Interview mit Landrätin Susanne Ganster „Amazon – eine einmalige Chance für die Region“

Südwestpfalz · Landrätin Susanne Ganster hat viele Zukunftspläne für eine positive Entwicklung des Landkreises im nächsten Jahr.

 Die Landrätin sieht die auf dem Steitzhof-Gelände geplante Ansiedlung von Amazon in erster Linie positiv.

Die Landrätin sieht die auf dem Steitzhof-Gelände geplante Ansiedlung von Amazon in erster Linie positiv.

Foto: Norbert Schwarz

Das Internet noch schneller machen, mehr für den Klimaschutz investieren und sich gehen den Ärztemangel stemmen: Südwestpfalz-Landrätin Susanne Ganster (CDU) hat sich für 2022 viel vorgenommen, offenbarte sie Interview zum Jahreswechsel.

Der Landkreis will am Ball bleiben, wenn es um schnelles Internet geht. Wo steht er nach dem Jahr 2021 – und was ist im neuen Jahr an Verbesserungen geplant?

Ganster Der Landkreis hat in der Westpfalz eine Spitzenposition, wenn es um die Versorgung mit schnellem Internet geht – 95 Prozent des Kreisgebietes sind mit einer Bandbreite von 30 Megabit und mehr ausgestattet. Aber wir wollen noch mehr und arbeiten aktuell an drei Projekten:

Da ist einmal die Versorgung sogenannter weißer Flecken, also von Standorten, an denen es weniger als 30 Megabit Bandbreite gibt. Anfang nächsten Jahres wollen wir zudem einen Vertrag abschließen, um 19 Grundschulen im Landkreis mit schnellerem Internet zu versorgen. Wenn dieses Projekt abgeschlossen ist, dann haben alle Schulen im Kreisgebiet eine Internetversorgung mit einer Bandbreite von einem Gigabit. Und schließlich arbeiten wir in einer dritten Maßnahme an einer besseren Internetversorgung von 14 kleineren Gewerbegebieten in Ortslagen.

Aber damit nicht genug: Wir bereiten auch ein großes Breitbandprojekt vor, das ein Volumen von bis zu 30 Millionen Euro haben kann. Wir haben rund 1 000 Adressen im Landkreis in Außengebieten gesammelt, etwa von Vereinsheimen oder Pfälzerwaldhütten, die wir mit schnellem Internet versorgen wollen. Denn dort spielt sich die Freizeit der Kreisbürger ab – und da gehört eine zeitgemäße Internetversorgung heute dazu.

Aber es tut sich auch außerhalb unserer eigenen Projekte etwas, denn immer wieder gibt es in einzelnen Ortsgemeinden auch privatwirtschaftliche Internetprojekte. Allerdings müssen wir da aufpassen, dass diese Vorhaben auch wegen der Förderbedingungen nicht unsere eigenen Maßnahmen konterkarieren – dafür haben wir eigens eine Rechtskanzlei eingeschaltet.

Hochwasserschutz ist spätestens seit der Flutkatastrophe im Ahrtal in aller Munde – seit Jahren geht es vor allem im Hornbachtal um ein Hochwasserkonzept, aber auch für andere Täler im Landkreis muss vorgesorgt werden – wie sieht es damit aus?

Ganster Zunächst einmal muss ich darauf aufmerksam machen, dass zwischen Hochwasser und Starkregenereignissen, wie sie im Ahrtal die Flutkatastrophe ausgelöst haben, unterschieden werden muss – das sind zwei Paar Schuhe.

Bleiben wir zunächst beim Hochwasser: Im Landkreis haben wir nur zwei echte Hochwassergebiete, das Hornbach- und das Schwarzbachtal, ein wenig ist auch das Rodalbtal noch betroffen. Seit zehn Jahren arbeiten wir nun schon an einem Hochwasserschutzkonzept für das Hornbachtal, 2022 soll nun das Plangenehmigungsverfahren zu einem Ergebnis führen – das ist für uns wirklich dringend. Seit 2011 musste mehrmals umgeplant werden aufgrund von Einwendungen.

Seit diesem Sommer sind aber auch die Starkregenereignisse in unseren Köpfen. Wir müssen die Bürger sensibilisieren, dass auch im Landkreis nicht nur in Tallagen solche Katastrophensituationen auf uns zukommen können. Die Gefahrenabwehr solcher Katastrophen liegt bei den Verbandsgemeinden – alle sieben haben Schutzkonzepte dagegen auf den Weg gebracht.

