Weltkriegs-Geschichten Blindgänger im Pfarrhaus

Hornbach · Axel Mönch vom Historischen Verein Hornbach hat im Archiv des Pfälzischen Merkur nach dem Alltag im Ersten Weltkrieg geforscht, der vor fast genau 100 Jahren zu Ende ging – und Einiges zu Tage gefördert.

 Am Anfang des Ersten Weltkrieges war die Begeisterung vielerorts groß – auch in Hornbach. Mit der Zeit setzte Ernüchterung ein.

Am Anfang des Ersten Weltkrieges war die Begeisterung vielerorts groß – auch in Hornbach. Mit der Zeit setzte Ernüchterung ein.

Foto: dpa

In Hornbach wurde während des 1. Weltkriegs im alten Schulhaus ein Lazarett eingerichtet. Oberhalb des Ortes standen erste Luftabwehrstellungen, deren Blindgänger den Ort bedrohten. Wie aus Zeitungsberichten aus den Jahren 1914 bis 1918 hervorgeht, hinterließ der Krieg in dem damaligen Landstädtchen und seiner Umgebung tiefe Spuren.

 „Im nahen Bottenbach wurden aus dem Acker von R. Bachmann sämtliche Kartoffeln ausgemacht und gestohlen“, vermeldete der Pfälzische Merkur im August 1918. Auch andere Diebstähle zum Ende des Krieges hin zeugen mehr vom Hunger in der Bevölkerung als vom Verfall der Moral. Im Dezember 1917 brachen nach Auskunft der Zeitung Diebe den Gänsestall des Schmiedemeisters Ludwig Hoch aus Hornbach auf. Drei Tiere im Wert von 100 Mark wechselten den Besitzer. Zur gleichen Zeit traf es den Brunnenmacher Strembel. Die Einbrecher hatten es auf Lebensmittel abgesehen und übersahen aus ihrer hungrigen Perspektive heraus prompt einen Korb mit wertvollen Uhren.

Im damals noch sehr ländlich geprägten Ort Hornbach war die von Jahr zu Jahr schwankende Ernte schon immer Stadtgespräch. Im Laufe des Krieges wurde die Höhe der Erträge zur Überlebensfrage. „Das Jahr 1914 war für den Landwirt wohl ein gutes Jahr“, meldet der Pfälzische Merkur noch im Februar 1915. Allein das Vieh habe wegen einer schlechten Futtermittelernte zu wenig zu fressen. Der Bürgermeister von Hornbach bittet deshalb die „hohe königliche Staatsregierung“, das Laub aus den Wäldern freizugeben. Das Laub als Einstreu für das Vieh soll Stroh einsparen helfen und das Stroh bessert wiederum die Futtergrundlage auf, lautet die aus heutiger Sicht karge Kalkulation in Kriegszeiten.

Im Juli 1917 reifte eine Rekordernte an den Kirschbäumen heran, so dass die überhängenden Äste gestützt werden mussten, um nicht abzubrechen. Sorgen überwogen derweil beim Hornbacher Imkerverein. Der traf sich üblicherweise am Sonntagnachmittag im Gasthaus Weber am Stadttor. „Bienenzucht und Krieg“ lautete der im März 1915 anstehende Vortrag.  Zunehmend schwer fiel es dem Imkern, ihren Bienen den knapper werdenden Zucker zuzufüttern, wenn der Blütenbestand nicht mehr ausreichte. Die Lebensmittelpreise stiegen gleich zu Beginn des Krieges enorm an, vor allem, weil das Militär für seine Versorgung die Märkte leerfegte. Um der Spekulation mit knappen Nahrungsmitteln vorzubeugen, setzte der Staat Höchstpreise fest. Ein Pfund Butter durfte nicht mehr als 1,20 Mark kosten, ein Pfund Rindfleisch nicht mehr als 2 Mark. Da der Stundenlohn in den Zweibrücker Industriebetrieben um die 20 Pfennig lag, musste ein Arbeiter für ein Päckchen Butter drei Stunden lang schaffen. Auf dem Schwarzmarkt wurde sehr viel mehr bezahlt.

Zudem blühte der Schmuggel, was vor allem die Gendarmen der grenznah gelegenen Hornbacher Station schwer beschäftigte. Immer wieder wurden Butter und Kartoffeln heimlich auf die Lothringer Seite geschafft und vereinzelt von den Gendarmen auch beschlagnahmt.

Ihr Heil suchten angesichts der knappen Lebensmittelversorgung nicht nur die Schmuggler. Auch die Alkoholgegner nutzten die Lage für ihre Zwecke. Im Oktober 1917 fasste die Loge der Guttempler in Hornbach den Beschuss, dass „.... nicht die geringste Menge an Getreide, Kartoffeln oder Zucker der Bier, Wein- oder Branntweinerzeugung zugeführt wird“. Zudem sollten nach dem Wunsch der Guttempler wegen des Kohlenmangels die Hälfte der Gastwirtschaften geschlossen werden. Das spare nach Ansicht der Antialkoholiker nicht nur Brennstoff, sondern auch Branntwein. Ab Februar 1918 wurden dann auch Hausschlachtungen verboten, bei Androhung einer Strafe von 1000 Mark.

