Landesverein setzt jetzt auf Tiefkühlessen

Zweibrücken/Bad Dürkheim · Wer im Wichernhaus, Haus Bickenalb oder dem Evangelischen Krankenhaus zu Mittag isst, bekommt seit dem 1. April Neues auf den Tisch: Der LVIM serviert in seinen elf Einrichtungen jetzt gefrorenes Essen, das erst kurz vorm Servieren fertig gegart wird.

 So sehen die Menüs aus, die in den LVIM-Krankenhäusern jetzt aus den sogenannten Regenerationswagen auf den Tisch kommen. Die Komponenten sind – außer etwa bei Eintöpfen oder wie hier vorne Pfannkuchen – recht flexibel austauschbar. Falls jemand beispielsweise lieber Püree als Bratkartoffeln oder lieber eine Roulade anstatt eines Schnitzels möchte. Fotos: LVIM

So sehen die Menüs aus, die in den LVIM-Krankenhäusern jetzt aus den sogenannten Regenerationswagen auf den Tisch kommen. Die Komponenten sind – außer etwa bei Eintöpfen oder wie hier vorne Pfannkuchen – recht flexibel austauschbar. Falls jemand beispielsweise lieber Püree als Bratkartoffeln oder lieber eine Roulade anstatt eines Schnitzels möchte. Fotos: LVIM

Seit Anfang April erhalten die Bewohner des Evangelischen Krankenhauses Zweibrücken und der beiden Altenheime ihr Essen aus Produktionsanlagen in Rheine. Aus Kochtöpfen also, in die 2000 Liter passen. Die Firma Apetito (siehe "Stichwort") ist der neue Zulieferer für den Landesverein für Innere Mission in der Pfalz (LVIM).

Bei Apetito bereiten das Essen rund 450 Leute, darunter etwa 80 Köche und 27 Metzger, aus Rohwaren nur fast fertig zu, dann wandert es in die Gefriertruhe. Erbsen, Bratkartoffeln, Gulasch oder Rouladen, werden gewürzt, portioniert und können aus der LVIM-Zentrale in Bad Dürkheim geordert werden. Die Menüs werden im Zweibrücker und Bad Dürkheimer Krankenhaus in einem sogenannten Regenerationswagen erst vor dem Servieren etwa eine Stunde auf 65 Grad zu Ende gegart. In den Altenheimen und Cafeterien wird das Essen in Dampfgarern erwärmt, in Wärmewagen auf die Stationen gebracht und individuell portioniert. Vorher habe der LVIM in seiner Großküche in Bad Dürkheim das Essen komplett fertig gekocht, dann im Kühlschrank gelagert, in seine Einrichtungen ausgefahren und nach längstens drei Tagen nochmal gewärmt. Dieses "Cook and chill"-Verfahren (siehe "Hintergrund") sei nicht mehr das Non-Plus-Ultra, sagte LVIM-Vorstandssprecher Rainer Wettreck bei einer Sechs-Wochen-Bilanz des neuen Konzepts in Bad Dürkheim.

Das nun gewählte "Cook and Freeze"-Verfahren bringe viele Vorteile. Nicht nur, dass man vor Ort auf Allergiker und deren Vorlieben - nicht jeder mag etwa Spinat - reagieren könne. Schließlich habe man früher nur die Wahl gehabt, den Spinat abzubestellen. Nun gibt es etwa Rot- oder Blumenkohl als schnelle Gemüsealternative. Dadurch, dass man einmal Kühlen und nochmal Erhitzen spare, blieben mehr Vitamine erhalten, es schmecke auch besser, findet Wettreck. Apetito garantiere den Verzicht auf Geschmacksverstärker, Farb- und Konservierungsstoffe. Derzeit sei man in der Feinabstimmung, sagt Michael Bender, beim LVIM Chef der neuen Service- und Dienstleistungsgesellschaft (SDG, siehe Inforaute am Ende des Textes). Bender: "Wir sind in der Phase, wo wir schauen, ob etwa Wein- oder Rahmsauerkraut besser geht."

