Spionage-Prozess in Koblenz gestartet

Koblenz · Eine internationale Spionageaffäre ist in Koblenz vor Gericht gelandet. Drei Agenten sollen einem türkischen Nachrichtendienst Informationen über Oppositionelle in Deutschland geliefert haben.

Sie sollen Kurden in Deutschland für einen türkischen Nachrichtendienst ausgespäht haben: Seit gestern stehen drei mutmaßliche Spione vor dem Oberlandesgericht Koblenz . Der Hauptangeklagte wies beim Prozessauftakt die Vorwürfe zurück. Hannes Linke, der Anwalt dieses mutmaßlichen Führungsoffiziers, sagte: "Herr G. ist unschuldig. Der Angeklagte wird heute keine Angaben machen."

Das angeklagte Trio soll fast zwei Jahre lang in Deutschland lebende Kritiker des damaligen türkischen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ausspioniert haben. Die Anwälte der zwei Mitangeklagten äußerten sich gestern nicht zu den Vorwürfen. Ricarda Lang, Rechtsanwältin eines Mitangeklagten aus Wuppertal, beantragte die Einstellung oder Aussetzung des Verfahrens, weil der Verteidigung nicht alle Akten vorlägen. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts entschied nicht sofort über diesen Antrag.

Bundesanwalt Bernd Steudl warf dem "reisenden Führungsoffizier" Muhammed Taha G. (59) aus Istanbul vor, Kopf eines "verzweigten Netzes informeller Mitarbeiter" gewesen zu sein. Der mitangeklagte Deutsch-Türke (34) aus dem pfälzischen Bad Dürkheim und der ebenfalls beschuldigte Türke (59) aus Wuppertal hätten ihm etwa Informationen und Fotos von Kundgebungen kurdischer Aktivisten geliefert.

Der mutmaßliche Führungsoffizier habe diese Erkenntnisse über Hintermänner im türkischen Sicherheitsapparat weitergereicht. Laut Steudl ist vorerst ungeklärt, ob der Mann formal oder nur inoffiziell dem türkischen Nachrichtendienst MIT angehört. Er sitzt als einziger der drei Angeklagten weiterhin in deutscher Untersuchungshaft.

Seinen zwei mutmaßlichen Zuträgern warf der Bundesanwalt vor, billigend Nachteile für die "angeschwärzten Personen" in Kauf genommen zu haben. Einer der beiden habe über ausgespähte Erdogan-Kritiker gesagt: "Man wird sie vernichten." Von tatsächlicher Gewalt gegen Oppositionelle war im Prozess allerdings nicht die Rede.

Auf die Spur gekommen waren die Ermittler den drei mutmaßlichen Spionen laut der Anwältin Lang im Zuge eines Falschgeld-Verfahrens unter anderem gegen ihren Wuppertaler Mandanten. Diese Ermittlungen seien auch nach rund drei Jahren noch nicht abschlossen.

Der Koblenzer Prozess um geheimdienstliche Agententätigkeit sollte am heutigen Donnerstag mit der Vernehmung von Zeugen fortgesetzt werden. Terminiert ist das Verfahren vorerst bis Weihnachten.

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