Beschimpft, geschlagen, getreten, gewürgt?

Zweibrücken/Pirmasens · Weil er seine Stieftöchter brutal misshandelt haben soll, muss sich der ehemalige Kreisvorsitzende der rechtsextremen NPD nun vor Gericht verantworten. Beim Prozessauftakt verweigerte Sascha Wagner die Aussage.

Wäre es nach der Verteidigerin des Angeklagten gegangen, wäre der mit acht Sitzungsterminen angesetzte Körperverletzungs-Prozess gegen den ehemaligen NPD-Kreisverbandsvorsitzenden Sascha Wagner am Amtsgericht komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Bühne gegangen. Den Antrag, den sie gestern zum Schutz der Privatsphäre ihres Mandanten stellte, wies Jugendrichter Mark Edrich aber ab. Er willigte lediglich ein, während der Aussage von Wagners Ehefrau den Zuschauerraum zu räumen. Sascha Wagner, noch Mitglied des Kreistages Südwestpfalz (per E-Mail soll er nach Informationen unserer Zeitung sein Mandat wegen Wegzuges bereits niedergelegt haben), wird Körperverletzung in vier Fällen zu Last gelegt. Er soll seine heute 15 und 17 Jahre alten Stieftöchter zwischen Ende 2008 und Juni 2010 vielfach beschimpft, geohrfeigt, getreten, an den Haaren durchs Zimmer gezogen, an eine Tür geschleudert, auf eine Treppe gestoßen, gewürgt und einmal so fest an der Nase gepackt haben, bis sie bluteten.

Wagner macht von seinem Aussageverweigerungsrecht als Angeklagter Gebrauch, wie seine auch im NSU-Prozess in München als Anwältin von Ralf Wohlleben tätige Verteidigerin Nicole Schneiders zu Beginn erklärte.

Gestern wurde die Schulsozialarbeiterin der beiden Mädchen gehört. Ihr haben sie sich anvertraut, woraufhin diese das Jugendamt verständigte, das die Mädchen aus der Familie holte und in einem Heim unterbrachte. Gerade die Kleine hätte aufgelöst und panisch von Vorkommnissen mit Wagner berichtet, der oft aufbrausend gewesen und handgreiflich geworden sei.

Ein Parteifreund Wagners, der seinerzeit immer wieder die Familie besuchte, berichtete vor Gericht, von alldem überhaupt nichts mitbekommen zu haben. Er beschrieb Wagners Verhältnis zu den Kindern als "völlig normal" und den 41-Jährigen als fürsorglichen Menschen. Einmal habe er mitbekommen, dass die jüngere Tochter auf der Treppe gestürzt ist, das sei aber aufgrund ihrer Hyperaktivität öfter passiert. Wo sich zu dieser Zeit der Angeklagte im Haus befand, konnte der 28-Jährige aber nicht sagen. Er selbst wurde letztes Jahr am Landgericht zu einer Haftstrafe von fast drei Jahren verurteilt, da er während seiner Zeit in Wagners Familie die damals 13- und heute 17-jährige Stieftochter von Wagner geschwängert hat.

Vielleicht habe die ältere Tochter im Juni 2010 bei den Gesprächen mit der Schulsozialarbeiterin die Heimunterbringung forciert und deshalb die körperlichen Übergriffe erfunden, da sie sich nicht traute, der Mutter und ihrem Stiefvater von der Schwangerschaft zu berichten, mutmaßte die langjährige Freundin von Wagners Frau. Ihr gegenüber habe die 17-Jährige damals unter Tränen erzählt, dass Wagner ihrer Schwester ins Gesicht geschlagen habe. Die 15-jährige Tochter, die die meisten Repressalien abbekommen haben soll, habe hingegen selbst nie was davon zu ihr gesagt.

Ihre eigene Tochter, Freundin und Vertraute der gleichaltrigen 15-Jährigen, erklärte, ihre Freundin habe ihr gegenüber geäußert, dass sie sich aufgrund seiner dominanten, aufbrausenden Art nicht gut mit Wagner verstehe und dass er sie geschlagen habe.

Nach knapp sieben Stunden musste die Verhandlung während der Vernehmung von Wagners Frau unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgebrochen werden, da der Angeklagte über gesundheitliche Probleme klagte. Eine als Sachverständige anwesende Ärztin riet dem Gericht, den Angeklagten nach Hause zu schicken. Er habe tatsächlich nicht gut ausgesehen, bestätigte danach auch der Staatsanwalt.

Dass er sich aufgrund seiner Erkrankungen nicht über mehrere Stunden konzentrieren kann, hatte seine Anwältin schon zu Prozessbeginn angemerkt. Der krankheitsbedingt auf Hartz IV angewiesene Wagner habe Diabetes und leide auch heute noch an den Folgen seiner Schlaganfälle aus den Jahren 2009 und 2010.

Weitere Prozesstermine sind für den 20., 22. und 31. Januar, 14. und 21. Februar sowie 10. und 14. März angesetzt.

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