Der Gast, der aus dem Dunkeln kam

Zweibrücken. Der Merkur hat gerne Gäste. Ganz ehrlich. Und nicht zu knapp. Wer's nicht glaubt, kann im Zimmer des Chefredakteurs eine ganze Wand voller Fotos von Merkur-Besuchern besichtigen (geöffnet innerhalb der normalen Redaktionszeiten von 7.45 bis 23.45 Uhr). Aber Lutz Henry ist anders. Nicht nur, weil er so klein ist

 Zwergfledermaus Lutz Henry verschwindet fast in der Handfläche von Franz Kinkopf. Foto: Beduhn

Zwergfledermaus Lutz Henry verschwindet fast in der Handfläche von Franz Kinkopf. Foto: Beduhn

Zweibrücken. Der Merkur hat gerne Gäste. Ganz ehrlich. Und nicht zu knapp. Wer's nicht glaubt, kann im Zimmer des Chefredakteurs eine ganze Wand voller Fotos von Merkur-Besuchern besichtigen (geöffnet innerhalb der normalen Redaktionszeiten von 7.45 bis 23.45 Uhr). Aber Lutz Henry ist anders. Nicht nur, weil er so klein ist. Aus Höflichkeit und aus Gründen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) nehmen wir jeden Besucher ernst - auch, wenn er vertikal herausgefordert ist. Nein, Lutz Henry ist überhaupt anders. Aber es ist ein Erlebnis, ihn zu treffen.Als die Redaktion gestern Morgen den Dienst antritt, ist Lutz Henry schon da. Ganz lässig hängt er hinten links an der Wand. Es ist schon hell draußen, die Luft ist noch angenehm kühl. Schlafenszeit für Lutz Henry. Zwergfledermäuse sind da anders als Otto Normalverbraucher. Immerhin schnarcht er nicht.Wie er hereingekommen ist? Man weiß es nicht. Er schweigt vorerst beharrlich. Wahrscheinlich hat er sich durch eine Lücke zwischen Jalousie und Fensterbank gezwängt und ist durchs ausnahmsweise gekippte Fenster geflogen. "Ah, eine neue Höhle. Prima." Könnte er gedacht haben.Jetzt hängt er also in der neu entdeckten Höhle, die im Lauf der Zeit immer heller und lauter wird. Und schläft. Ist das ok? Darf man junge Fledermäuse, die sich ins Haus verirrt haben, einfach hängen lassen? Eigentlich schon, sagt Franz Kinkopf, Fledermauswart des Nabu Zweibrücken. Sein Tipp in solchen Fällen: Fenster auflassen. In der Regel finden die Tiere von allein wieder heraus. Uns ist das zu unsicher. Darum rückt der Fledermauswart mit Leiter und Fledermauskäfig an. Er pflückt den Besucher behutsam von der Wand. Plötzlich ist es mit dem verstockten Schweigen vorbei. Merkwürdige Laute kommen aus dem kleinen Maul mit den spitzen Zähnchen. Schimpft er, weil man ihn geweckt hat? Ruft er um Hilfe, weil er am hellichten Tag von fremden Gestalten belästigt wird? Geht es auch hier nur um Sex? Hat er die Fliege entdeckt, die durch die Redaktion summt? Bewirbt er sich für ein Praktikum oder gar wie Horst Schlämmer für das Kanzleramt? Hundertprozentig weiß man es nicht. Wie wollen wir nur mit Außerirdischen kommunizieren, wenn wir nicht einmal mit den Lautäußerungen einer handelsüblichen Zwergfledermaus klar kommen? Houston, ihr habt da ein Problem. . .Kinkopf gewährt dem jungen Flattergeschöpf vorläufig Asyl in seinem Keller. Da ist es ruhig, dunkel, es gibt etwas zu trinken - und man kann mal so richtig abhängen. Ohne Störungen. Wenn diese Zeilen gedruckt sind, wird Lutz Henry wieder in der freien Natur unterwegs sein. Franz Kinkopf wird den "Kobold der Nacht", wie er die Fledermäuse nennt, nach Einbruch der Dunkelheit im Wald bei Mittelbach an die frische Luft gesetzt haben. Wo er sich mit Wesen unterhalten kann, die seine Sprache verstehen. Der Naturschutzbund Zweibrücken veranstaltet heute für alle interessierten Bürger eine Fledermausnacht. Treffpunkt ist um 18 Uhr am obersten Parkplatz in der Tschiffliker Dell. Hans König führt durch den Luitpoldpark und zum Fasanerieweiher. Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung im Vereinsheim der Imker statt. Taschenlampen sind mitzubringen.

 Was ist das nur für ein dunkler Fleck an der Wand? Foto: jam

Was ist das nur für ein dunkler Fleck an der Wand? Foto: jam

HintergrundZwergfledermäuse gehören zu den kleinsten einheimischen Fledermäusen. Sie wiegen laut Fledermauswart Franz Kinkopf etwa fünf Gramm. Zwergfledermäuse sind nicht vom Aussterben bedroht, stehen aber unter Naturschutz. Fledermäuse verirren sich in der warmen Jahreszeit häufig in Häuser. Besonders in diesem Jahr wird der Fledermauswart häufig zu Hilfe gerufen. Größere Arten, erzählt Kinkopf, können dort beim Herumfliegen schon einigen Schaden anrichten. "Sie fliegen mit den Händen und sehen mit den Ohren", umschreibt der Experte das Besondere der Säugetiere. Geht eine Fledermaus auf die Pirsch, muss sie pro Abend Beute im Gegenwert von etwa einem Drittel ihres Körpergewichts fressen. jam

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