Die ersten Rückmeldungen von Befragten - auch in den Kantinen wird das neue Essen ausgegeben - seien durchweg positiv, es habe viel Lob gegeben, so Bender weiter. Vergleichen könne man die Ergebnisse mit denen von zuvor durchgeführten, internen Befragungen der Patienten oder speziellen Fragezetteln, die auf die Essenstabletts gelegt worden seien. Auch habe ein externes Institut in den vergangenen Jahren zweimal Patienten und ihre Angehörigen um ihr Urteil zur Speisequalität gebeten. Die Noten: zwischen 2,5 und 3. "Die Versorgung war vorher nicht schlecht, aber auch nicht sehr gut", kommentiert Wettreck dieses Ergebnis und sagt zu den Folgen: "Das hat uns nicht ausgereicht". Daher habe man das Konzept nun geändert. Das nunmehr gefrorene Essen lasse nun auch Abweichungen vom zentralen Speiseplan zu: Was in den einzelnen Einrichtungen serviert wird, kann flexibler zusammengestellt werden.

In den Krankenhäusern würden die Krankenschwestern täglich die Patienten mit einem Computer besuchen und den Essenswunsch digital übermitteln, so könnten auch Sonderwünsche oder Allergien berücksichtigt werden, erläutert Bender. In den Altenheimen geschehe dies einmal die Woche.

Jedes Menü besteht aus Suppe, Hauptspeise mit Fleisch oder Fisch, Beilage und Gemüse oder Salat sowie einem Dessert.

Einen Vorteil gebe es auch bei passiertem Essen. Wettreck: "Wenn das nur noch ein Brei ist, der mal eher nach Fisch und mal eher nach Gemüse schmeckt, kann es entwürdigend sein." Mit der neuen Lösung sei der Geschmack besser. Auch forme Apetito passiertes Essen passend. Passierter Lachs findet man auf dem Teller etwa in Fischform. Wer unter Mangelernährung, Kau- oder Schluckbeschwerden leidet, erhält laut LVIM jetzt spezielle Suppen, es gebe auch weniger gesalzene Menüs und Aufbaukost.

Durch das neue Verfahren müsse auch weniger Essen weggeschmissen werden. Wanderten vorher bis zu 20 Prozent der übriggebliebenen Mahlzeiten in den Müll, seien es jetzt nur noch etwa fünf Prozent, betont Bender. Dass die Essensumstellung nicht hauptsächlich aus Spargründen erfolgt sei, betont Rainer Wettreck auf Merkur-Nachfrage klar. Allerdings gebe es auch eine wirtschaftliche Komponente. Infolge der Umstellung müsse man nun nicht in Großküchen in Zweibrücken und/oder Bad Dürkheim investieren. Zur Höhe möglicher Einsparungen könne man jetzt noch nicht sagen. Wettreck: "Das geht erst im Prozess."

Im Zuge der Essensumstellung würden im zentralen Bereich Produktion in Bad Dürkheim von 20 Leuten, darunter auch Essens-Ausfahrern, fünf nicht mehr gebraucht. Das habe auch damit zu tun, dass man nun 500 externe Essen an Schulen, Kindergärten und im Rahmen des Dienstes "Essen auf Rädern" nicht mehr liefere. "Die Fünf wären unter Niveau beschäftigt gewesen, die Trennung geschah schiedlich-friedlich", sagte Wettreck und ergänzte, dass die Betroffenen teilweise schon neue Jobs hätten. In Zweibrücken sei der Vertrag eines Kochs ausgelaufen, die Stelle nicht wiederbesetzt worden, ergänzte Bender. Der Aufwand für die Küchenteams steige hier nicht, Frühstück und Abendessen müssten nach wie vor angerichtet, beim Mittagessen die Salate frisch gemacht werden, ebenso Zwischenmahlzeiten, so Bender.