Die Lebensmittelknappheit zehrte neben den fehlenden militärischen Erfolgen immer mehr an der Kriegsbegeisterung der Bevölkerung. Dabei hatte auch in Hornbach alles so willig und zum Teil begeistert angefangen. Gleich im August 1914 wurde im alten Schulhaus ein Lazarett eingerichtet. „Der hiesige Frauenverein entfaltet unter der Leitung des Herrn Hauptlehrers Häußler und Herrn Dr. Kraft und verschiedenen Damen eine emsige Tätigkeit. Bis jetzt haben 30 Betten in beiden Schulsälen Aufstellung gefunden“, schreibt der Pfälzische Merkur im August 1914. Die Bevölkerung wird aufgerufen, Bettwäsche und Bargeld für das Lazarett zu spenden.

Um die im alten Schulhaus fehlenden Unterrichtsräume machte sich zu Beginn des Krieges kaum jemand Sorgen. Zur Betreuung der Jungen und zur militärischen Früherziehung wurde eine Jugendwehr ins Leben gerufen. Unter Anleitung von Franz Schadewald mussten rund 40 Jugendliche auf dem Berg zwischen Althornbach und Mauschbach Gräben ausheben, die später für Stellungen zur Abwehr von feindlichen Fliegern genutzt werden konnten. Noch zögernde Mütter, die ihre Söhne nicht hergeben wollten, wurden mit angeblich harmlosen Turnübungen für die Jungen im Freien gelockt, der eigentliche Zweck verschleiert. Zudem herrschten bei der Jugend­wehr klare Verhältnisse, hebt die damalige Berichterstattung hervor und bringt Erziehungsfragen ins Spiel. Die klaren Verhältnisse kämen vor allem Müttern zu Gute, denen die Söhne wegen der abwesenden Väter über den Kopf wüchsen. Die Erwachsenen sollten in Kriegszeiten mit patriotischen Vorträgen bei der Stange gehalten werden. Sie sollten für die immer wieder aufgelegten Kriegsanleihen Geld bereitstellen oder ihr letztes Gold zur Finanzierung des Krieges herausrücken.

Durch Fliegerangriffe rückten die Kampfhandlungen näher. Im Mai 1915 flogen zwischen zehn und zwölf Flugzeugen von Frankreich über den Pfälzerwald nach Ludwighafen, um dort ihre Bomben über den chemischen Werken abzuwerfen. Von Schäden ist in der Zeitung nicht die Rede, dafür von etlichen Schwerverletzten und Toten. Neugierde und Ahnungslosigkeit der Bevölkerung trugen mit zu den Verlusten bei. Wenn sich Flugzeuge näherten, rannten im 1. Weltkrieg einige noch auf die Straßen, um sich das ungewohnte Schauspiel anzuschauen, anstatt wenigsten im Haus Schutz zu suchen. Wiederholt mahnte die Zeitung zu vernünftigerem Verhalten während der Fliegerangriffe.

Auch die Flugabwehr musste im Laufe des Krieges erst aufgebaut werden. Auf dem Rebenberg oberhalb von Hornbach standen im letzten Kriegsjahr wahrscheinlich Geschosse zur Flugabwehr. Mit freier Sicht über das Tal konnten von dort aus feindliche Flugzeuge gut erkannt werden. Doch bei den Flakgeschützen, die noch in den Kinderschuhen steckten, ging zunächst einiges schief. Sie trafen nicht immer die französischen Flugzeuge, sondern auch mal den Hornbacher Klosterbezirk. „Ins protestantische Pfarrhaus flog dieser Tage ein Blindgänger einer Abwehrbatterie, ohne zu explodieren. Die im Keller befindlichen Hausbewohner merkten von dem unerbetenen Besucher nichts. Erst als ein Familienmitglied späterhin das gute Zimmer betrat, sah es das unheimliche Geschoss friedlich auf dem Boden liegen. Auch sonst wurden in der Umgebung unseres Städtchens mehrere Blindgänger gefunden und unschädlich gemacht“, machte der Pfälzische Merkur die Gefahr vom Berg im Juli 1918 zur Anekdote.

Meldungen von toten Angehörigen erreichten Hornbach gleich von den ersten Kriegstagen an. In September 1914 traf es als ersten den 24-jährigen Sohn des angesehenen Metzgers August Brill. „Dem Heldentod fürs Vaterland“ erlag Karl Brill in einem Lazarett in Coburg. Es folgten weitere Todesnachrichten, aber auch Ehrungen. Mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse wurde im Dezember 1915 der Gefreite Ludwig Schließmeier ausgezeichnet. Er hatte trotz des feindlichen Feuers Stacheldraht vor den feindlichen Schützengräben verlegt. Gleich mehrere Söhne verlor die Familie Hüther aus Mauschbach.

 So berichtete der Pfälzische Merkur 1914 über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

So berichtete der Pfälzische Merkur 1914 über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Foto: Mönch

Die meisten Hornbacher Rekruten kamen in das 22. Bayerische Infanterieregiment. Sie wurden in der Zweibrücker Kaserne zu Soldaten ausgebildet und anschließend an allen Teilen der Front eingesetzt. Der Krieg endete für die Hornbacher, wie für alle Pfälzer mit der Besetzung durch französische Truppen. Die von Hunger, Überarbeitung und Krieg geschwächte Bevölkerung wurde im Winter 1918 zudem von einer fürchterlichen Grippewelle erfasst.

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