § 94 Abs. 2 GemO hat die Gemeinde die ihr zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen u. a. jedoch auch aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen.“

In einem „starken Bittbrief an die Kommunalaufsicht“ (Merkur-Überschrift 4. März) hatte die Stadt argumentiert, der Ergebnishaushaushalt 2023 weise „erstmals seit Jahrzehnten“ kein Defizit auf, sondern 1,2 Millionen Überschuss. Zudem arbeite man „intensiv an weiteren Konsolidierungsbeiträgen“. Und sei auch bereit, 2024 Grund- und Gewerbesteuer zu erhöhen – nicht aber schon 2023. Dies nämlich würde „zum jetzigen Zeitpunkt“ (Ukraine-Kriegsfolgen) „die Erfolge der hiesigen Wirtschaftsförderung und Gewerbesteuerentwicklung“ konterkarieren. Zumal habe Zweibrücken trotz der ohnehin steigenden Belastungen für Bürger bereits die Hundesteuer und Vergnügungssteuer erhöht. Doch während die Stadt von einem „Überschuss“ sprach, bemängelte die ADD eine „Unterdeckung“ des Haushalts von 2,4 Millionen Euro, weil die geforderte Mindest-Tilgung für den Kef (Kommunaler Entschuldungsfonds des Landes) nicht erreicht wird.

Der Merkur hat am Dienstag die Ratsfraktionschefs von SPD und CDU (die Parteien haben mit Abstand die meisten Sitze im Stadtrat und tragen den Stadtvorstand) um ihre Meinung zu der Zurückweisung des Bittbriefs durch die ADD gebeten.

SPD-Fraktionschef Stéphane Moulin sagt: „Wir sind mit den Beratungen noch nicht ganz am Ende.“ Man müsse sich noch genauer anschauen, „was die ADD genau will“. Bislang seien die Sozialdemokraten hin- und hergerissen: Einerseits halte man die beiden Steuererhöhungen derzeit für falsch. Andererseits gelte es abzuwägen, welche Vorhaben womöglich alle auf Eis gelegt werden müssten, wenn die Stadt der ADD-Forderung nicht nachkomme und man weiter ohne genehmigten Haushalt arbeiten würde. „Spätestens am Montag in der Fraktionssitzung werden wir eine Linie finden“, sagt Moulin – er könne aber sein, dass angesichts der schwierigen Abwägung nicht alle geschlossen abstimmen.

Moulin findet: „Grundsätzlich gibt es nie einen guten Zeitpunkt für Steuererhöhungen. Aber wenn es einen ganz besonders schlechten gibt, sollte man den nicht wählen.“ Er sei „schon enttäuscht“ über die Antwort der ADD auf den Bittbrief, den der Stadtrat mit viel Applaus unterstützt hatte: „Es war ja was dran an unseren Argumenten.“ Er fühle angesichts der vielen Zweibrücker Spar-Anstrengungen, die in der Haushaltskommission noch weitergingen „nicht besonders gewürdigt, was alles gemacht wurde“. Allerdings sitze der ADD auch der Landesrechnungshof im Nacken.

Moulin wiederholt seinen Ärger darüber, wie stark die ADD die Grundsteuer B (für bebaute Grundstücke) in Zweibrücken anheben lassen möchte – nämlich mindestens auf den deutschen Durchschnittswert aller kreisfreien Städte. Zweibrücken aber ist die kleinste kreisfreie Stadt Deutschlands, und in Rheinland-Pfalz sind die Grundsteuern in den Landkreisen meist niedriger als in den Städten. Zudem sei Zweibrücken „auch in vielen anderen Bereichen wie der Kaufkraft unter dem Durchschnitt“, gibt Moulin zu bedenken. Zurzeit liegt der Grundsteuer-Hebesatz in Zweibrücken bei 480, im Durchschnitt der kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz bei 540 (deutschlandweit etwas mehr) – was in Zweibrücken für jeden Grundstückseigentümer jährlich 80 Euro mehr bedeuten würde. Die Grundsteuer wurde bereits mehrfach nach ADD-Forderungen erhöht. 2012 etwa lag sie noch bei 370 Prozent, zeigt das Merkur-Archiv.

IHK-Regionalchef Jonas Klein hatte vergangenen Oktober im Merkur angesichts der schwierigen aktuellen Rahmenbedingungen eindringlich vor einer Erhöhung von Gewerbe- und auch Grundsteuer gewarnt, zumal viele Betriebe in Zweibrücken große Grundstücksflächen hätten. „Die Stadtpolitik ist gefordert, kreativ zu sein“, hatte Klein auf die Frage geantwortet, wie man denn anders Einnahmen erhöhen könne. Was sagt dazu Moulin? Er sehe die Gefahr, dass eine Gewerbesteuer-Erhöhung Ansiedlungen abschrecken könne und damit vielleicht sogar höhere Einnahmen vermeiden. Moulin verweist aber darauf, dass es in der Haushaltskommission viele Anstrengungen gebe – es sei leicht, wie die IHK nur kreative Ideen zu fordern „Wenn Vorschläge kämen, würde man die gerne hören.“

Wie plant die CDU mit der Hiobsbotschaft aus Trier umzugehen? CDU-Fraktionschef Pascal Dahler sagt auf Merkur-Anfrage: „Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts Genaues sagen, wir müssen noch auf weitere Infos und den Beschlussvorschlag des Stadtvorstands abwarten.“ Er kenne insbesondere noch nicht den genauen Inhalt des ADD-Schreibens.

Auch Dahler bejaht die Frage, ob er enttäuscht sei, dass die Kommunalaufsichtsbehörde den Argumenten der Stadt nicht folge: „Für mich ist das schon unverständlich, dass wir den besten Haushalt seit vielen Jahren aufgestellt haben, aber das nicht berücksichtigt wird.“ Er habe vergeblich gehofft, dass das Mainzer Innenministerium unter dem neuen Minister Michael Ebling (SPD), „der Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Städtetags war“, sensibler für die Nöte der wie Zweibrücken unverschuldet hoch verschuldeten Kommunen sei.

Zu der IHK-Forderung, die Stadt müsse „kreativ“ werden, um die Steuererhöhungen zu vermeiden, äußert sich auch Dahler skeptisch, ob und welche so ergiebigen Möglichkeiten es diesbezüglich geben könne. Aber: „Das ist ein Punkt, der auf den Tisch kommen muss, ob es eventuell andere Lösungsmöglichkeiten gibt.“ Er sei gespannt, ob es im Beschlussvorschlag des Stadtvorstands hierzu Ideen geben werde.

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