Schulung für Erzieherinnen „Kinder spielen bei Verbreitung keine Rolle“

Südwestpfalz · Der Landkreis Südwestpfalz informiert Träger und Leiter von Kindertagesstätten über Hygiene in Zeiten von Corona.

 In den Kitas in der Südwestpfalz wird bis auf Weiteres nur Notbetreuung angeboten.

In den Kitas in der Südwestpfalz wird bis auf Weiteres nur Notbetreuung angeboten.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Die schrittweise Wiedereröffnung der Kindertagesstätten ist in Planung. In den meisten Kitas im Landkreis gibt es Notgruppen. Um Fragen für die Einrichtungen zum Thema Hygiene und Anpassung der Hygienepläne in den Kindertagesstätten zu beantworten, hat der Landkreis am Dienstagabend die 82 Träger und Leiter aller Kitas im Landkreis in die TSR-Halle in Rodalben eingeladen.

Corona sei nicht mit Influenza gleichzusetzen, betonte Dr. Heinz-Ulrich Koch, der Leiter des Gesundheitsamtes Südwestpfalz , und warnte davor, sich aufgrund der Lockerungen und sinkenden Fallzahlen in Sicherheit zu glauben. Der Corona-Erreger unterscheide sich vom Grippevirus auch dadurch, dass Kinder für das Grippevirus hochempfänglich seien und es dementsprechend auf Erwachsene übertragen. Corona sei nicht auf Kinder als Wirt angewiesen, deshalb spielen Kinder bei der Verbreitung des Virus absolut keine Rolle. Das beweise eine Studie aus Frankreich, welches von Corona viel stärker betroffen ist als Deutschland, informierte Koch. Es gebe keine Fälle, in denen eine Übertragung von Kind auf Erwachsenen nachgewiesen ist, erläutert er.

Aus diesem Grund könne der Hygieneplan in Kitas auf die kleinen Kinder angepasst werden. Dieser sei im Umgang mit kleinen Kindern sowieso nicht eins zu eins umsetzbar, da sie ein viel größeres Bedürfnis nach körperlicher Nähe haben und stärker unter sozialer Isolation leiden würden. „Kleine Kinder wollen umarmt werden und niesen auch nicht in die Armbeuge. Sie können die Maßnahmen noch nicht einhalten“, erklärt der Gesundheitsamtschef.

Kinder, die zur Risikogruppe gehören oder anderweitig erkrankt sind, sollten nicht in Betreuung gegeben werden. Da berufstätige Eltern dazu neigen, erkrankte Kinder in die Betreuung zu geben, sollten die Erzieher der Abklärung des gesundheitlichen Zustands der Kinder besondere Aufmerksamkeit schenken und immer mit den Eltern Rücksprache halten. Kinder, die nachweislich unter Heuschnupfen leiden, dürfen betreut werden, da sie weder zur Risikogruppe gehören noch ein erhöhtes Übertragungsrisiko darstellen.

Auch Erzieher über 60 Jahre gehören nicht automatisch zur Risikogruppe und dürfen nach Abklärung über den Hausarzt arbeiten. Den Kindern müsse spielerisch nahegelegt werden, sich nicht ins Gesicht zu fassen und „richtiges“ Niesen und Husten in die Armbeuge müsse immer wieder geübt werden. Das Abstandsgebot muss nur unter Erwachsenen – eingehalten werden. Kinder müssen innerhalb ihrer Gruppe und auch zu den Erziehern keinen Abstand halten.

Händedesinfektion ist laut Koch nur notwendig, wenn eine Person mit Speisen zu tun hat. Regelmäßiges Händewaschen reiche vollkommen aus und soll mit den Kindern eingeübt und in Ritualen gefestigt werden. Er betont auch, dass für die Desinfektion der Hände ausschließlich Handdesinfektionsmittel genutzt werden soll, da im Desinfektionsmittel für Flächen kein Schutz für die Haut enthalten sei und dies zu Hautreizungen führen könne.

