Wallhalben Neuer Blick auf die Historie des Ortes

Wallhalben · In Wallhalben ist eine Geschichtswerkstatt gestartet.

 Wallhalben - schon immer ein Mittelzentrum für die umliegenden Orte der Sickingerhöhe.

Wallhalben - schon immer ein Mittelzentrum für die umliegenden Orte der Sickingerhöhe.

Foto: Norbert Schwarz

(cos) Geschichtswerkstatt ist im Augenblick ein magisches Wort für die Kommunalpolitiker in Wallhalben. Ortsbürgermeisterin Christine Burkhardt ist hocherfreut darüber, dass aus dem Förderprogramm LEADER und der daraus entwickelten Lokalen Aktions Gruppe (LAG) Pfälzerwald plus die Ortsgemeinde einen Zuschuss in Höhe von 65 000 Euro bekommt. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier ließ der antragstellenden Ortsgemeinde jetzt eine entsprechende Förderzusage zukommen. Der Gemeindeanteil liegt bei 15 Prozent. Entsprechende Mittel sind im Doppelhaushalt  2020/2021 vorgesehen. Zur „Geschichtswerkstatt“ gab es jetzt eine erste Infoveranstaltung. Die eigentliche Arbeit soll im Dezember beginnen, falls die Corona-Pandemie keinen Strich  durch die Planung macht. 

Ein kleiner Kreis interessierter Bürger aus Wallhalben, insgesamt 20 waren nur zugelassen, traf sich im rustikalen Dachgeschoß des Ludwig-Katz-Hauses. Christine Burkhardt erinnerte in ihrem Grußwort an den auslösenden Moment für diese „Geschichtswerkstatt“. Jugendliche aus Wallhalben und den umliegenden Ortschaften folgten 2019/2020 der Einladung der Evangelischen Kirche der Pfalz, die mit Ingo Schenk die „Dorfpioniere“ in Wallhalben betreut. Mit an Bord sin auch Bernhard Haupert, einst am Institut für Professionalität und Qualifizierung pädagogischer Praxis (IPQ) der Katholischen Hochschule in Mainz sowie der Historiker Franz Josef Schäfer. Bis zum Ruhestand war er Lehrer für Geschichte und Sozialwissenschaft an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Bensheim.

Wie spannend die Geschichtswerkstatt nicht allein für Jugendliche und jüngere Menschen sein kann, wusste er mit vielen Beispielen zu illustrieren. „Eine Bensheimer Fabrik entsorgte alte Aktenordner. Deren Inhalt: Namenslisten von Zwangsarbeitern die im zweiten Weltkrieg beschäftigt waren. Polen, Russen, Ukrainern, Franzosen. Unser Interesse galt vor allem den französischen Zwangsarbeitern. Gemeinsam mit Schüler stellten wir Nachforschungen an. Wurden fündig. Es entwickelten sich Freundschaften die bis zum heutigen Tag Bestand haben.“

Das Interesse der Schüler sei schnell geweckt worden. Plötzlich berichtete ein Mitschüler von der Verschleppung der Großeltern nach Sibirien. Es entstand eine Geschichtswerkstatt. Eine jüdische Mitbürgerin habe sich damals gemeldet erzählte der Bensheimer Historiker und beschrieb, wie vielfach auch Opfer in der Nachzeit Ereignisse ausgeblendet haben.

Passend dazu der Kurzbericht von Ingo Schenk beim Infoabend. wie die Wallhalbener „Dorfpioniere“ beim Besuch in Herschberg entdeckten, dass es dort neben dem kommunalen Friedhof noch einen jüdischen Friedhof gibt. „Wir alle waren bass erstaunt, Fragen über Fragen kamen.“ Für den Historiker Franz Josef Schäfer ist es ein Leitspruch: „Grabe dort wo du stehst.“ So soll auch nicht die Dorfgeschichte von Wallhalben neu geschrieben werden. Der Blickwinkel müsse vielmehr auf dem Wandel des Dorfes, der umliegenden Dörfer liegen. 

Einer, der sich noch an vieles Dorfgeschichtliche erinnern kann, ist Horst Kiefer. Aus dem heute 85-jährigen sprudelt es bereits am Informationsabend förmlich heraus. „Den Einzug der Amerikaner, ich habe die Bilder noch heute ganz lebendig vor Augen. Oder, die landwirtschaftliche Struktur unseres Ortes mit seinen früheren beiden Ortschaften. Kartoffelbrennereien in fast jedem zweiten landwirtschaftlichen Betrieb. Über die Wintermonate für viele ein Ort zum Erzählen, zum Austauschen. Davon wissen die heutigen Nachkommen überhaupt nichts.“

Ratsmitglied Tobias Dreßler, im Berufsleben Realschullehrer, findet es gut, dass es diese Idee Geschichtswerkstatt gibt, denn Ortsgeschichte sei gerade für Jugendliche kein Selbstläufer und mit dem Internet gebe es eine Möglichkeit, Jugendliche zu erreichen. Das Befürwortete auch der Erste Beigeordnete Peter Sprengart im Zuhörerkreis. Ob sich der von Ortsbürgermeisterin Christine Burkhard genannte 4. Dezember als Auftakt für die Geschichtswerkstatt Wallhalben halten lässt, wird der weitere Verlauf der Corona-Pandemie zeigen. Doch aufgeschoben wäre letztlich nicht aufgehoben!

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