„Selbst ein Segelflieger hätte Pech“

Um 7 Uhr morgens erwacht die umstrittene Terrag-Konditionierungsanlage zum Leben. Dann geht es rund in der „Intelligenz“, der Leitwarte der Anlage am Eingangstor der Mörsbacher Mülldeponie.

Die Leitwarte ist die Schaltzentrale, in der ein Mitarbeiter über Monitore wacht. Einer zeigt vierfach gesplittet die vier Stellen, an denen die Silofahrzeuge genannten Laster andocken, um ihre Tanks über einen Stutzen und einen Schlauch von Staub zu leeren und in die Silos zu blasen. Ein anderer Monitor zeigt viele bunte Bildchen mit Füllständen und Sicherheitshinweisen. Gerade ist Anlagenfahrer Michael Lehner Herr des Prozesses. In der Betonindustrie wäre er wohl so etwas wie der der Mischmeister, denn er entscheidet, welche Stäube in den anliefernden Silofahrzeugen zueinanderpassen und welche vermengt werden. Das richtet sich danach, was der Deponiebetreiber Umwelt- und Servicebetrieb Zweibrücken (UBZ) tagesaktuell für ein Material aus der Anlage braucht. Soll es eher eine feste Masse zum Verfüllen sein? Oder eher eine Flüssige, die schnell aushärtet? Diese kann etwa beim Versiegeln der Big Packs mit Asbestplatten aus Italien zum Einsatz kommen. Lehner, manchmal noch weitere der bis zu vier Terrag-Mitarbeiter vor Ort, haben in der Leitwarte genau im Blick, wie voll die jeweiligen Silos sind, und können entsprechend zuweisen, damit diese nicht zu voll werden.

Um 7.30 Uhr dürfen die ersten Silofahrzeuge an die Konditionierungsanlage rollen, nachdem sie zuvor die Waage des UBZ passiert haben, wo ihre Papiere zum ersten Mal kontrolliert worden sind. In der Terrag-Leitwarte werden die Transportdokumente, ob in den Lastern auch die richtigen Stäube lagern, ein zweites Mal geprüft. Den Sicherheitsbestimmungen der Anlage zufolge müssen die Fahrer dann in Warnwesten schlüpfen, dazu Sicherheitsbrillen und -schuhe sowie Handschuhe tragen. Außerdem müssen sie, ehe sie mit dem Ausleiten des Staubs beginnen, einen zusätzlichen Sicherungsring in der Leitwarte abholen und damit die Schläuche extra sichern, damit diese nicht abreißen und Staub austreten kann. Dann kann es mit dem Beladen losgehen. Der Vorgang dauert meist zwischen einer und anderthalb Stunden, je nach Größe und Füllstand der Laster.

Der staubende Abfall wird in eines der vier je 180 Kubikmeter fassenden Silos eingeblasen. Der Kompressor arbeitet mit 1,5 Bar, weshalb sich der Druck im Gesamtbehälter um wenige Millibar erhöht. Die Luft entweicht daher nach oben. Damit dabei nicht auch zu viel Staub austritt, sind am oberen Rand jedes Silos Standardindustriefilter wie in anderen Verbrennungsanlagen angebracht. Es handelt sich dabei um Kunststoffvlies, das wie eine Filtermatte in Wellen gefaltet ist, um die Oberfläche zu vergrößern. Der Staub setzt sich an den Silorändern ab und wird durch Druckluft regelmäßig weggepustet - jedes Mal, wenn die Silos befüllt werden. Je voller das Silo, desto häufiger.

Deren Kontrolle kann nur durchführen, wer schwindelfrei ist. Denn die Dachebene der Konditionierungsanlage liegt in 36 Metern Höhe. Die letzte Etappe, 15,5 Meter, muss man über eine Leiter mit Rückenschutz erklimmen. Die Terrag-Mitarbeiter wie Anlagenfahrer Michael Lehner kontrollieren hier einmal die Woche die Filter, werfen einen Blick darauf, ob etwa Vögel dort gebaut haben, ob die Filter noch dicht sind. Laut der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) liegt die zulässige Schadstoffkonzentration, die entweichen darf, bei höchstens zehn Milligramm pro Kubikmeter.

