Zuletzt waren die EU-Profiteure wahlmüde"Ich sehe mich eher als Mitglied der EU als von Deutschland"

Zweibrücken. Bei der Europawahl vor fünf Jahren wurde in Zweibrücken ein Negativ-Rekord aufgestellt: In keiner anderen rheinland-pfälzischen Kommune gingen so wenige Bürger zur Wahlurne wie in der Rosenstadt. Gerade mal 44,9 Prozent betrug die Wahlbeteiligung für die Europawahl in Zweibrücken, während sie im Landesdurchschnitt immerhin bei 58,3 Prozent lag

 Den Rosengarten-Eingang bezuschusste die EU als erhebliche Verbesserung der regionalen touristischen Infrastruktur. Foto: Marco Wille

Den Rosengarten-Eingang bezuschusste die EU als erhebliche Verbesserung der regionalen touristischen Infrastruktur. Foto: Marco Wille

Zweibrücken. Bei der Europawahl vor fünf Jahren wurde in Zweibrücken ein Negativ-Rekord aufgestellt: In keiner anderen rheinland-pfälzischen Kommune gingen so wenige Bürger zur Wahlurne wie in der Rosenstadt. Gerade mal 44,9 Prozent betrug die Wahlbeteiligung für die Europawahl in Zweibrücken, während sie im Landesdurchschnitt immerhin bei 58,3 Prozent lag. Dabei gehört Zweibrücken - wie die gesamte Westpfalz als strukturschwache Region - zu den größten Profiteuren der Europäischen Union: Projekte wie die Flugplatz-Konversion wären ohne europäische Zuschüsse schwer finanzierbar. Wenn der Nutzen Europas für Zweibrücken sich nicht in einer hohen Wahlbeteiligung niederschlägt, liegt dies aber nicht nur an den Bürgern, lässt der Verlauf von Merkur-Recherchen diese Woche vermuten. Wie viele EU-Fördergelder sind in den vergangenen Jahren in welche konkreten Projekte in und um Zweibrücken geflossen? So lautet die Recherche-Frage. Doch die Antwort führt in ein bürokratisches Dickicht - und gibt damit einem Vorurteil gegen die EU ungewollt neue Nahrung. Nächstliegende Recherche-Anlaufstelle: Die Stadt Zweibrücken. Doch wer geglaubt hätte, die Stadtverwaltung wisse, was genau sie der EU verdankt, der irrt. Kämmerei-Chef Peter Kaufmann erläutert, warum: "Für uns ist nicht ohne Weiteres erkennbar, wo EU-Fördergelder drin sind. Das geht aus den Bescheiden teils nicht hervor." Hintergrund: EU-Zuschüsse werden in Deutschland über die Landesregierungen ausgezahlt, die gleichzeitig aber auch selbst Förderanteile übernehmen. Die genauen EU-Förderprojekte für Zweibrücken und die Südwestpfalz kann aber auch das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium nicht auflisten. Zum einen "aus datenschutzrechtlichen Gründen", vor allem wenn es um Firmen-Förderung geht. Aber auch, weil für viele Förderprogramme eine "genaue Auswertung der Förderfälle nur mit einem sehr großen zeitlichen Aufwand möglich wäre". Immerhin kann das Ministerium folgende grobe Übersicht geben, von welchen EU-Fördertöpfen unsere nähere - oder weitere - Region profitierte: Aus dem Ziel-2-Programm flossen von Januar 2000 bis Dezember 2008 rund 195 Millionen Euro nach Rheinland-Pfalz, dazu elf Millionen aus dem Europäischen Sozialfonds. In der Strukturfonds-Periode 2007-2013 hätten Zweibrücken und die Südwestpfalz bisher 757 000 Euro erhalten. (Nach Merkur-Informationen zuletzt in Zweibrücken Ziel-2-gefördert wurde der neue Rosengarten-Eingang.)Im Jahr 2008, so das Ministerium, förderte der EU-Sozialfonds in der Südwestpfalz für 103 000 Euro zwei Jugend-Scouts und zwei Job-Füxe, die Hauptschüler beim Übergang in den Beruf unterstützen. In Zweibrücken werde für 25 000 Euro ein Jugendscout gefördert, der arbeitslose und sozial schwache Jugendliche aufsuche, um ihnen bei der Integration in Arbeit oder Fördermaßnahmen zu helfen. Die Interreg-Förderprojekte liegen dem Ministerium nicht mehr vor. Vom Leader-Programm "Pfälzerwald" (Fördersumme 2000 bis 2006: 1,49 Millionen Euro) profitierten auch Teile der Südwestpfalz. Für die ländliche Entwicklung gehen 2007 bis 2013 1,7 Millionen Euro in den Pfälzerwald. Als Impulsregion (Ile-Regionalmanagement) gefördert werde auch die Region Sickinger Höhe - Schwarzbachtal, Pirminiusland (wir berichteten gerade über das Mühlenkultur-Projekt). Agrarförderung zahlte die EU in ihrem Haushaltsjahr Oktober 2007 bis Oktober 2008 in Höhe von rund 217,6 Millionen nach Rheinland-Pfalz. Zweibrücken. Am Sonntag finden die Wahlen zum Europaparlament statt. Eigentlich ein sehr wichtiges Thema, denn das Parlament entscheidet auch viel für Deutschland, doch viele Jungwähler sind daran nicht so interessiert: Als der Merkur gestern fragte, was junge Erwachsene von der Europäischen Union halten und ob sie sich als Teil davon sehen, wollten über zwei Drittel der Angesprochenen gar nichts sagen. "Puh, das ist mir zu kompliziert" oder "Die EU ist mir eigentlich egal", waren typische Reaktionen. Es gab aber auch andere Stimmen. "Ich sehe mich eher als Mitglied der EU als von Deutschland. Die EU funktioniert schon seit Jahren als Einheit", sagt der Erik Stadel, 21 Jahre (Foto: pm). Die Länder gingen gemeinsam Probleme an, was verschiedene Perspektiven auf ein Thema bedeute: "Mehrere schlaue Köpfe bringen natürlich mehr als nur einer." Auch Sebastian Brengel, 22, hält viel von der EU. "Sie bringt schließlich eine Vergrößerung des Binnenmarktes und Stabilität der Währung."Heidi Reißmüller (Foto: sb) sieht sich viel eher als ein Teil von Deutschland. "Die EU bezieht nur Leute ab 30 wirklich ein. Sie sollte stattdessen die Jugend mehr anspornen", findet die 19-Jährige. Auch Pascal Schmidt, 24 (Foto: sb), fühlt sich viel mehr als ein Teil von Deutschland: "Zu Deutschland habe ich einfach mehr Bezug."Sinnvoll finden diese jungen Zweibrücker die EU aber alle. "Man sollte sie vielleicht ein bisschen umstrukturieren, aber eigentlich ist sie gut", sagt Timo Obenauer, 18: "Es sollte jeder Bürger Mitsprache-Recht haben und nicht nur alle paar Jahre mal gefragt werden, was das Volk denn möchte."Ein paar Verbesserungsvorschläge hatten die Befragten. So sollten weitere Länder in die EU aufgenommen werden, um Schritt für Schritt "die Vereinigten Staaten von Europa" zu erschaffen. Timo Obenauer kritisierte, dass Soldaten als Friedenstrupps geschickt würden.Als Heimat definierten die Jungwähler die EU aber nicht. Heimat sei nichts Ortsgebundenes. "Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle", sagt Heidi Reißmüller. Die Befragten äußerten, dass sie eigentlich überall wohnen könnten, denn Heimat sei durch ihre Freunde definiert.

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