Kreistag Südwestpfalz „Da kann man von Wahlbetrug sprechen“

Landkreis · Neue Koalition und Aus für hauptamtlichen Beigeordneten: Generalabrechnung von SPD und FDP mit der CDU-Kreistagsfraktion.

Kurz vor Beginn der Kreistagssitzung sind die Zuschauerreihen schon gut gefüllt. Am Ende haben 50 Zuschauer die Sitzung verfolgt, darunter einige SPD-Amtsträger.

Kurz vor Beginn der Kreistagssitzung sind die Zuschauerreihen schon gut gefüllt. Am Ende haben 50 Zuschauer die Sitzung verfolgt, darunter einige SPD-Amtsträger.

Foto: Bastian Meyer

Es war die erwartete Generalabrechnung am Montag, als die neue Dreierkoalition aus CDU, Freien Wählern und Grünen mit ihrem Einstiegsprojekt in den Kreistag gekommen ist – die Streichung des hauptamtlichen Kreisbeigeordneten. Mit knapper Mehrheit von 22 zu 20 Stimmen hat sie ihr Vorhaben durchgebracht, um ab 1. Oktober mit drei ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten hinter Landrätin Susanne Ganster weiterzuarbeiten. Dass der bisherige Koalitionspartner SPD schäumt vor Wut, das war der CDU-Kreistagsfraktion wohl klar, dass sie aber von FDP-Fraktionschef Reinhold Hohn die Leviten gelesen bekommen, damit hatten sie weniger gerechnet.

CDU-Fraktionssprecher Christof Reichert begründete den gemeinsamen Koalitionsantrag auf Änderung der Hauptsatzung, der mit der Streichung der hauptamtlichen Kreisbeigeordnetenstelle auch das Ende der Amtszeit von Stelleninhaber Peter Spitzer (SPD) bedeutete – das sichtbare Zeichen des Endes der großen Koalition. Und während die neuen Koalitionäre auch noch die Installation von drei ehrenamtlichen Beigeordneten durchbekommen haben, scheiterten sie schon daran, den künftigen Beigeordneten mit Geschäftsbereich eine Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen. Ab 1. Oktober sollen neue Wege gegangen werden, kündigte Reichert die Streichung der hauptamtlichen Beigeordnetenstelle an. Nur neun von 24 Landkreisen haben eine hauptamtliche Vertreterstelle, bei den Landkreisen unter 100 000 Einwohnern sei die Südwestpfalz der einzige Kreis – es gehe also auch ohne. Ihre Aufgaben könne die Kreisverwaltung auch ohne Spitzer erfüllen, so Reichert, dafür habe sie ihre Mitarbeiter.

Und er ging noch einmal auf die Kosteneinsparungen ein, im Haushalt seien 172 000 Euro für die Beigeordnetenstelle mit Nebenkosten und Sekretärin veranschlagt. In finanziell klammen Zeiten könne der Landkreis eine sechsstellige Summe sparen. Letztendlich machte der CDU-Fraktionschef deutlich, dass sich die politischen Zeiten geändert haben, und eine frühere Entscheidung für eine große Koalition heute eben nicht mehr richtig sein müsse.

Von den Freien Wählern kam wenig, ihr Fraktionssprecher Christof Müller ergänzte lediglich, dass die Abschaffung der hauptamtlichen Stelle keine Kritik an Spitzers Arbeit darstelle. Auch Grünen-Fraktionschef Dr. Fred Konrad machte deutlich, dass Spitzer ja nicht abgewählt werde, er sich nichts zuschulden kommen gelassen habe. Der Grünen-Sprecher verhehlte aber auch nicht seine Genugtuung, dass die „Konstellation Duppré/SPD, als die Verantwortung für den Landkreis in den Händen der beiden großen Fraktionen lag“, endlich zu Ende sei und es eine neue Machtoption gebe.

Das war es dann auch mit der neuen Koalition – der geschasste bisherige Koalitionspartner war an der Reihe. Und Fraktionssprecher Alexander Fuhr ging in die Vollen: Wortbruch, Vertragsbruch, Vertrauensbruch – das und nichts anderes sei das Verhalten der CDU-Fraktion, die damit „die politische Kultur im Landkreis beschädigt und verändert“. Der Koalitionsbruch sei absichtlich von langer Hand vorbereitet worden, die Sozialdemokraten seien nicht einmal darüber informiert worden, dass die CDU-Fraktion mit anderen Fraktionen spreche. Auch sei niemals darüber gesprochen worden, dass die Christdemokraten die Koalition beenden wollen.