Seit zwei Wochen werden von Terrag auch Begehungsberichte angefertigt, die etwa von der Aufsichtsbehörde SGD Süd als zusätzliche Dokumentation eingesehen werden können, sagt Timo Keller, der Betriebsleiter der Konditionierungsanlage. Sollte eine der Silozuleitungen verstopfen - ein entsprechender Gegenstand müsste durch die schmalen Zuleitungsrohre am äußeren Rand der Silos hineingelangen - könnte man von oben einsteigen. Das dürften allerdings nur geschulte und eingewiesene Mitarbeiter, erläutert Keller. Er kümmert sich in der Homburger Terrag-Zentrale normalerweise um Abfallrechtliches, prüft Probenanalysen, Verträge und ist für die Revision zuständig. Zwei- bis dreimal die Woche ist er auch selbst an der Anlage und sichert den ordnungsgemäßen Betrieb. Er checkt, ob Arbeitssicherungsmaßnahmen eingehalten werden, und schult das Personal. Für die Filterkontrolle auf dem Silodach darf er auch selbst unterweisen. Und er dürfte in die Silos klettern. Ein solcher Einsatz sei in seiner zwölfjährigen Dienstzeit aber noch nie nötig geworden, so Keller. Oben auf dem Silo ist auch die Elektronik angebracht, die im Innern dafür sorgt, dass sich die Einsaugautomatik bei einer gewissen Füllhöhe abschaltet. Dann nämlich, wenn nur noch acht bis zehn Kubikmeter Platz im Silo sind, reagiert dieser Vollstandsmelder.

Folgt man dem Weg des eingepumpten Staubs aus dem Silo heraus, steht man bald einige Meter tiefer auf der Silobühne. Sie ist die oberste der drei "Stockwerke" innerhalb der Anlage. In den Raum ragen die Konusse der vier Silos ein. Wenn die herabfallende Staubmasse sich hier verklumpt, können die Silos kurz frei geblasen werden. An den Konussen sind Türen angebracht, durch die man ins Innere blicken kann. Darunter sind die Förderschnecken zu den Waagen.

Eine Etage tiefer wird die Staubmasse aus den vier Silos verwogen. Es gibt hier auf der sogenannten Waagebühne zwei "Linien", heißt: Die Masse aus je zwei der vier Silos kann vermischt werden. Anhand der Messungen, wie dicht das Material ist, wird errechnet, wie viel Wasser zugegeben werden muss, damit das jeweils benötigte Endprodukt - fester oder weniger fest - dabei herauskommt. Wenn wenige Laster zuliefern, steht auch schon mal eine der Linien still.

Auf seiner letzten Etappe nimmt der Staubabfall eine Dusche, dann kommt er in eine Art Fleischwolf. Hier, etwa zehn Meter über dem Erdboden ist das Herzstück der Terragschen Konditionierungsanlage auf der Mülldeponie Rechenbachtal. Die Mischerbühne ist die finale Station, ehe der Staub durch eine von beiden Seiten abgestrahlte Wasserwand fällt und danach von einem Paddel, das an einen Riesen-Fleischwolf erinnert, vermengt und verdichtet wird. Schaltet man die Maschine ab, öffnet die Abdeckung und greift sich eine Handvoll der Masse, kann man daraus bequem einen Ballen formen. Einen halben Meter weiter links, am Ende des "Fleischwolfs" fällt die Masse nach unten - geradewegs auf die UBZ-Transportlaster, die diesen konditionierten Staub dann je nach kurzeitigem Bedarf auf der Mülldeponie ablagern. "Was dabei möglicherweise als Staub wahrgenommen wird, ist eine Dampfentwicklung", erläutert Terrag-Geschäftsführer Gerhard Scherer. Wenn man zum Beispiel Brandkalk mit Wasser anfeuchte, werde dieser warm, dann entstünde bei entsprechenden Temperaturunterschieden Wasserdampf. Stauben könne die angefeuchtete Mörtelmasse allerdings nicht mehr.