Da der Erreger zu 90 Prozent über Tröpfchen übertragen werde, sei das Tragen von Alltagsmasken für Erzieher wichtig beim Umgang mit Kollegen und dem Kontakt mit den Erziehungsberechtigten, wenn ein Abstand von 1,5 Meter unterschritten wird. Beim Umgang mit den Kindern sei diese Maßnahme freiwillig. Einerseits könne es die Kinder verunsichern und andererseits seien Kinder sowieso ungefährlich, was die Erregerverbreitung betrifft. „Bei der Umsetzung der Hygienemaßnahmen liegt der Fokus auf dem Umgang mit Kollegen und Erziehungsberechtigten“, ergänzte Landrätin Susanne Ganster.

Für die Lüftung der Räume empfiehlt der Arzt eine Regelung von mindestens viermal täglich für jeweils 15 Minuten. „So kann der Erreger in der Luft nach draußen entweichen, bevor er sich auf den Flächen absetzt. Je besser er sich in der Luft verteilen kann, umso besser“, erklärt er und empfiehlt möglichst viele Aktivitäten im Freien wie beispielsweise Waldspaziergänge.

Von einer routinemäßigen Desinfektion aller Flächen wird abgeraten und der übliche Reinigungsplan der Einrichtungen müsse nicht geändert werden. Lediglich Handkontaktflächen wie Tür- und Fenstergriffe oder Lichtschalter sollten mindestens einmal, besser mehrfach täglich desinfiziert werden. Auch für die Waschräume reiche eine normale tägliche Reinigung aus. Stoffhandtücher müssen nicht nach jeder Benutzung, sondern nur täglich gewechselt werden. Am besten seien Stoffhandtuchspender, die das benutzte Stück wieder in sich aufrollen, meinte Koch.

Der Umgang mit Spielzeug gehört bei der Betreuung in Kitas zum Alltag und ist kaum mit Hygienemaßnahmen umsetzbar. Spielzeug hat für Kinder eine große Bedeutung und kann unmöglich nach jeder Benutzung desinfiziert oder nur für Einzelnutzung vorgesehen werden. „Die Kitagruppe entspricht einer Heimgemeinschaft und darf das Spielzeug daher gruppenweise nutzen“, gab Koch Entwarnung. Auch wenn der Hygieneplan eine Gruppengröße von maximal zehn Kindern vorschreibt, so liege es nach Koch im Ermessen der Einrichtungen, diese in Ausnahmefällen zu variieren. „Wenn es verantwortbar ist, können auch mal elf Kinder gleichzeitig betreut werden“, gesteht er den Kitas Handlungsspielraum zu. Wie die Wiedereröffnung der Kitas für die Vorschulkinder zeitlich ablaufen wird, sei noch in Planung, sagt die Landrätin. Ein genaues zeitliches Konzept liege noch nicht vor.

Eine Erzieherin aus Rodalben sprach das Konfliktpotenzial zwischen der Eingewöhnung von Neuzugängen und der Verweigerung von Notbetreuung für angemeldete Kinder an. Eltern, deren Kinder die Kita schon länger besuchen, aber kein Anrecht auf Notbetreuung haben, erachten es als unfair, dass Neuzugänge täglich die Kita besuchen dürfen, während ihre Kinder, die schon länger ein Bestandteil der Kitagemeinschaft sind, zuhause bleiben müssen. Das führt zu Diskussionen, in denen die Erzieher nicht wissen, wie sie diese Vorgehensweise rechtfertigen sollen. Als auch die Landrätin spontan keine Lösung weiß, konstatiert die Fragestellerin: „Wir fühlen uns allein gelassen“ und wird mit Applaus aus den eigenen Reihen bestätigt. Ganster versicherte, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen und möglichst zeitnah eine Lösung zu präsentieren.

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