Prozess gegen Ex-Kassierer von VR-Bank „Das Vier-Augen-Prinzip wurde ausgehebelt“

Pirmasens · Vor dem Amtsgericht Pirmasens ist am Donnerstag der Prozess gegen zwei einstige Mitarbeiter der VR-Bank Südwestpfalz Pirmasens-Zweibrücken weitergegangen, die das Kreditinstitut über 16 Jahre hinweg um gut 1,1 Millionen Euro erleichtert haben.

 Rund 1,1 Millionen Euro haben die beiden Täter über einen langen Zeitraum hinweg unterschlagen.

Rund 1,1 Millionen Euro haben die beiden Täter über einen langen Zeitraum hinweg unterschlagen.

Foto: dpa/Silas Stein

Hätten die vielen Unterschlagungen in der VR-Bank Südwestpfalz Pirmasens-Zweibrücken nicht schon viel früher auffallen können, ja müssen? Zwei Kassierer hatten das Geldinstitut über 16 Jahre hinweg um einen Millionenbetrag erleichtert. Ein heute 69-jähriger Hauptkassierer hatte kurz vor seinem Rentenantritt einem Bankvorstand am 26. Februar 2018 telefonisch gebeichtet, über einen langen Zeitraum hinweg gemeinsam mit einem heute 71-jährigen Kollegen sage und schreibe 1 139 000 Euro unterschlagen zu haben.

Deshalb müssen sich die beiden Männer, die inzwischen im Ruhestand sind, seit vergangenem Donnerstag vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Pirmasens verantworten. Zum Prozessauftakt hatte Oberstaatsanwältin Kristine Goldmann den beiden ehemaligen Bankangestellten gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug vorgeworfen. Demnach sollen sie zwischen 2002 und 2018 insgesamt 1,139 Millionen Euro der Kasse „entnommen“ und den Fehlbetrag unter anderem mit Hilfe von fingierten Geldtransfers über ein Zwischenkonto verschleiert haben. So sei der Eindruck entstanden, die Beträge seien noch in der Kasse der Bank. Als ein jüngerer Kassierer eingestellt wurde, um den älteren, der kurz vor der Rente stand, zu ersetzen und der Schwindel im Zuge der Kassenübernahme aufzufliegen drohte, offenbarte sich der Angestellte. Sein Komplize war zu diesem Zeitpunkt bereits im Ruhestand.

Begünstigt wurden diese Betrügereien offenbar durch „Versäumnisse“ innerhalb der Bank, wie am Donnerstag ein Mitarbeiter des Genossenschaftsverbandes, einer Prüf- und Beratungsgesellschaft, im Zeugenstand sagte. Zwar könne auch er nicht sagen, wo die 1,1 Millionen Euro geblieben sind, jedoch habe er bei der Prüfung des Vorfalls herausgefunden, dass sich die beiden Kassierer ab und an größere Geldbeträge auf ihre Girokonten bei der eigenen Bank überwiesen hatten – in einem Fall 85 000 Euro auf das Konto des heute 71-Jährigen, in einem anderen 350 000 Euro auf das Konto des heute 69-Jährigen. Auch auf Konten von „Drittbanken“ sei Geld geflossen. Wo dieses Geld und der große Rest heute seien, habe er nicht herausfinden können: „1,1 Millionen sind fort.“

Zudem habe den beiden Betrügern in die Tasche gespielt, dass sie sich jahrelang gegenseitig als Kassierer vertreten und zusammengearbeitet hatten: „Das Vier-Augen-Prinzip wurde dadurch ausgehebelt“, stellte der 56-jährige Finanzprüfer fest. Zudem sei es mehrfach vorgekommen, dass sich die beiden Kassierer für die vorgeschriebenen Kassenaufnahmen ihre Mitkontrolleure selbst aussuchten und auf der Basis der von ihnen selbst vorab ausgefüllten Kontrollformularen durchführten. Kassenfehlbeträge seien auch deshalb nicht aufgefallen, weil beim Zählen zum Beispiel Geldbündel aus dem Tresor nicht einzeln in die Hand genommen, sondern sozusagen aus der Ferne addiert wurden. „Es war eine reine Sichtkontrolle bei geöffnetem Tresor“, berichtete der Finanzprüfer. „Damit wird es relativ leicht, einen größeren Geldbetrag zu verstecken.“ Für solche „Sichtkontrollen“ seien von den Kassierern auch Auszubildende herangezogen worden, von denen kein Widerspruch zu erwarten war: „Es wurde offenbar nicht alles nachgefragt.“ Der 56-Jährige weiter: „Die Azubis hätten das eigentlich gar nicht machen dürfen. Man hat sich das schwächste Glied herausgesucht.“ Er könne auch nicht mit Sicherheit sagen, ob die Kassenkontrollen der Innenrevision der Bank tatsächlich, wie vorgeschrieben, unangekündigt erfolgt seien, so der Prüfer auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters Alexander Kolb. Aber er gehe schon davon aus, meinte der 56-Jährige vorsichtig: „Alles andere würde ja keinen Sinn machen.“

Sicher sei für ihn nur: Die beiden Männer „hatten ihre Finger in der Kasse drin“. Sie hätten großes Vertrauen genossen, obwohl es mit ihnen „immer schon Probleme“ gegeben habe. „Es ist nicht ganz astrein zugegangen.“

Die beiden Angeklagten hatten bei ersten Befragungen unmittelbar nach ihrer Beichte angegeben, das Geld einem Werttransport-Unternehmer gegeben zu haben, der finanzielle Probleme gehabt haben soll. Von ihm wollen sie für das vermeintliche Darlehen als „Sicherheiten“ mehrere Checks erhalten haben, die sich jedoch zu ihrem Leidwesen später als ungedeckt erwiesen hätten.

Diesen Werttransport-Unternehmer will das Gericht demnächst anhören. Vielleicht hat er ja eine Idee, wo die 1,1 Millionen Euro geblieben sein könnten.

Noch zwei weitere Verhandlungstermine sind angesetzt: 24. September und 8. Oktober, jeweils um 9 Uhr.

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