Wobei das Thema Klimaschutz erreicht ist: Sie haben angekündigt, nochmal verstärkt auf Sonnenstrom zu setzen. Was lässt sich da im Landkreis noch machen?

Ganster Bleiben wir zunächst beim Solarstrom: Gemeinsam mit der Kreisenergiegesellschaft haben wir im zu Ende gehenden Jahr genau geprüft, auf welchen kreiseigenen Gebäuden wir zusätzliche Photovoltaikanlagen installieren können. Als Ergebnis haben sich vier Schulgebäude herauskristallisiert, auf denen sich ein Betrieb von Solaranlagen wirtschaftlich rechnet: die Integrierten Gesamtschulen (IGS) in Contwig und Thaleischweiler-Fröschen, sowie die Realschulen plus in Rodalben und Vinningen. Für diese vier Standorte holen wir nun Angebote ein.

Aber auch für neue Freiflächen-Solaranlagen haben wir einen Vorstoß unternommen und viele Brachflächen im Landkreis überprüft. Herausgestellt hat sich, dass wir konkret Photovoltaikprojekte auf alten Bauschuttdeponien wie in Donsieders errichten können. Mit schwebt aber auch die Konversionsfläche auf dem „Langen Kopf“ bei Leimen als möglicher Photovoltaikstandort vor.

Gestartet wurde in der jüngsten Vergangenheit auch die Suche nach neuen Gewerbegebieten, für die Biebermühle sogar ein Zweckverband gegründet – da ist auch recht wenig zu hören. Stocken diese Projekte – oder entwickeln sie sich außerhalb der Öffentlichkeit?

Ganster Zunächst konkret zu dem Projekt auf der Biebermühle: Der Landkreis hat dafür seine Hausaufgaben gemacht, das muss ich betonen. Wir haben mit unseren Partnern – den Verbandsgemeinden Rodalben und Thaleischweiler-Fröschen – eine Zweckverbandssatzung entworfen und uns auch das Okay der Aufsichtsbehörden geholt. Jetzt warten wir schon seit Monaten darauf, dass die politischen Gremien in den Verbandsgemeinden die notwendigen Entscheidungen treffen, um den Zweckverband zu bilden und die Arbeit aufnehmen zu können.

Auch wenn auf die gesamte Südwestpfalz geblickt wird, haben wir Fortschritte gemacht, die aber nur noch nicht öffentlich kommuniziert wurden. Und das hat seinen Grund: Die gemeinsam mit den Städten Pirmasens und Zweibrücken in Auftrag gegebene Studie für den Bedarf und potenzielle Standorte für Gewerbegebiete in der Region liegt seit Herbst vor, allerdings fiel ihre Fertigstellung genau in die heiße Phase der Entscheidungen zur Amazon-Ansiedlung auf dem Steitzhof. Weil aber die Vermarktung dieser riesigen Fläche sich auch auf die Studienergebnisse ausgewirkt hat, haben wir zunächst gewartet, bis der Verkauf des Amazon-Geländes über die Bühne gegangen ist – inzwischen ist er notariell besiegelt. Das hat aber zur Konsequenz, dass wir jetzt die Studie über den Gewerbeflächenbedarf noch einmal anpassen müssen und erst im neuen Jahr präsentieren. Danach müssen wir mit dem Land ins Gespräch kommen über eine finanzielle Unterstützung der Gewerbeflächenerschließung.

Was zur Frage führt: Die geplante Amazon-Ansiedlung auf dem Steitzhof hat zu Widerstand geführt, es gibt aber auch Fürsprecher. Wie stehen Sie zu diesem Projekt?

Ganster Wir haben diese große Fläche auf dem Steitzhof an der Autobahn 8 seit mehr als zehn Jahren nicht vermarktet bekommen, und nun ist der Immobilieninvestor Scanell gekommen und hat das komplette Gelände für die Amazon-Ansiedlung gekauft, um es auf eigene Kosten zu entwickeln. Für mich ist das eine einmalige Chance für die Region, gerade auch für viele Bürger, wenn es um Arbeitsplätze geht, aber auch wirtschaftlich für die Südwestpfalz insgesamt. Zwar verstehe ich auch gewisse Bedenken, aber ich will auch klar sagen: Wir haben hier ein erschlossenes Industriegebiet, auf dem wir alle Vorhaben nach geltendem Recht und Gesetz genehmigen werden, unabhängig wer sich ansiedelt.

