Ein Dienstmann und ausgekochtes SchlitzohrIm Web 2.0 den Denunzianten getrotzt

Zweibrücken. Es Luiche hat auch im Internet eine Fangemeinde. In einem sogenannten sozialen Netzwerk hat sich eine Gruppe "Zweebrigger Luiche" gegründet, in der sich aktuelle und ehemalige Zweibrücker treffen. Wobei der Weg ins Web 2

Zweibrücken. Es Luiche hat auch im Internet eine Fangemeinde. In einem sogenannten sozialen Netzwerk hat sich eine Gruppe "Zweebrigger Luiche" gegründet, in der sich aktuelle und ehemalige Zweibrücker treffen. Wobei der Weg ins Web 2.0 nicht ganz einfach war, wie der Selbstbeschreibung der Gruppe zu entnehmen ist: "Unser aller Freund, es Luiche, war ganze zehn Stunden Mitglied hier. Dann wurde er von niederträchtigen Denunzianten als so genanntes Fake gemeldet und der Betreiber hat dies ohne Prüfung dazu veranlasst, sein Profil zu löschen. Es Luiche hatte in dieser kurzen Zeit schon 1500 Freunde aus allen Zeiten wieder gefunden. Daher wurde jetzt diese Gruppe für alle aktuellen und ehemaligen Zweibrücker gegründet." lf

Den Koffer hat er neben sich abgestellt, die linke Hand ruht auf dem Oberschenkel, die rechte Hand hängt lässig herab. So schaut er in aller Ruhe den Markthändlern, Gewerbetreibenden, den Flaneuren, Kindern und Erwachsenen zu. Gelächter und Geschrei, alles zieht ungerührt an ihm vorbei, an ihm, dem die Stadt mit diesem Denkmal eine große Ehre zuteil werden ließ. Heute wäre es 150 Jahre alt geworden, das Luiche. Doch kennen wir ihn wirklich? Wenn es einen Zweibrücker gibt, der viel weiß über das Luiche, dann ist es ohne Zweifel Karl Meyer. Seit Jahrzehnten schon verkörpert Meyer das Luiche. "Ich weiß gar nicht exakt, wann ich zum ersten Mal in die Rolle des Luiche geschlüpft bin, es war wohl zirka 1986", grübelt Meyer. "Vom damaligen Vorsitzenden der Werbegemeinschaft, Jakob Roth, wurde ich gebeten, bei der Abschlussveranstaltung der Weihnachtsaktion ,Glücksrosen' als Luiche aufzutreten", erinnert sich der 75-Jährige.

Der Erfolg sei enorm gewesen, dem Publikum habe Meyers Art, das Luiche zu verkörpern, nämlich frech, gewieft, den Schalk im Nacken, glänzend gefallen. Seit seiner Luiche-Premiere hat Meyer noch, so schätzt er, dutzende Male auf den unterschiedlichsten Veranstaltungen, vor allem beim Fastnachtstreiben des Karnevalvereins Zweibrücken (KVZ) das rote Halstuch umgelegt, den Schnauzer angeklebt, die Kappe aufgezogen, den Koffer in die Hand genommen und dann die Bretter betreten, die die Welt bedeuten. Wer war das Luiche? Auch Meyer kann das nur bruchstückhaft beantworten, gesteht er offen ein. Aber ein bisschen etwas weiß er, manches ist überliefert. Zunächst natürlich die Fakten:

"Geboren wurde er am 11. Mai 1860 in Zweibrücken als Ludwig Arnold. Gestorben ist er am 24. Januar in seiner Heimatstadt."

Er verdingte sich als Dienstmann. "Er stand immer am Bahnhof herum und wartete auf Reisende. Damals war noch was los rund um den Bahnhof", merkt Meyer verschmitzt an.

Kam dem Luiche ein Reisender mit Koffer entgegen, fackelte der Dienstmann nicht lange. "Dienstmann Nummer Eins", rief er gebieterisch, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Wieso Dienstmann Nummer Eins? Meyer: "Er behauptete, er war der erste, der auf die Idee gekommen sei, am Bahnhof für Reisende Koffer zu schleppen, er wollte die Nummer Eins sein. Das stand auch auf seiner Kappe, damit jeder es lesen konnte."

