Richtigen Schritt wieder in Frage gestellt

Südwestpfalz. Vor zehn Jahren ist das „vierte Gesetz zur Modernisierung des Arbeitsmarktes“ in Kraft getreten – bekannt geworden als „Hartz IV“. Schon bei der Einführung am 1. Januar 2005 eine der umstrittensten Sozialreformen Deutschlands, wird auch nach einem Jahrzehnt immer noch diskutiert über die neue Betreuung von Langzeitarbeitslosen. Gerade im Landkreis Südwestpfalz waren vor zehn Jahren die Veränderungen gravierend, denn er gehört zu den sogenannten Optionskommunen, die alleine ohne die Bundesagentur für Arbeit die Langzeitarbeitslosen betreuen. Was hat Hartz IV für den Landkreis gebracht? Hat sich das Optionsmodell bewährt? Fragen, die Merkur-Mitarbeiter Guido Glöckner an Landrat Hans Jörg Duppré (CDU) gestellt hat.

Herr Duppré, zunächst einmal die Kernfrage schlechthin: Ist Hartz IV im Landkreis Südwestpfalz nach zehn Jahren eine Erfolgsgeschichte?

Duppré: Sicherlich war die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vor zehn Jahren der richtige Schritt und ein erfolgversprechender Ansatz. Nachdem das Gesetz in den letzten zehn Jahren aber über 100 Anpassungen erfahren hat, wurde dieser Ansatz leider wieder in Frage gestellt. Von der ursprünglichen Absicht, durch die Berechnung von drei Zahlen - Regelsatz, Mehrbedarf und Kosten der Unterkunft - schnell und übersichtlich die Hilfe festzustellen, ist heute nicht mehr viel geblieben. Inzwischen sind hoch komplizierte Rechen- und Bewertungsschritte durchzuführen.

Vor einem Jahrzehnt haben Sie sich stark gemacht dafür, dass der Landkreis Südwestpfalz eine der sogenannten Optionskommunen wird. War es die richtige Entscheidung?

Duppré: Ja, das war definitiv die richtige Entscheidung für unseren Landkreis. Denn Optionskommune zu sein, bedeutet eigenverantwortlich zu sein. Selbst eine solch wichtige Aufgabe wie die Betreuung von Langzeitarbeitslosen zu übernehmen, war rückblickend die bessere Lösung.

Was hat sich geändert mit der Hartz-IV-Einführung und dem speziellen Weg der Südwestpfalz für die Langzeitarbeitslosen?

Duppré: Bei einer Optionskommune ist die Verwaltung für alle Anliegen eines betroffenen Kreisbürgers an Ort und Stelle. Jeder Leistungsberechtigte kennt seinen Leistungssachbearbeiter und seinen Fallmanager, diese kennen die lokalen Gegebenheiten in der Region. Die Mitarbeiter des kommunalen Jobcenters des Landkreises lösen kurzfristig existenzielle Probleme, soweit beurteilbare Sachverhalte vorliegen. Das ist in Bundesverwaltungen nicht immer gewährleistet. Die Zahlen der vergangenen zehn Jahre sprechen für sich: Wir haben die Bedarfsgemeinschaften von 2400 im Jahr 2005 auf 1529 zum Jahresende 2014 verringern können - das bedeutet ein Minus von 35 Prozent. Hatten wir im Landkreis 2005 noch 3230 Leistungsberechtigte, die erwerbsfähig sind, waren es zum Jahresende 2014 nur noch 2020 - auch das ist mit 37 Prozent ein Drittel weniger. Und es ist auch gelungen, mit 36 Prozent rund ein Drittel der Kreisbürger herauszubringen aus den Hartz-IV-Leistungen, sprich Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, damit sie sich und ihre Familien selbst ernähren können. Die Leistungsbezieher haben sich von 4400 im Jahr 2005 auf 2800 zum Jahresende 2014 verringert. Es ist in diesen zehn Jahren gelungen, das machen diese Zahlen deutlich, nicht nur weitere Hartz-IV-Empfänger zu vermeiden, sondern die Langzeitarbeitslosigkeit im Landkreis sogar abzubauen. Was kann eine kommunale Betreuung von Hartz-IV-Empfängern besser?

Duppré: Globalisierung und Rationalisierung beherrschen die Arbeitswelt - da sind die Kommunen für die Vermittlung und Betreuung von Langzeitarbeitslosen von immer größerer Bedeutung. Eine Optionskommune hat die Möglichkeit, hilfebedürftigen Bürgern Leistungen aus einer Hand anzubieten. Jugendhilfe, Kinderbetreuung, Schuldnerberatung oder Wirtschaftsförderung, die ebenfalls bei der Kreisverwaltung angesiedelt sind, können durch das Optionsmodell mit der Betreuung von Langzeitarbeitslosen einfach verzahnt werden. Damit entsteht ein integrierter Lösungsansatz im Interesse der betroffenen Personen und ihrer Familien. Die Mitarbeiter der Kreisverwaltung wissen, wie es in der Region für die betroffenen Kreisbürger aussieht, was für die Aufgabe der Betreuung, Förderung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen wichtig ist. Denn es müssen alle zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden, Langzeitarbeitslose und ihre Kinder auch mit schwierigen Zukunftsperspektiven in Arbeitsleben und Gesellschaft zu integrieren. Die Verknüpfung der Handlungsmöglichkeiten des Landkreises mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten eröffnet erst Gestaltungsmöglichkeiten. Die gute Entwicklung, die der Landkreis in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich genommen hat, bestätigt diese Bewertung.

Muss es künftig weitere Änderungen geben, um die betroffenen Langzeitarbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt integrieren zu können?

Duppré: Unter den Langzeitarbeitslosen im Landkreis gibt es sehr unterschiedliche Personengruppen, auf die jeweils speziell eingegangen werden muss, um Erfolge zu erzielen. Dies geschieht im kommunalen Jobcenter durch die Bildung von Fachteams für unter 25-jährige Langzeitarbeitslose , für Alleinerziehende, für ältere Bürger über 50 Jahre, die schon länger ohne Arbeit sind. Es gibt aber auch unter den Hartz-IV-Langzeitempfängern Personen, die mehr als 21 Monate in den vergangenen zwei Jahren Leistungen bekommen haben - Kreisbürger, die nicht mehr die heutigen modernen Anforderungen eines Arbeitsplatzes erfüllen können. Sie wurden in vielen Städten und Gemeinden in Maßnahmen wie Bürgerarbeit vermittelt. Nach dem Projektende kehren die meisten Teilnehmer solcher Projekte nun wieder in den Bezug der Hartz-IV-Förderung zurück. Die Menschen hatten sich oftmals über drei Jahre mit ihrer "Bürgerarbeit" identifiziert, nun stehen viele wieder vor dem Nichts. Für diese Menschen müsste eine auf Dauer angelegte, öffentlich geförderte Beschäftigung angeboten werden, die neben dem Eingliederungsbudget finanziert wird. Dass dabei eine Prüfung der Veränderungen in längeren Zeitabständen vorgenommen wird wie beispielsweise in den Werkstätten für behinderte Menschen, ist sicher gerechtfertigt.

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