Und nun noch ein Thema, an dem aktuell niemand in der Region vorbeikommt: Der Ärztemangel hinterlässt unübersehbar seine Spuren – wie soll es im Landkreis weitergehen? Sind Medizinische Versorgungszentren in größeren zentralen Ortsgemeinden eine Lösung?

Ganster Wir sehen im Landkreis eine Entwicklung, wenn es um die niedergelassenen Ärzte geht, die mich stark an die Versorgung der Landkreisbürger mit Lebensmitteln erinnert, an das Sterben der kleinen Tante-Emma-Läden, an die Konzentration auf größere Märkte, und an die Rückkehr einzelner kleiner Dorfgeschäfte. Warum ich diesen Vergleich ziehe?

Ich sehe da gewisse Parallelen: Die kleine Einzelpraxis von Medizinern auf dem Dorf entspricht nicht mehr der Lebenswirklichkeit von jüngeren Ärzten. Mit einem Blick auf den Landkreis ist ja zu sehen, dass es immer mehr Großpraxen oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit mehreren Ärzten gibt. Insofern stellt sich das System der medizinischen Versorgung in der Region ja schon von selbst um.

Die Rolle der Politik, gerade der regionalen Politik, ist schwierig: Natürlich müssen wir eingreifen, wenn das System nicht mehr funktioniert und sich verändert, das sind wir unseren Bürgern schuldig. Aber wir können nur steuernd aktiv werden – ich nenne da einmal die Bemühungen der Verbandsgemeinde Dahner Felsenland, die Voraussetzungen für ein zentrales Ärztehaus zu schaffen.

Aber auch andere flankierende Maßnahmen beginnen zu greifen, etwa die Verbundausbildung mit dem Pirmasenser Krankenhaus zusammen oder das Mentorenprogramm für junge Mediziner, an dem sich immer mehr Ärzte aus der Region beteiligen. Und auch unsere Bemühungen über „Hallo Doc“ fruchten, es gab schon erste Kontaktaufnahmen, auch planen wir einen Jungärztetag. Aber egal, was wir auch machen, wir haben ja bundesweit überall die gleiche Situation: Es fehlt grundsätzlich an genügend Arztnachwuchs.

Unter der Corona-Pandemie leidet auch der Tourismus in der Südwestpfalz – inzwischen ja ein wichtiges wirtschaftliches Standbein. Gleichzeitig ist es ruhig geworden im Landkreis um die Fremdenverkehrsbemühung: Stagniert der Tourismus? Noch immer gibt es keine Nachfolge bei der Besetzung des Geschäftsführers der Südwestpfalz-Touristik. Wie ist hier der aktuelle Stand?

 Susanne Ganster

Susanne Ganster

Foto: Landkreis

Ganster Ich kann nicht bestätigen, dass die Branche pauschal „leidet“, denn gerade aus den Sommermonaten habe ich auch Rückmeldungen von Tourismusanbietern aus der Region, dass sie gut gebucht wurden – da spielt der Trend zum Urlaub in Deutschland eine Rolle.

Aber wir müssen grundsätzlich etwas unternehmen, denn es braucht für die Zukunft eine neue Struktur im Südwestpfalz-Tourismus, wir müssen uns neue Schwerpunkte setzen, auch im Marketing. Denn eine der ersten Rückmeldungen der „Analyse von außen“ des Kreisentwicklungskonzepts war, dass wir noch zu viele Printprodukte für unsere Werbung haben. Allerdings: Gerade in Corona-Zeiten waren Druckbroschüren stärker gefragt, daher geht mein Gedanke dahin, nicht die Printwerbung an sich in Frage zu stellen, sondern die Zahl der Broschüren. Aber wir müssen gleichzeitig auch schauen, wie wir als Südwestpfalz-Touristik in die neuen Tourismus-Überlegungen des Landes passen. Und schließlich wollen wir gleich zu Jahresbeginn auch den Geschäftsführerposten neu besetzen. 

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort