Klaus Gröschel Von „Patschehändchen“ und Spick-Techniken

Contwig · Der Gymnasiallehrer und Autor Klaus Gröschel lud als gebürtiger Contwiger zu einer Zeit- und Erinnerungsreise ein. Bald heiter, bald ernst, beleuchtete er in seinen Anekdoten Schule und Schulsystem in fünf Jahrzehnten.

 Klaus Gröschel las einige seiner Geschichten mit einem Augenzwinkern vor. Mit seinem alten Schulheft, das er in guter Kopie und selbst zusammengeklebt herumgab, machte er die Zeitreise auch optisch perfekt.

Klaus Gröschel las einige seiner Geschichten mit einem Augenzwinkern vor. Mit seinem alten Schulheft, das er in guter Kopie und selbst zusammengeklebt herumgab, machte er die Zeitreise auch optisch perfekt.

Foto: Cordula von Waldow

Für die meisten Teilnehmer an der Autorenlesung mit dem in Contwig geborenen Gymnasiallehrer und Autor Klaus Gröschel, zu der die Katholische Erwachsenenbildung eingeladen hatte, geriet der Abend nicht nur zu einer Zeitreise, sondern zu einer Erinnerung an die eigene Kinder- und Schulzeit. Heiter, amüsant, zeitweise ironisch und gespickt mit wundervollen Wortspielen in einer bildhaften Sprache gewährte der 73-Jährige zudem Einblick in die Schule aus der Sicht des Lehrers.

Seine Geschichten regen zum Nachdenken an und laden ein, sich klarzumachen: lustig oder eigentlich bitterer Ernst? „Wer von euch kennt noch Schwester Alexia? Und wer hat von ihr schon mal ‚Patschehändchen‘ bekommen?“ Gingen auf die erste Frage zahlreiche Finger in die Höhe, blieben beim zweiten Teil lediglich die der Männer oben. Denn vorzugsweise den Jungs hatte die resolute Nonne mit ihrem Stock gehörig auf die kleinen Finger geschlagen, wenn ihr Verhalten nicht den Vorstellungen der Kirchenfrau entsprachen. Die Prügelstrafe war in den 1950er Jahren noch überall anzutreffen und Klaus Gröschel beschrieb die eine oder andere Methode anschaulich.

Überhaupt lockerte der ebenso rede- wie schreibgewandte Pädagoge den Abend mit der einen oder anderen Erzählung zusätzlich zu den Kapiteln mit Lokalbezug in seinem aktuellen Werk „Prüfungen und andere Verhängnisse“ auf. Wortmalerisch ließ er die Pein des ersten Schultags (wieder) lebendig werden, eine „Auslieferung, die man so nicht nennen durfte“. Immer wieder klang, zwischen heiteren und lebendigen Geschichten, seine Kritik am Schulsystem und ein Hinterfragen der pädagogischen Kompetenz der „Respektperson Lehrer“ sowie der Sinnhaftigkeit von Entscheidungen „von oben“ durch.

Das verdeutlichte seine Geschichte über „Prinzipien auf dem Prüfstand“. Mit abnehmender mütterlicher Kontrolle begann der Grundschüler, seine Hausaufgaben zu „individualisieren“, im Klartext: bis nur noch „radikal reduziert“ abgeliefert wurde. Notfalls hatte er selbige „versehentlich einmal vergessen“ oder das Heft zu Hause liegen gelassen. Bis Schwester Alexia eines schönen Tages konterte: „Dann gehst du jetzt nach Hause und holst es.“ Au weia! Dass sein Vater ihn dann rettete mit der Aussage, er habe das Heft versehentlich zum Ofenanzünden benutzt, gehört zu Klaus Gröschels eindrucksvollsten Kindheitserlebnissen. In den Ohren blieb Vaters Nachsatz: „Mach so was nie wieder!“

Offenherzig ließ er seine Zuhörer selbst an Vorkommnissen teilhaben, die er selbst heute noch als wenig rühmlich empfindet. Etwa an dem Unterricht, den er – bereits während seiner Studienzeit als Vertragslehrer an der Berufsbildenden Schule in Zweibrücken – bei dem einen oder anderen Bierchen im Freibad fast verschwitzt hatte. In angeheitertem Zustand aber so gekonnt improvisierte, dass er seine Klasse eine Doppelstunde lang ganz selbstständig eine Erörterung gliedern ließ.

Oder an der stark blutenden Platzwunde. Diese hatte er seinem ihn provozierenden Klassenkameraden im Affekt mit seinem massivhölzernen Griffelkasten geschlagen, während der Lehrer im benachbarten kleinen Lehrerzimmer „einer jungen Kollegin, der er netterweise ungestört einiges Beibringen, halt Erfahrungen vermitteln und vertiefen wollte“, den Vorzug vor den Schülern gab. Es habe gedauert, das Schlägerimage wieder loszuwerden.

Mit seinem alten Schulheft, das er in guter Kopie und selbst zusammengeklebt herumgab, machte er die Zeitreise auch optisch perfekt.

Ausführlich berichtete er über die verschiedenen Spick-Techniken, über die er zwar ein Buch schreiben könne, das im Zeitalter der Digitalisierung jedoch längst überholt sei. Lieber erinnerte Gröschel an die Oberstufenschülerin, die ob ihres ständigen Zuspätkommens entscheiden durfte: Apfelkuchen backen oder den Einstieg in Thomas Manns „Tod in Venedig“ auswendig lernen.

Neben einem köstlichen Apfelkuchen überraschte sie ihn mit dem wortgetreuen, flüssig und in perfekter Betonung vorgetragenen Text. „Châpeau. Dafür habe ich ihr eine mündliche eins eingetragen“, erzählte er, noch immer spürbar beeindruckt von der jungen Frau.

Begeistert waren auch Klaus Gröschels Zuhörer, die sich vor allem über die Wiederbegegnung mit dem früheren Nachbarn oder Schulkamerad freuten.

„Prüfungen und andere Verhängnisse: Fünf turbulente Jahrzehnte im Pfälzer Schulwesen“ von Klaus Gröschel, Taschenbuch, Wellhöfer Verlag, 172 Seiten, ISBN 978-3-95428-272-2.

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