Wie Clown Rino Flüchtlinge verzaubert

Speyer · Lichtblick im Alltag einer Flüchtlingsunterkunft: Ein Zirkus verschafft den Bewohnern der Speyerer Kurpfalz-Kaserne etwas Abwechselung. Geld wollen die Akrobaten dafür nicht.

Als Clown Rino den großen roten Luftballon ins Publikum wirft, werden auch erwachsene Flüchtlinge wieder zu Kindern. Begeistert stupsen sie die Riesenkugel an, die in hohen Bögen durch den Speisesaal der ehemaligen Kaserne in Speyer segelt und nach allerlei Umwegen wieder beim Clown landet. Dessen Auftritt gehört zu einer Show, mit der der Ludwigshafener Weihnachtscircus am gestrigen Mittwoch unentgeltlich in der Flüchtlingsunterkunft gastiert - mit Erfolg. Große und kleine Bewohner geraten ins Staunen und Lachen. "Die Leute sind glücklich", sagt die 29-jährige Fatima aus Afghanistan danach.

Am Erfolg hat Clown Rino einen großen Anteil. Er treibt seine Späße mit den Kindern in der ersten Reihe, "bürstet" eines ansatzweise mit einem Lappen ab und zieht den Hut, wenn sein Gegenüber die Hand geben will. Dann legt er einem glatzköpfigen Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) den Lappen auf den Kopf und macht aus ihm so eine "Sängerin", mit der er ein schräges Karaoke-Duett bestreitet.

Zirkusdirektor Tibo Riedesel bringt sogar erwachsene Männer zum Strahlen, als er zu fetziger Musik vom Band nicht nur mit Reifen und Keulen, sondern auch mit Fußbällen jongliert. Viele Erwachsene haben da schon längst ihre Smartphones gezückt und filmen seinen Auftritt. Applaus gibt es auch für Miss Gina, die - auf dem Rücken liegend - mit den Füßen geschickt Bälle, Würfel und Rollen in Bewegung hält, während Miss Nikita mit einer Hula-Hoop-Show beeindruckt, bei der sie etwa ein Dutzend Ringe um ihren Körper kreisen lässt.

Danach gibt es viel Anerkennung. "Alles war schön und interessant", sagt der 23-jährige Syrer Mohannad Abed Al Allawiy. Besonders gut hat ihm die Nummer mit den Ringen gefallen. "Wunderschön" sei die Aufführung gewesen, sagt die zehnjährige Alaa Ibrahim aus Damaskus. Sie habe auf der Flucht viel Angst gehabt, nun habe sie das erste Mal nicht an den Krieg gedacht. "Die Kinder haben sich sehr gefreut", sagt der 45-jährige Hanan Zainaldin aus Aleppo. Seine beiden kleinen Töchter haben noch nie einen Zirkus gesehen.

Auch die vielen Kinder, die DRK-Erzieherin Melissa Müller und ihre Kollegin im Schlepptau haben, wussten offenbar nicht, was sie in der großen Halle erwartet. Sie habe versucht, es zu erklären, aber wegen der Sprache hätten die meisten es wohl nicht verstanden, sagt Müller. Das DRK betreut die 521 Bewohner der Kaserne, die von der Bundeswehr weitgehend geräumt wurde. Die Spuren der Soldaten sind noch zu sehen. "Truppenküche/Mannschaftheim" steht über dem Eingang zum Speisesaal, vor dem sich Flüchtlinge an Tischtennisplatten die Zeit vertreiben. Außerdem gebe es Sprachkurse, sagt DRK-Sprecherin Christina Jost-Mallrich. Rund um die am Stadtrand gelegene Kaserne gibt es sonst kaum Attraktionen.

Da ist der Zirkus eine willkommene Abwechselung. "Uns hat das Schicksal der Flüchtlinge berührt", sagt Zirkussprecher Gerd Hübner. "Da wollten wir mal eine halbe Stunde lang Freude bereiten." Nun habe der Weihnachtscircus, hinter dem der Circus Baronn der Familie Riedesel steht, die Idee, nicht nur Zirkus für, sondern auch Zirkus mit Flüchtlingen zu machen. "Wir sind spezialisiert auf Mitmachprojekte."

Für den 45-jährigen Hanan Zainaldin könnte damit ein Wunsch in Erfüllung gehen: "Das möchte ich gerne noch einmal sehen", sagt der Mann aus Aleppo nach der Aufführung in der Speyerer Flüchtlingsunterkunft.

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