Wellness im Kuhstall: Wasserbett und Massagebürste für Karla und Co.

Maxsain/Seck · Kühe auf Wasserbetten? Gibt es wirklich. Bei einem Milchbauern im Westerwald. Seine Kühe sollen sich wohlfühlen – und so mehr Milch geben. Klappt das? So wie er denken jedenfalls noch weitere Kollegen.

Karla hat es sich gemütlich gemacht. Sie liegt auf einem Wasserbett und genießt das sanfte Schaukeln unter ihrem Bauch. Dabei verdaut sie. Karla ist eine Kuh im Stall von Annette und Andreas Aller in Maxsain im Westerwald. Die Allers gehören zu der nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes steigenden Zahl von Landwirten, die auf Kuh-Komfort setzen. "Wir wollen damit erreichen, dass es den Kühen gut geht. Weil wir ja auch mit den Tieren nur Geld verdienen können, wenn es ihnen gut geht", sagt Andreas Aller.

Zum Wellness-Programm gehört noch mehr: An elektrischen Kratzbürsten im Stall können sich die Kühe Kopf und Rücken massieren lassen. Die Kuh muss eine der vier Bürsten touchieren - dann rollt diese über ihren Körper. Gegen Hitze hilft eine Dusche: "Da haben wir über dem Fressgang Düsen eingebaut", sagt die Bäuerin. Und tagsüber dürfen die Tiere aussuchen, ob sie im luftigen Laufstall bleiben oder raus auf die Weide gehen wollen.

Damit will die Familie die Kühe bei der Milchproduktion unterstützen. "Ihre Arbeit ist vergleichbar mit der eines Hochleistungssportlers", sagt der 50-Jährige. Schließlich gebe eine Kuh im Schnitt 28 bis 30 Liter Milch am Tag. In deutschen Kuhställen habe es einen Kulturwandel gegeben: "Man hat gemerkt, dass wir nur Leistung erwarten können von den Tieren, wenn auch das Wohlbefinden entsprechend ist." Ein Wasserbett haben der Bauer und seine Frau übrigens selbst in ihrem Schlafzimmer.

Landwirt Erich Lipowski und Sohn Jens haben seit einiger Zeit eine Klauenwaschanlage im Stall. Morgens und abends vor dem Melken gehen die Tiere durch einen Spritzgang - die Klauen werden mit einer desinfizierenden Lösung abgespült. Damit sei die Zahl der bakteriellen, schmerzhaften Entzündungen an den Kuh-Klauen fast auf null reduziert worden, sagt der Juniorchef. Vor dem Einsatz der Anlage seien rund 80 Prozent der Tiere von der Klauenerkrankung Mortellaro befallen gewesen. "Den Tieren geht es damit besser. Und je besser es ihnen geht, desto mehr Milch geben sie", sagt der 26-Jährige. Und die Klauen-Pflege ist nur ein Teil des Programms für die rund 150 Kühe in ihrem Stall in Seck im Westerwald. Auch hier liegen die Kühe weich - in offenen Boxen auf einer Art Matratze. Diese bildet sich aus einem Kalk-Strohgemisch, das wöchentlich angesetzt wird.

Bei der Milchtierhaltung - bundesweit gibt es rund 78 000 Milchbauern - habe sich in den vergangenen Jahren "grundsätzlich einiges getan", sagt dazu Jochen Dettmer, Sprecher des Arbeitskreises Landwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Es gebe aber große regionale Unterschiede: Im Süden Deutschlands sei in vielen Ställen noch Anbindehaltung üblich, im Norden gebe es vermehrt Boxenlaufställe.

Generell müsse eine verstärkte Weidehaltung Ziel sein, fordert der Experte. Bei anderen Nutztierarten wie Schweinen und Geflügel habe sich die Haltung dagegen nicht wesentlich verbessert, eher verschlechtert.

Zwischen sechs und sieben Milliarden Euro investierten Bauern in Deutschland jährlich in ihre Ställe, sagt der Sprecher des Deutschen Bauernverbandes, Michael Lohse. Geld, das in einen Umbau, in Neubauten oder in die Einrichtung fließe. Es habe viele Veränderungen gegeben, "auch in der Breite". Wobei es immer mal wieder schwarze Schafe unter Tierhaltern gebe.

Eines mache die Milchbauern wütend: Dass bei den gestiegenen Bemühungen und Anforderungen um Tiere, Arbeitsschutz und Qualität der Milchpreis derzeit so niedrig sei. Es gebe oft keine Möglichkeit, Reserven anzulegen, für Investitionen müsse man sich verschulden. Tatsächlich ist der Preisdruck bei Milchprodukten enorm: Der Liter Vollmilch ist bei manchen Discountern schon für 55 Cent zu haben, das 250 Gramm-Paket Deutsche Markenbutter mancherorts für unter 90 Cent.

Es sei "ein großes Anliegen" der Bauern , dass die Investitionen, die sie für Tierwohl und Tiergesundheit machten, von der Gesellschaft auch honoriert würden, sagt auch Andreas Aller, der Bauer von Kuh Karla. Jeder Bauer wolle seinen Tieren den besten Komfort bieten, sagt er - aber: "Es muss auch wirtschaftlich realisierbar sein."

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