Von Zahlungsmoral, Wandel und Krisen

Zweibrücken · Die Wochenendinsolvenz beim Zweibrücker Traditionsunternehmen Pallmann liegt fast genau zwei Jahre zurück. Wie hat der Einstieg von Minderheitsgesellschafter Siempelkamp die Struktur der Firma geändert und wie sieht man sich aufgestellt? Merkur -Redakteur Eric Kolling hat dazu mit Firmenchef Hartmut Pallmann und Betriebsratsvorsitzendem Klaus Patsch gesprochen.

 Hartmut Pallmann. Foto: pma/lf

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 Rund 500 Menschen forderten im April 2012 bei einer Kundgebung auf dem Schlossplatz die Rettung Pallmanns. Foto: pma/voj

Rund 500 Menschen forderten im April 2012 bei einer Kundgebung auf dem Schlossplatz die Rettung Pallmanns. Foto: pma/voj

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Hinter den Kulissen des Zweibrücker Anlagen- und Maschinenbauers Pallmann laufen derzeit regelrechte Umwälzungsprozesse ab. Es gilt, Doppelstrukturen abzubauen, erläutern Firmenchef Hartmut Pallmann und Betriebsratsvorsitzender Klaus Patsch: Früher habe jedes der vier Pallmann-Geschäftsfelder Prozesstechnik, Recycling, Kunststoffverarbeitung und Holztechnik Vertriebsleute, Innendienstler sowie Mitarbeiter für Konstruktion und Projektierung. In der Konjunkturkrise vor einigen Jahren habe sich nun die Schwäche dieser Mehrfach-Struktur gezeigt, so Patsch: "Im Holzbereich, der vorher der stärkste war, hatten wir einen Einbruch. Dafür hat das Recycling richtig gepowert. Folglich war der Holzbereich lange dünn besetzt und nebenan wurde bis zum Anschlag geschraubt." Die geänderte Struktur sieht nun vor, dass die vier Geschäftsfelder zu reinen Vertriebsgeschäftsfeldern werden. Konstruktion, Projektierung und Vertriebsinnendienst werden zusammengeführt. Auch die Werkstatt ist für alle zuständig. "Einem Dreher ist es egal, ob er Teile für eine Holzmaschine oder sonst was macht", findet Patsch.

Firmenchef Hartmut Pallmann sagt zum Stand der Dinge: "Im Holzbereich sind die Strukturen seit etwa zwei Jahren angepasst. In Sachen Anlagenbau, Kunststoff-, Recycling und Prozesstechnik werden die Arbeitsabläufe noch angepasst. Da sind wir gerade dabei."

Weiterhin werde eine langfristige Personalplanung erarbeitet und ermittelt, wer nachqualifiziert werden muss und wo Leute ausscheiden. Außerdem wolle man laut Patsch die Kapazitäten besser ausschöpfen. Das alles habe nicht der Minderheitsgesellschafter Siempelkamp verordnet, entgegnen Pallmann und Patsch einer naheliegenden Vermutung. "Wir haben uns aber ein bisschen unter Druck gesetzt, weil Siempelkamp damals Druck reinbrachte", ergänzt Patsch.

Zahlungsmoral gibt es nicht

Vor zwei Jahren war Pallmann auch deshalb in die Kurzzeitinsolvenz geschlittert, weil Kunden ihre Bestellungen nicht oder mit Verzögerung beglichen hatten. Sind die Kunden ärmer geworden? Pallmann: "Das nicht. Aber so etwas wie Zahlungsmoral gibt es auch nicht." Seit dem Einstieg vom Siempelkamp sei man beim Eintreiben solchen Geldes rigoroser. Pallmann erklärt: "Wenn man in der Großindustrie nicht bezahlt, kriegt man nichts. Bevor wir heute eine Leistung erbringen, muss Zahlungssicherheit gewährleistet oder wenigstens das Geld für die Lieferung zur Seite gestellt sein." Vor der Wochenendinsolvenz habe sich beim Familienunternehmen Pallmann die Mentalität gefestigt, Kunden zu unterstützen.

Finanzierung heute anders

Heutzutage müsse die Firma mit den Kunden eine Finanzierung aufstellen. Hier arbeite man mit Instituten zusammen, die sich auf die Finanzierung von Industrieanlagen spezialisiert haben und mehr und mehr die Aufgaben der Banken übernehmen. Diese kennen die Risiken und könnten so den Kunden bessere Konditionen bieten als Banken, die weder Pallmann noch die Kunden kennen. Pallmann: "Früher hat ein Kunde bestellt und bezahlt. Aber wenn heute Kunden heute aus Portugal, Spanien oder Griechenland kommen, kriegen die kein Geld." Hilfreich sei hier auch, dass Minderheitsgesellschafter Siempelkamp seit Jahrzehnten auf diese Art finanzieren mussten.

