Stipendien für Nachwuchs-Mediziner in Westpfalz Über Ungarn zum Traumberuf Arzt
Zweibrücken/Pirmasens · 14 junge Menschen ziehen jetzt aus Deutschland in den Südwesten Ungarns, um dort Medizin zu studieren. Finanziert von einem neuen Verein in der Westpfalz. Die Region sieht die Stipendien als Medizin gegen den sich vergrößernden Ärztemangel. Die Geldspritze fürs Studim ist deshalb an Bedingungen geknüpft.
Sie sollen in einigen Jahren den Ärztemangel in der Westpfalz lindern: 14 Kandidaten erhalten das Stipendium der interkommunalen Initiative „Ärzte für die Westpfalz“. In drei Wochen beginnen sie ihr deutschsprachiges Medizinstudium an der Universität Pécs in Ungarn (Südtransdanubien). Für die jungen Leute geht ein Traum in Erfüllung – viele haben nach der Zusage direkt ihre Ausbildung oder ihr Studium abgebrochen.
Ihre Facharztausbildung und die Praxiszeiten absolvieren die angehenden Mediziner anschließend in ihrer Heimatregion. Die elf Frauen und drei Männer im Alter zwischen 19 und 24 Jahren haben sich gegen 64 Mitbewerber durchgesetzt. Sie stammen aus Pirmasens, Kusel, Kassel und Kaiserslautern sowie aus den Landkreisen Südwestpfalz, Kaiserslautern, Bad Kreuznach und dem Donnersbergkreis.
Zu der interkommunalen Initiative gehört zwar auch die Stadt Zweibrücken, von dort ist aber niemand unter den Stipendiaten.
„Ich schaue in ganz viele glückliche Gesichter“, begrüßte der Landrat für den Donnersbergkreis Rainer Guth – in Personalunion zugleich der Vereinsvorsitzende – die Stipendiaten in Pirmasens. Die Förderung richte sich speziell an Abiturienten, die die Allgemeine Hochschulreife nicht mit der Note 1,0 absolviert haben und deshalb in Deutschland kaum eine Chance auf einen Medizinstudienplatz haben. Die Folge davon sei, dass insbesondere im ländlichen Raum Arztpraxen ohne Nachfolger schließen und auch in Krankenhäusern und Kliniken immer mehr Ärzte fehlen. Ausschlaggebend für ein erfolgreiches Studienziel seien weniger eine gute Abi-Note, sondern vielmehr Charaktereigenschaften wie Rückgrat, Mut, Einsatzbereitschaft, soziale Engagement und Heimatverbundenheit – was wichtige Auswahlkriterien gewesen seien.
„Ihr macht hier die Pionierarbeit. Ich wünsche euch einen guten Start, macht was draus – für euch und für uns“, riet der Vorsitzende den jungen Menschen, als er ihnen gemeinsam mit seinem Stellvertreter, dem Pirmasenser Oberbürgermeister Markus Zwick, die Urkunden übergab. „Unn Sie bringe mer all im Städische Kronkehaus unner“, zeigte sich Zwick nach Ende des offiziellen Teils mächtig stolz auf „seine“ Stipendiaten aus der Stadt und der ganzen Südwestpfalz. Auch aus Ungarn gab es Willkommensgrüße – per Videoaufzeichnung von Dr. László Czopf, Prodekan für Bildung an der Universität Pécs.
Lieber Mediziner als Hebamme oder Apotheker: „Mein größter Traum ist es, nach erfolgreich absolvierten Studium als Hausärztin im Dahner Tal zu leben und zu arbeiten“, sagte Eva-Marie Röckel aus Bobenthal. Wie die 19-jährige Salome Peschel als Battweiler erklärte, habe sie nach der Abiturprüfung an der IGS Contwig durch ihren Hausarzt von dem Programm erfahren. Sie habe sich direkt beworben, da sie ohnehin ein medizinisches Studium beginnen wollte.
Nach der Zusage für das Stipendiat hat der 23-jährige Student Hannes Jonathan Nau aus Waldfischbach-Burgalben seinen Master-Studiengang im vierten Semester direkt abgebrochen, erzählt er. Den Bachelor-Studiengang „Angewandte Pharmazie“ habe er bereits in Pirmasens erfolgreich abgeschlossen und will sich nun dem Arztberuf zuwenden. Die 20-jährige Laura Sophie Wehrum aus Höheischweiler hat ebenfalls nach der Stipendienzusage ihre Ausbildung im medizinischen Bereich abgebrochen. Ihr Abitur hat sie im vergangenen Jahr am Hugo-Ball-Gymnasium abgelegt.
Nicht weniger begeistert vom Stipendium zeigte sich Emma Yvi Röckel aus Pirmasens, die bis zur „Umorientierung“ das Fach „Hebammenwissenschaften“ im zweiten Semester in der Stadt studiert hat. „Vom Programm erfahren habe ich durch die Presse und Ihren Instagram-Auftritt“, wandte sich Maren Sophie Wehrum (20) direkt an den Pirmasenser Stadtchef. Für sie gehe mit dem Stipendium ein Traum in Erfüllung. Schließlich hatte sie sich an der Uni in Ungarn bereits im Vorfeld schon beworben.
Verein unterstützt auch bei Praktika und Fortbildung: Da seitens der Politik in naher Zukunft kaum mit effizienter Hilfe zu rechnen sei, sei der Verein „Ärzte für die Westpfalz“ als Eigeninitiative aus der Taufe gehoben worden, berichtet Guth. Die Verbindungen zur Uni Pécs wurden ausgebaut und Förderer für die finanzielle Ausstattung in Höhe einer mittleren sechsstelligen Summe gefunden. Das neu aufgelegte Programm „Studieren in Europa – Ärzte für die Westpfalz“ soll Abhilfe schaffen und die medizinische Versorgung in der Region nachhaltig stärken. Der Zweibrücker Stadtrat hat den Beitritt zu dem Verein Ende März bei nur einer Gegenstimme beschlossen (wir berichteten).
Ermöglicht werden acht Voll- und sieben Teilstipendien für das Wintersemester 2023/24 durch zahlreiche Großspender, darunter die Sparkassen Kaiserslautern, Kusel, Donnersbergkreis, Südwestpfalz sowie die Stadtverwaltung Pirmasens, die frog-blue AG (Kaiserslautern) sowie Privatpersonen.
Nicht nur in monetärer Hinsicht, auch, was die Betreuung anbelangt, biete der Verein den Studenten Unterstützung an: bei der Vermittlung der Praktika und Fortbildungen wie beispielsweise den begehrten „Medizinercamps“.
Die Stipendiaten: Maren Sophie Bastian (Saalstadt), Hermi-Katharina Hauck (Kaiserslautern), Anna Katharina Haßlinger (Sommerloch), Eva-Marie Hüther (Bobenthal), Moritz Krauß (Lautersheim), Lucy Laschek (Kaiserslautern), Dragan Miljkowic (Kassel), Hannes Jonathan Nau (Waldfischbach-Burgalben), Anna-Chiara Nickel (Münchweiler an der Alsenz), Salome Peschel (Battweiler), Tia-Sophie Reitmayer (Kaiserslautern), Emma Yvi Röckel (Pirmasens), Laura Sophie Wehrum (Höheischweiler), Emily Louisa Wingert (Hütschenhausen). In der Pressemitteilung war noch von 15 Stipendiaten die Rede – doch ein Stipendiat ist kurzfristig abgesprungen.