Neue Ampel in Rheinland-Pfalz? Energie und Klima sind die größten Streitpunkte

Mainz · Über die Gespräche zur Neuauflage der Ampel-Koalition haben die Parteien Stillschweigen vereinbart. Das habe sich vor fünf Jahren als goldrichtig erwiesen, sagen Vertreter von SPD, Grünen und FDP. Und machen es bereits bei der Sondierung vor.

 Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, steht vor den Bannern der Parteien Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP. Knapp zwei Wochen nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz haben die Koalitionsverhandlungen der bisher regierenden Ampelkoalition  begonnen.

Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, steht vor den Bannern der Parteien Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP. Knapp zwei Wochen nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz haben die Koalitionsverhandlungen der bisher regierenden Ampelkoalition  begonnen.

Foto: dpa/Arne Dedert

(dpa) Klimaschutz- und Energiepolitik dürften die Hauptstreitpunkte in den Koalitionsverhandlungen für die zweite Ampel-Regierung in Rheinland-Pfalz sein. Auf dem Verhandlungstisch liegen Windkraft und Verkehr, aber auch Details der Bildungspolitik. Die meisten Konfliktlinien verbinden Grüne und FDP. Die SPD wird sich aber nicht auf eine Rolle als Mediatorin beschränken.

Aus den Koalitionsverhandlungen, die an diesem Dienstag begonnen haben, dürfte wenig nach außen dringen. „Ganz in Ruhe“ zu sprechen und möglichst viele Details festzuschreiben seien entscheidende Erfolgsfaktoren der ersten Ampel-Regierung gewesen, sagte SPD-Chef Roger Lewentz gleich am Tag nach der Wahl. Das wollen die drei Parteien jetzt wiederholen und so bis Ende April einen Vertrag vorlegen, der wieder fünf Jahre hält.

Die Grünen – die als einzige der drei Parteien bei der Wahl zugelegt haben – werden sicher mehr fordern als 2016. Die SPD geht als stärkste Partei aber auch selbstbewusst in die Verhandlungen. Und für die FDP, die jetzt nicht mehr zweitgrößter, sondern kleinster Partner ist, verhandeln erfahrene Politiker mit – FDP-Generalsekretär und Landes-Chef Volker Wissing und Herbert Mertin, der das erste Mal 1999 einem Kabinett in Rheinland-Pfalz angehörte.

Die Grünen haben im Wahlkampf auf ihre Forderung nach einer Verdoppelung der Windkraft- und einer Verdreifachung der Photovoltaik-Kapazitäten großen Wert gelegt. Die FDP ist vor allem bei der Windenergie deutlich zurückhaltender. Bei den Koalitionsverhandlungen von 2016 konnten sich die Liberalen damit durchsetzen, dass neue Windräder nur mit einem Mindestabstand von einem Kilometer zu Wohnhäusern errichtet werden dürfen. „Daran halten wir fest“, heißt es im Wahlprogramm – mit den Neuregelungen zum Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz sei allen beteiligten Akteuren Planungssicherheit gegeben worden.

Die SPD ist auch hier in der Rolle der Vermittlerin – kritische Stimmen sagen, sie könne die beiden kleineren Partner auch gut gegeneinander ausspielen. Lewentz zeigt sich optimistisch, beim Ziel Klimaneutralität eine Einigung zu erzielen. Die Grünen wollten diese zwar bereits 2035 erreichen und damit fünf Jahre eher als die SPD. „Wir werden aber versuchen, wenn das umsetzbar ist, ein Stück auf die Grünen zuzugehen.“ Dreyer hatte im Wahlkampf gesagt, es dürfe kein Tabu für Windkraftanlagen in windhöffigen (wegen des Windes gut geeigneten) Regionen geben – auch nicht in Brachflächen im Pfälzer Wald. „Wir werden sie beim Wort nehmen“, heißt es in dieser Woche bei den Grünen.

Beim Verkehr will die vom Juniorpartner der Ampel zur Nummer zwei aufgestiegene Partei eine nachhaltige Klima- und Mobilitätswende erreichen. Das von Wissings Ministerium formulierte Ziel, den Anteil des Radverkehrs bis 2030 von 8 auf 15 Prozent zu steigern, ist ihr zu wenig, sie will mindestens 20 Prozent. Der FDP sind digitale Projekte und autonomes Fahren besonders wichtig. Und die Liberalen sind gegen das 365-Euro-Ticket, das die Grünen wollen und die SPD wohl mittragen würde. Die FDP – die auch künftig gerne das Ministerium führen würde – will stattdessen mehr Investitionen für den ÖPNV.

