Mitschuld an tödlicher Geisterfahrt? Nach tödlicher Geisterfahrt auf Freigang: JVA-Beamte vor Gericht

Limburg · Haben drei Justizvollzugsbeamte Mitschuld an einer tödlichen Geisterfahrt eines Häftlings auf Freigang? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit gestern das Landgericht Limburg. Angeklagt sind die stellvertretende Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Wittlich, ein Beamter aus dieser Anstalt sowie ein Kollege aus der JVA Diez. Sie waren beteiligt, als dem Häftling im Januar 2015 Freigang gewährt wurde. Während dieses Freigangs stieg er ohne Führerschein in ein Auto, geriet in eine Polizeikontrolle, raste auf einer Bundesstraße gegen die Fahrtrichtung davon und krachte in ein entgegenkommenden Auto, dessen Fahrerin starb.

 Gestern wurde der Prozess gegen drei Beamte der JVA Wittlich in Limburg eröffnet.

Gestern wurde der Prozess gegen drei Beamte der JVA Wittlich in Limburg eröffnet.

Foto: dpa/Thomas Frey

Staatsanwalt Manuel Jung betonte gestern vor Gericht, alle drei Angeklagten hätten ihre individuelle Sorgfaltspflicht missachtet und die fahrlässige Tötung des 21-jährigen Unfallopfers ermöglicht. Der JVA-Mitarbeiter aus Wittlich habe zwar erkannt, dass der Häftling für eine Verlegung in den offenen Vollzug „ungeeignet“ gewesen sei, habe ihr aber dennoch zugestimmt.

Die stellvertretende Leiterin der Einrichtung unterschrieb den Vollzugsplan demnach im Oktober 2013, ohne ihn zu prüfen. Daraufhin war der Häftling nach Diez verlegt worden. Der dortige JVA-Beamte prüfte das strafrechtliche Vorleben des Häftlings nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht – so sei der Häftling schließlich zum Freigänger geworden.

Die Verteidiger der drei Angeklagten wiesen die Vorwürfe zurück. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Entscheidung, den Mann in den offenen Vollzug nach Diez zu verlegen und dessen Unfallfahrt. Der geänderte Vollzugsplan mit der Verlegung in den offenen Vollzug sei schon im Oktober 2013 beschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten die JVA-Beamten nicht damit rechnen können, dass der Häftling eine „Gefährdung der Allgemeinheit“ sei. Der Strafvollzug ziele auch auf die Resozialisierung von Häftlingen, es sei kein „Verwahrvollzug“.

Oberstaatsanwalt Joachim Herrchen sagte vor Prozessbeginn, die Angeklagten hätten sich nicht „hinreichend mit dem Täter beschäftigt“. Sonst wäre sein Verhalten „erwartbar“ gewesen – zumal der Mann mehr als 20 Mal einschlägig vorbestraft gewesen sei. Die meisten Taten seien Straßenverkehrsdelikte wie Fahren ohne Führerschein oder unter Alkoholeinfluss gewesen. Auch wegen gefährlicher Fahrmanöver war der Geisterfahrer bereits mehrmals verurteilt worden.

Der Unfallverursacher selbst war im Dezember 2015 zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden. Das Verfahren gegen die JVA-Beamten wird am 11. Dezember fortgesetzt.

(dpa)
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