Wandel wichtig

Wie präsentiert sich die Firma nun als Maschinen- und Anlagenbauer? Pallmann: "Wenn man heute nicht komplette Systemlösungen bietet, wird die Luft immer enger zum Atmen am Markt." Hier helfe die Zusammenarbeit mit Siempelkamp sehr weiter, das als Pallmann-Kunde schon immer im Anlagengeschäft tätig gewesen sei. Gemeinsam könne man komplette Produktionsanlagen anbieten. So benötige die Spanplattenindustrie beispielsweise riesige Anlagen meist dort, wo der Rohstoff herkommt. Eingesetzt werden dort Maschinen, die das Holz zerkleinern, die Schnitzel aufbereiten. Pallmann habe früher nur die Zerkleinerungsmaschinen geliefert. Mit dem Pressen der Platten aus verkochten Hackschnitzeln hatte man nichts zu tun. Da Siempelkamp nun entsprechende Komponenten liefere, könne man die komplette Anlage mit Zuführung, Zerkleinerung, Aufbereitung und Formgebung aufbauen.

Blick nach China

Chinesen kauften modernste Technologien, die Deutschen kauften chinesische Zerkleinerungsmaschinen, die nach drei, vier Jahren nicht mehr repariert würden.

Pallmann betont, man handele eigentlich mit Fachwissen. Jetzt sei man dabei, Lösungen zu erstellen, die sonstwo auf der Welt erst in Jahren auftreten. Man brauche Nischenprodukte, denn der ostasiatische Raum habe in puncto Billigproduzieren einen Vorsprung. Der Euro sei stark überbewertet, daher europäische Waren in der Welt sehr teuer. China passe seine Währung nicht an, weil es dies wisse. Eine komplizierte, mehrstufige Produktionsanlage nachzubauen, sei auch schwierig, so Pallmann.

Aus Flaschen mach Kopfkissen

Die Auftragslage sei gut, die Tendenz gehe nach oben. "Wir haben eine Unternehmensplanung bis 2019 und da festgelegt, wie sich die einzelnen Geschäftsbereiche entwickeln." Man brauche die Holzkunden für eine gute Auslastung in der Fertigung und die Recyclingindustrie mit ihren gesetzlichen Anforderungen und Auflagen, um ein überproportionales Wachstum in dem Bereich zu erzeugen. Pallmann: "Die Maschinen, die wir fürs Holz einsetzen können, können wir zum Teil im Recycling gebrauchen." Aus Getränkeflaschen ließen sich in Sachen Polyesterrecycling Kopfkissen oder Zahnbürsten machen. Der Trend gehe dahin, Flaschen aus Flaschen zu machen. Pilotanlagen gebe es bereits. Gerade Kautschuk wiederzuverwerten sei ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Pallmann verarbeite alte Reifen zu Tennisplätzen, Kinderspielplätzen, Gummihämmer weiter. Die Zielsetzung sei, aus Reifen Reifen zu machen. Erste Anlagen seien noch Kanada geliefert worden. "Das sind Zukunftsbereiche, wo wir davon ausgehen, dass sie bald weltweit gefragt sind", sagt Pallmann.

Spuren der Ukraine-Krise

Etwas anderes dürfte in näherer Zukunft negative Spuren hinterlassen: die Ukraine-Krise. Hartmut Pallmann: "Es wird so kommen, dass die Ukraine-Geschichte wirtschaftliche Spuren hinterlässt. So wie die EU sagt ‚Wir müssen von russischem Gas unabhängig werden', werden sich die Russen sagen ‚Wir müssen unabhängiger werden von Importen aus der EU'. Welche Industrien dann genau betroffen sein werden, wisse er nicht. Das müssten Politiker herausfinden. Russland werde aber auch kurzfristig agieren. "Leute mit gesperrten Konten werden vorsichtiger arbeiten." Den Maschinen- und Anlagenbauer Pallmann betrifft dies insofern, als sich in Moskau eine Pallmann-Betriebsfirma findet. Servicetechniker und Verkäufer unterstützten und betreuten von dort aus Kunden im kompletten russsichsprachigen Raum. "Wir haben in den letzten drei Jahren in der Ukraine schöne Geschäfte realisiert", sagt Pallmann. Russland und die ehemaligen GUS-Länder seien sehr interessant. Die konkreten Auswirkungen der Krise auf den Standort Zweibrücken schätzt Hartmut Pallmann als "überschaubar" ein, da man weltweit agiere. "Wir können ausweichen und die Kräfte in anderen Märkten entfalten."

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