Bernhard Bonkhoff äußert sich Nazi-Glocken: Sachverständige in der Kritik

Großbundenbach/Speyer/Beeden · Sie weist Vorwürfe zurück, sie kenne Fachliteratur zum Thema nicht. Experte Bernhard Bonkhoff plädiert für bundesweite Vorgaben.

 Die umstrittene Glocke in Herxheim am Berg.

Die umstrittene Glocke in Herxheim am Berg.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Die Debatte über Kirchenglocken mit Inschriften aus der Nazi-Zeit geht weiter. Seit Mai ist bekannt, dass eine Glocke mit NS-Insignien in Herxheim am Berg hängt. Die Evangelische Kirche der Pfalz hatte über Monate darauf verwiesen, dass sie prüfe, wo weitere solcher Glocken angebracht sind. Letzte Woche nun die Auflösung: im südpfälzischen Essingen, in Mehlingen bei Kaiserslautern, im saarländischen Homburg-Beeden (dort steht „Gegossen im Jahr der Saarbefreiung“) sowie in Pirmasens-Winzeln. Fünf weitere sind in den Augen der Kirche nicht ideologisch durch Inschriften belastet. Während die Kirchen den betroffenen Gemeinden Geld für Ersatzglocken anbietet, 150 000 Euro aus einem speziellen „Glockenfonds“, verlagert sich die Kritik in Richtung der kirchlichen Informationspolitik.

Vor allem die Glockensachverständige Birgit Müller war in die Kritik geraten, nachdem sie in der Ludwigshafener „Rheinpfalz“ eingeräumt hatte, im Sommer bewusst weitere NS-Glocken verschwiegen zu haben, um die betroffenen Gemeinden zu schützen. Bernhard Bonkhoff, der frühere Pfarrer von Großbundenbach und Mörsbach, hält gegenüber dem Merkur auch für möglich, dass Müller schlicht schlecht informiert war. Er selbst, ein ausgewiesener Glockenexperte, hatte in den letzten Jahrzehnten mehrere Bücher über die Glocken in der Pfalz publiziert und auf die Nazi-Glocken hingewiesen.

Dass sie Bonkhoffs Bücher nicht gekannt hat, ließ Müller gestern auf Merkur-Anfrage von Kirchensprecher Wolfgang Schumacher zurückweisen. „Dennoch gehört es zur seriösen Recherche, dass weitere Quellen hinzugezogen beziehungsweise miteinander verglichen werden“, hieß es weiter. Persönlich äußern wollte sie sich zu den Nazi-Glocken nicht.

Nach einem Gespräch mit Müller teilte Oberkirchenrat Michael Gärtner mit, dass die Landeskirche „mit der Arbeit von Frau Müller, zu der die Beratung über neu anzuschaffende und vorhandene Glocken, das technische und bauliche Umfeld oder auch die Turmuhr gehören, zufrieden“ sei. Weiter hieß es: „In den aktuell diskutierten Fällen hat Frau Müller sorgfältig gearbeitet. Das heißt, sie hat alle ihr zur Verfügung stehenden Akten und Publikationen gesichtet und verglichen. Zudem hat sie drei Kirchtürme (Essingen, Herxheim am Berg, Mehlingen) vor Ort in Augenschein genommen.“

Wie sinnvoll wäre es, „belastete“ Glocken abzuhängen oder gar ins Museum zu stellen? Kirchensprecher Schumacher räumt ein: „Es bleibt die Erfahrung, dass es Menschen gibt, für die es unerträglich ist zu wissen, was für eine Glocke im Kirchturm läutet.“ Auch mit Rücksicht auf diese habe die Kirche empfohlen, die Glocken zu ersetzen.

Bonkhoff plädiert für eine Entscheidung von Fall zu Fall. Bei kleinen Inschriften etwa am oberen Rand sei sogar ein Wegschleifen theoretisch denkbar, wäre aber nicht statthaft, weil man damit zeitgeschichtliche Dokumente zerstören würde. Die Glocken in Mehlingen und Herxheim am Berg etwa seien relativ klein, jeweils etwa 270 Kilogramm, 72 bis 75 Zentimeter im Durchmesser. Die in Homburg-Beeden indes sei 810 Kilo schwer und habe einen Durchmesser von 1,08 Meter (Freiheit gegossen im Jahr der Saarbefreieung 1935“). Die Kosten für einen Neuguss wären natürlich entsprechend höher. Zwar reiche in seinen Augen der Glockenfonds für Neuanschaffungen aus – doch es sei überraschend, dass die Kirche ihn eingerichtet habe. In der Nachkriegszeit etwa hätten Kollekten bei Glockenweihen nicht für die Glocken, sondern nur für soziale Projekte benutzt werden dürfen. Die Herstellungskosten hätten Stifter oder die Kirchengemeinden, nicht die Landeskirche tragen müssen. „Der Beratungsausschuss für das deutsche Glockenwesen sollte eine Richtlinie erstellen“, schlägt Bonkhoff vor. Denn das Problem von Glocken mit NS-Insignien bestehe deutschlandweit. Damals habe es 15 bis 20 Gießereien gegeben, die vor dem Glockengießverbot 1939 mutmaßlich Tausende Glocken gegossen hatten. Die Kirche könne ohnehin nicht ihre Geschichte frisieren – beim Bau von Kirchengebäuden sei nicht zuletzt in Homburg-Beeden braunes Geld im Spiel gewesen.

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