Für die SPD-Kreistagsfraktion führe der Koalitionsbruch auch zu Schaden für die Bürger im Landkreis, weil dieser vor großen Herausforderungen stehe und Spitzer als hauptamtlicher Beigeordneter in den Ressorts Jugend, Familie und Sport eine wichtige Arbeit geleistet habe. Daraus werde ersichtlich, dass es nur darum gehe, den Sozialdemokraten aus dem Amt zu drängen: „Es ist offenkundig, dass ein populärer Mitbewerber für die nächste Landratswahl mutwillig beschädigt und entfernt werden soll.“

Fuhr wurde noch deutlicher: Das CDU-Verhalten gegenüber den Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen sei respektlos, und seine Fraktion verbitte sich CDU-Belehrungen über das Wohl des Landkreises: Für die politische Arbeit an der Basis des Landkreises müssten sich seine Parteikollegen nicht vor der CDU rechtfertigen.

Der „Offene Brief“ der CDU-Kreistagsfraktion am Freitag (wir berichteten) zeige deutlich, wie diese die politische Kultur beschädige, indem sie Journalisten angreife, die anderer Meinung sind und indem sie die Vertraulichkeit von Gesprächen mit den Sozialdemokraten bricht. Fuhr warnte ob dieses CDU-Verhaltens die neuen Koalitionspartner: „Sagen Sie in internen Sitzungen nichts, was die CDU bei Bedarf verdrehen und gegen Sie verwenden kann.“

Widersprochen hat der SPD-Sprecher auch Reicherts „Kosteneinsparungen“: Diese fielen deutlich geringer aus, als der Öffentlichkeit suggeriert, und viele Kostenfaktoren durch die Installation der neuen Kreisführung würden verschwiegen. Bislang wüssten die Kreisbürger weder über Kosten noch Inhalte noch Personal der neuen Beigeordneten und der Koalitionsarbeit Bescheid: „Der Kreistag soll heute einen Blankoscheck ausstellen.“ Den drei neuen Koalitionsfraktionen gehe es darum, ihre Posten schnellstmöglich zu sichern. „Ein personelles und inhaltliches Konzept liegt nicht vor, das ist ein Fehlstart.“

Wer dachte, das wäre es mit der Generalabrechnung, sah sich getäuscht: Denn nun kam der große Auftritt von FDP-Fraktionssprecher Reinhold Hohn, der dann auch einmal Interna ausplauderte. Nämlich, dass die Freien Demokraten von der CDU-Fraktion auch gefragt wurden, ob sie in einer neuen Koalition mitmachen, was er als Fraktionssprecher aber abgelehnt hatte. Und was dazu geführt habe, dass erst danach die Grünen ins Spiel kamen – was ihn, an diese Fraktion gewandt, zu dem Spruch hinriss: „Wenn wir zugesagt hätten, wärt Ihr überhaupt nicht gefragt worden: Ihr seid die Ersatzspieler.“ Und er betonte auch, dass die FDP seit Jahrzehnten Landrat, Landrätin und CDU-Politik immer deutlich näher waren als die Grünen, die zuletzt noch gegen Gansters Kreishaushalt gestimmt haben: „Und jetzt sind sie mit im Boot?!“

Er habe aber auch seine Gründe gehabt, sich einer neuen Koalition zu verweigern, machte Hohn deutlich: Auch wenn die FDP eine Oppositionsfraktion sei, müsse er doch sagen, dass der Landkreis einen hauptamtlichen Beigeordneten brauche angesichts der Herausforderungen der Zukunft. Daher sei die Abschaffung dieser Stelle nach 34 Jahren vollkommen unverständlich.

Was das FDP-Kreistagsurgestein richtig empörte: Nach einer Kreistagswahl können für ihn immer neue Koalitionen gebildet werden, aber nicht ein Jahr vor den Wahlen: „Da kann man schon von Wahlbetrug sprechen.“ Das Vorgehen sei nicht fair und anständig gegenüber den Kreisbürgern. Und er werde aus diesem Grund auch dafür kämpfen, dass diese neue Dreierkoalition bei den nächsten Kreistagswahlen keine Mehrheit mehr haben wird.

In diese Kerbe hieb auch SPD-Politikerin Anna Silvia Henne, die mit am längsten im Kreistag sitzt. In den Vorgängen rund um den Koalitionswechsel sieht sie „moralische Grenzen“ überschritten. Zu Wort meldete sich auch AfD-Fraktionssprecher Lutz Wendel: Der Kreis brauche einen hauptamtlichen Kreisbeigeordneten. Und weil es nicht die feine Art sei, was aktuell passiere, stimme auch seine Fraktion dagegen.

Zu erwarten war nun eine ebenso heftige Replik der Koalitionsfraktionen – was aber ausgeblieben ist. Mit einer Ausnahme: Fred Konrad ärgerte sich über den SPD-Vorwurf, es gehe nur um die Posten der Kreisbeigeordneten. Für ihn seien Inhalte entscheidend.

Während der Sitzung äußerte sich der Peter Spitzer nicht, aber nach ihrem Ende: Er machte deutlich, dass er „menschlich zutiefst enttäuscht“ ist und sich nichts habe zuschulden kommen lassen, was sein Aus gerechtfertigt habe. Noch wisse er nicht, wie es beruflich weitergehe, weil er von den Entwicklungen der vergangenen Tage überrascht worden ist und keinen Plan B habe.

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