Willigte ein Kunde ein und ließ den Dienstmann für ein paar Münzen den Koffer schleppen, bekam er nicht selten die Ausgefuchstheit des Luiche zu spüren, wie Meyer zu berichten weiß. "Es konnte vorkommen, dass das Luiche auf halber Strecke den Koffer plötzlich abstellte, und zum Kunden sagte: ,Sie haben nur bis hierher gezahlt. Soll ich weitertragen, müssen Sie noch was drauflegen!'Zähneknirschend zückten dann wohl die meisten nochmals den Geldbeutel. Nicht nur in dieser Hinsicht hatte es das Luiche faustdick hinter seinen Ohren", schmunzelt Karl Meyer. Das Luiche konnte nicht alleine vom Koffertragen leben. Auch seine Idee, am Bahnhof Bretzeln anzubieten, füllte die Haushaltskassen nicht so recht. Zuhause warteten eine Frau und zwei Kinder. Das Luiche kam schnell auf den Trichter, wie es den Säckel füllen könnte: mit dem Verkauf von Pornobildchen! Meyer: "Vermutlich waren auf den Fotos nackte Damen in eindeutigen Posen abgelichtet. Das ging aber nicht allzu lange gut, er wurde schließlich wegen dieses Verkaufs angezeigt und musste sich vor Gericht verantworten." Aber auch dort bewies das Luiche Pfiffigkeit. Meyer weiß aus alten Berichten: "Der Richter fragte das Luiche streng: ,Wem haben Sie denn diese Bilder verkauft?' Darauf antwortete das Luiche nur trocken: ,Ach, Herr Richter, das waren alles lauter feine Leute wie Sie!'". Ob der Richter aufgrund solcher Dreistigkeit das Strafmaß milderte oder vielleicht gar verschärfte, ist leider nicht überliefert. Überliefert ist hingegen noch so manche Anekdote über die Natur des Dienstmanns Nummer Eins, die den Zeitgenossen wohl gut gefiel - wenn ihnen auch nicht alles am Luiche mundete, wie sie ihn schon sehr bald neckisch nannten. Denn, so Meyer: "Er war ein Original, er war schlitzohrig, konnte aber auch derb sein, er soff gerne einen, legte sich mit so manchem an, schreckte auch die Obrigkeit nicht. Er war kein Feingeist."

Dem Luiche wurde wohl bald gewahr, dass es nicht alle Zweibrücker liebten. Um herauszubekommen, wer ihm wirklich Wertschätzung entgegenbrachte, kam er wieder auf eine schräge Idee: Er ließ eine Anzeige schalten, dass er gestorben sei, die Beerdigung finde am Spitalgebäude statt. "Als die Leute kamen, um das Luiche auf seinem letzten Weg zu begleiten, riss der Dienstmann in einem oben gelegenen Geschoss das Fenster auf und rief: ,Aha! Ich wollte nur mal schauen, wieviel Leute zu meiner Beerdigung kommen!', so Meyer.

An diesem Tag spielte das Luiche mit dem Thema Sterben anderen noch einen Streich. Aber selbst dem Gewieftesten vergeht im Angesicht des Todes einmal das Lachen. So auch dem Luiche, das an schwerer Wassersucht litt. Am 24. Januar 1918 trat es die Reise an, die jeder irgendwann antreten muss. Das Luiche war nicht mehr. Doch er lebt weiter, der pfiffige, grantige Dienstmann Nummer Eins. Auch heute wird er auf dem Alexandersplatz eine lange Pause einlegen. Dann sitzt er wieder da, die linke Hand lässig auf dem Oberschenkel und denkt sich - ja was denkt er sich eigentlich? Das, liebe Leser, bleibt Ihnen überlassen.

Kennen Sie ihn? Kennen Sie ihn wirklich? Praktisch jeder Zweibrücker hat ja schon von ihm gehört. Und doch kennen ihn nur die allerwenigsten näher. Von wem die Rede ist? Vom Zweibrücker Luiche, einem Maskottchen der Stadt, einem echten Original, dem Dienstmann Nummer Eins und wie er sonst noch gerne genannt wurde und wird. Auf dem Alexandersplatz, mit dem Rücken zur Kirche, sitzt er da, Tag für Tag.

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