Mehrfach täglich kehrt und feuchtet der UBZ Flächen unterhalb der Einfüllung an. 20 bis 25 Laster dürften täglich ihre Fracht abladen, derzeit kämen etwa 15 bis 20, schildert Keller. In längstens anderthalb Stunden seien sie leergepumpt. Von 7 bis 16 Uhr ist die Konditionierungsanlage in Betrieb, von 6.30 Uhr bis 17.30 Uhr dürfte sie laufen. Die letzten Laster docken aber bereits gegen 14.30 Uhr an.

Wo sind nun Schwachpunkte der Anlage? Keller überlegt. Ausschließen könne man nicht, dass die Lasterfahrer trotz der peniblen Sicherheitsanweisungen Fehler machen. Oder dass die Gummischläuche der Laster an der Stelle, an der der Staub herausgeblasen wird, mit der Zeit undicht werden. Sollte hier Staub austreten, liegt Schutzfolie bereit, um diesen gleich abzudecken, außerdem könnte er gleich mit Wasser befeuchtet und so gebunden werden. Mit einer Kehrmaschine würde der Bereich dann unter Hochdruck gereinigt. Laut Keller sind auch "Verschleiß oder Undichtigkeit einer Füllleitung denkbar": Aber in den nächsten fünf Jahren erwarten wir da keine Probleme. Betriebsrelevante Störungen habe es noch keine gegeben, sagt Keller, träten solche ein, wären Terrag-Notfallteams schnell vor Ort. "Im Silo selbst ist alles verschweißt, da kann nichts passieren", entgegnet er auf die Frage nach Gefahrenquellen im Innern der Konditionierungsanlage. "Selbst ein Segelflieger hätte Pech, wenn er in die Anlage fliegt", macht der Presseverantwortliche Hubert Immesberger die Stabilität der Silos deutlich. Die Silowand sei fünf, sechs Millimeter dick. Es sei eine der größten Anlagen ihrer Art in Südwestdeutschland und überdies eine der modernsten, ergänzt Keller.

 Die Laster docken (rechts) an der Konditionierungsanlage an, links zu sehen der Transporter, in den die vermengte, angefeuchtete Staubmasse fällt. Fotos: Eric Kolling

Die Laster docken (rechts) an der Konditionierungsanlage an, links zu sehen der Transporter, in den die vermengte, angefeuchtete Staubmasse fällt. Fotos: Eric Kolling

 Auf solchen Transportern wird die verarbeitete Mörtelmasse, teilweise nass wie links oben zu sehen – auf der Mülldeponie verarbeitet oder abgelagert.

Auf solchen Transportern wird die verarbeitete Mörtelmasse, teilweise nass wie links oben zu sehen – auf der Mülldeponie verarbeitet oder abgelagert.

 Betriebsleiter Timo Keller zeigt einer der Anschlüsse, wo die Rohre der Laster in die Anlage münden.

Betriebsleiter Timo Keller zeigt einer der Anschlüsse, wo die Rohre der Laster in die Anlage münden.

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Zur SacheDie Terrag-Gruppe beschäftigt 95 Mitarbeiter (Stand: 2012) und hat ihren Sitz in Homburg. Anteilseigner an Terrag sind jeweils zur Hälfte die A.W. GmbH St. Wendel und die Geiger-Gruppe Oberstdorf. Zur Terrag-Gruppe gehören Arge BSA Lahr Bodensanierungsanlage, Oekolux S.à.r.l., Terrag France Sas und Bowesa, Boden- und Wertstoffrecylcing Saar GmbH. Zu den Tätigkeitsschwerpunkten von Terrag zählen die Behandlung von kontaminierten Böden und kommunalen Abfällen, Planung, Neubau und Betrieb von Deponien, die Konditionierung von Stäuben, die Rekultivierung und Sanierung von Altlasten, der Abbau von Ton und die Herstellung von Untertagebaustoffen. Auch Rückbau, Logistik, Erdbau zählen zu den Geschäftsbereichen. Das Vertriebsgebiet von Terrag umfasst im Wesentlichen den Saar-Lor-Lux-Raum, Elsass und Teile von Rheinland-Pfalz. Terrag verarbeitet in der Konditionierungs- beziehungsweise Baustoffmischanlage auf der Mörsbacher Mülldeponie Stäube aus Kohlekraftwerken oder Papierfabriken sowie Aschen aus der Klärschlammverbrennung oder Biomassekraftwerken. ek

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