Die Bilder des Krieges verarbeiten

Zweibrücken/Saarlouis. Die Bilder von verstümmelten Leichen, von verwundeten Kameraden oder von schreienden Kindern kommen immer wieder. Schweißgebadet wachen sie dann nachts auf, der Puls rast, Panikattacken. Das sind einige der Symptome, unter denen Soldaten der Bundeswehr leiden können, wenn sie Stress und belastende Ereignisse aus dem Auslandseinsatz nicht richtig verarbeiten

Zweibrücken/Saarlouis. Die Bilder von verstümmelten Leichen, von verwundeten Kameraden oder von schreienden Kindern kommen immer wieder. Schweißgebadet wachen sie dann nachts auf, der Puls rast, Panikattacken. Das sind einige der Symptome, unter denen Soldaten der Bundeswehr leiden können, wenn sie Stress und belastende Ereignisse aus dem Auslandseinsatz nicht richtig verarbeiten. Allein 922 Soldaten sind im vergangenen Jahr in Bundeswehr-Krankenhäusern mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) behandelt worden - die höchste je gemessene Zahl.Damit es erst gar nicht zu psychischen Erkrankungen bis hin zur PTBS kommt, misst die Bundeswehr der Einsatznachbereitung heute einen deutlich höheren Stellenwert zu als noch vor Jahren. Vorreiter dabei ist die Saarland-Brigade, eine besonders kampferprobte Einheit. Ihre Personalabteilung hat für die 640 Soldaten - darunter etwa 450 aus Zweibrücken -, die im vergangenen Jahr im Afghanistan-Einsatz waren, ein in der Bundeswehr bislang einmaliges Nachbereitungs-Programm auf die Beine gestellt, das in immer mehr Truppenteilen Schule macht. Bei der Überarbeitung des "Rahmenkonzeptes zum Erhalt und zur Steigerung der psychischen Fitness" - einem Erlass für die gesamte Bundeswehr - sind auch Anregungen der Fallschirmjäger aus dem Saarland mit eingeflossen, wie das Heeresführungskommando in Koblenz dem Merkur bestätigte.

Das Programm der Fallschirmjäger sah unter anderem vor, dass jeder Soldat nach der Rückkehr aus dem Einsatz bis zu 24 Angebote aus einem Programm wählen konnte, um nach Monaten der körperlichen und psychischen Extrembelastung wieder "herunterzukommen": ein Tag im Saarbrücker Erlebnisbad Calypso, Kartfahren, Kletterpark, Holiday-Park, Tennis, Bowlen, ein Islam-Seminar in Berlin. Dazu Gespräche mit Militärseelsorgern und Truppenpsychologen. Der damalige Brigade-Kommandeur Eberhard Zorn hatte befohlen, ein solches Programm zu stricken.

Die Eigeninitiative der Brigade kam bei den übergeordneten Dienststellen indes nicht überall gut an, zumal das Programm Geld kostete. Initiativen von unten, sagt Personaloffizier Alexander Pillris diplomatisch, entsprächen nun einmal "nicht in Gänze der Unternehmenskultur der Bundeswehr". Zorn warb intensiv für das Programm - mit Erfolg. "Unter dem Strich haben wir es eins zu eins umsetzen können", sagt Oberstabsfeldwebel Michael Keßler, der das Programm mitgeplant hat.

Kern der Einsatznachbereitung waren Seminare auf einer Luftwaffen-Basis auf Sardinien (sieben Tage) und eines in einem Hotel bei Trier (fünf Tage). In einem Stuhlkreis sprachen sich immer sechs bis zehn Soldaten, die gemeinsam im Einsatz waren, unter Leitung eines geschulten Moderators aus - in Zivil, ohne Rücksicht auf Dienstgrade: Was war gut am Einsatz, was war schlecht? Es ging um die Kameradschaft, die ständige Anspannung und Angst vor Anschlägen, aber auch um profane Dinge wie den allgegenwärtigen Staub, wie Teilnehmer berichteten. Wer in den Diskussionen psychische Auffälligkeiten zeigte, wurde in die Obhut eines Psychologen genommen. "Allein durch das Sprechen kann man viel Belastung abbauen", sagt Programm-Planer Keßler. Abends ging es informell weiter. Ein Offizier, der auf Sardinien war, sagt: "Es ist etwas anderes, ob man sich - wie im Einsatz - immer nur in Uniform sieht oder ob man mit Kameraden in Zivil übers Mittelmeer schippert."

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