Im innerstädtischen Verkehr wollen SPD und Grüne mehr Tempo-30-Zonen. Die FDP ist jedoch erstmal gegen Tempolimits und Einschränkungen für Diesel-Fahrzeuge.

Weitgehend einig ist sich das Trio im Wunsch nach einem weiteren Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen. Die Grünen haben dazu einen „Ganztagsgipfel“ von Land und Kommunen und einen Zeitplan für mehr Ganztagsunterricht an Grundschulen vorgeschlagen: Bis 2025 soll es für 71 Prozent der Grundschulkinder Ganztagsplätze geben, bis 2030 soll es ein Ganztagsangebot in allen Grundschulbezirken geben. Die Grünen treten außerdem für kleinere Lerngruppen und den Ausbau der Integrierten Gesamtschulen ein.

Ebenso stimmen alle darin überein, dass die Digitalisierung an den Schulen mehr Tempo braucht. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat im Wahlkampf allen Schulen bis Ende des Jahres einen Internet-Zugang mit WLAN versprochen. Alle Schülerinnen und Schüler sollten bis dahin auch mit digitalen Endgeräten ausgestattet sein. Auch strebt die Partei von Bildungsministerin Stefanie Hubig eine „neue Kultur des Lernens mit mehr Freiräumen“ für gemeinschaftliches Lernen an. Dreyer hat dazu einen Start mit 100 „Zukunftsschulen“ ins Gespräch gebracht.

Die FDP legt einen Akzent auf private Schulen und will deren gesetzliche Grundlage überprüfen und anpassen. Mit Blick auf den Fachkräftemangel legen die Liberalen auch auf die duale Berufsausbildung besonderen Wert. Die Partei tritt für eine „frühe Kooperation von allgemeinbildenden Schulen, mehr projektorientierte und berufsbezogene Inhalte und gemeinsame Arbeit auf Augenhöhe“ ein.

In der Sozialpolitik dürfte die SPD mit ihren Schwerpunkten kaum auf Einwände der beiden kleineren Parteien stoßen. Dazu gehören etwa die Ausweitung von Maßnahmen gegen Kinder- und Jugendarmut und die Erhöhung der Mittel für die soziale Wohnraumförderung. Mietpreisbremse und Kappungsgrenze stoßen bei der FDP nicht auf Begeisterung, aber die Partei hat diese Instrumente bereits in der vergangenen Wahlperiode mitgetragen. Die Grünen werden voraussichtlich auf weitere Mittel für die Integration von Geflüchteten dringen.

Im Gesundheitsbereich werben die Grünen für die Weiterentwicklung kleiner, von der Schließung bedrohter Krankenhäuser auf dem Land zu lokalen Gesundheitszentren. Die SPD spricht sich für flächendeckende Gesundheitsnetzwerke aus, die medizinische Angebote verzahnen sollen. Die FDP will eine „wohnortnahe“ Krankenhausversorgung für Stadt und Land sichern. Einig ist sich das Trio beim weiteren Ausbau der Telemedizin und der Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Mit Blick auf den Personalmangel bei Gesundheits- und Pflegeberufen will die SPD die Beschäftigten in diesem Bereich fairer entlohnen und sich für einen Flächentarifvertrag in allen Pflegebranchen stark machen. Für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für alle Pflegekräfte sprechen sich auch die Grünen aus. Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Ausbildung in Gesundheitsfachberufen schuldgeldfrei ist.

In der Wirtschaftspolitik gibt es bei der Förderung von Firmengründungen und Innovationen große Schnittmengen bei den drei Parteien. Auch bei dem Ziel, die Wirtschaft von Bürokratie zu befreien, wird am Verhandlungstisch kein großer Streit ausbrechen. Die drei Parteien setzen aber eigenen Akzente: So will die FDP auf kommunaler Ebene Erlasse und Verordnungen auf ihre Auswirkungen für die mittelständige Wirtschaft überprüfen lassen. Die Grünen wollen die Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeit unterstützen. Die SPD betont, dass Rheinland-Pfalz ein Industrieland ist und deutet bei der Förderung klimafreundlicher Technologien an, dass sie dabei Rücksicht auf die wichtigen Branchen der Chemie- und Fahrzeugindustrie nehmen will.

Gründlichkeit vor Schnelligkeit – das empfahl der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Schweitzer schon am Wahlabend. „Eine der Lehren aus den fünf Jahren Ampel ist, dass wir sehr stark davon profitiert haben, dass wir uns für den Koalitionsvertrag die notwendige Zeit genommen haben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Dieses Ziel muss wieder erreicht werden: Der Koalitionsvertrag muss ein sehr verbindliches Drehbuch für fünf Jahre Ampel-Regierung sein.“ Wenn dies ein paar Tage länger dauere, sei dies gut investierte Zeit.

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