Der Landesverein für Innere Mission (LVIM) hat zum 1. April 2014 eine Service- und Dienstleistungsgesellschaft (SDG) gegründet. Deren Aufgabe besteht laut Geschäftsführer Michael Bender darin, all diejenigen Mitarbeiter unter ein Dach zu bringen, die bisher in kleinen Teams in den elf LVIM-Einrichtungen im Hausservice, Reinigung, Speiseversorgung und Hauswirtschaft direkt den Einrichtungs- oder Krankenhausleitungen unterstellt waren. Die 400 Mitarbeiter würden gezielter geschult, seien flexibler einsetzbar, die Qualität so gleichbleibender. So könne ein Küchenmitarbeiter beispielsweise leichter in der Wäscherei eingesetzt werden, wenn Not am Mann ist. Bender selbst begann beim LVIM vor 20 Jahren als Krankenpfleger, arbeitete zuletzt zehn Jahre lang als Qualitätsmanager beim LVIM.

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HintergrundMan unterscheidet in der Essensbelieferung drei Varianten. Zunächst das "Cook and serve" (Kochen und Servieren): Im Restaurant etwa wird das Essen frisch gekocht und gleich serviert - so funktioniert es überall dort, wo eine voll ausgestattete Küche besteht. Täglich oder mehrfach die Woche müssen die frischen Zutaten angeliefert werden. Dann gibt es das "Cook and chill" (Kochen und Kühlen)-Verfahren, das der LVIM seit 2002 anwand. Hier wird in einer zentralen Küche nach einem bestimmten Speiseplan gekocht, das Essen gekühlt und binnen vier Tagen von einer kleinen Logistik-Truppe in die Einrichtungen gefahren. Das nun gewählte Verfahren heißt "Cook and freeze" (Kochen und Gefrieren). Hier wird aus Rohwaren gekocht, etwa aus einer Schweinehälfte Schnitzel geschnitten und paniert. Noch ehe das Essen fertig ist, wird es eingefroren. Es hält dann etwa ein Jahr. Weil Komponente für Komponente produziert und verpackt wird, sind die Menüs beliebiger kombinierbar. Der LVIM versorgt 1500 Menschen in seinen Einrichtungen. ek

 Michael Bender

Michael Bender

 Ralf Roland Oberle

Ralf Roland Oberle

 So sieht ein Regenerationswagen aus: Thermostate sorgen dafür, dass jedes Menü, auch wenn es aus unterschiedlichen Speisen besteht, auf den Punkt durchgegart wird.

So sieht ein Regenerationswagen aus: Thermostate sorgen dafür, dass jedes Menü, auch wenn es aus unterschiedlichen Speisen besteht, auf den Punkt durchgegart wird.

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StichwortApetito ist ein 1958 gegründetes Familienunternehmen und kocht nach Angaben von Geschäftsbereichsleiter Ralf Roland Oberle täglich etwa 240 verschiedene Gerichte, 500 000 Menüs verlassen die Produktionshalle in Rheine, 1,3 Millionen Menüs insgesamt alle Apetito-Standorte in Deutschland. Auch Tagungshotels beliefere das Unternehmen, das vor zwei Jahren künstliche Aromen und Farbstoffe aus dem Sortiment genommen habe. Die Zutaten kämen zum größten Teil aus Deutschland - der Spargel dann etwa auch aus Rheinland-Pfalz - und wenig von internationalen Zulieferern. Die Lieferanten müssten zertifiziert sein, hier achte man genau auf Probleme wie Kinderarbeit oder Lohndumping. Oberle: "Wir haben für jede Zielgruppe Komponenten. Insgesamt haben wir 3300 Artikel wie Erbsen, Bohnen, Pizza, Fischnuggets, Sauerkraut, Rouladen, Rosenkohl, scharfes Gulasch, weniger scharfes Gulasch und so weiter, alleine 500 im Seniorenbereich." Einmal pro Woche werde in den LVIM-Einrichtungen pfälzisches Essen serviert. ek

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