Mit dem Schiff zur Arbeit

Mainz/Wiesbaden · Nach der Sperrung der Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden satteln viele Pendler werktags auf die Rheinfähren um. Für die Betreiber ist das ein Kraftakt. Wer als Autofahrer unter Zeitdruck steht, kommt ins Schwitzen.

In der Morgendämmerung leuchten unzählige Lichter. Scheinwerferpaare, dicht gedrängt hintereinander. Wie viele genau, das erkennt das bloße Auge vom Rhein-Ufer gegenüber aus nicht. Wo die Schlange der wartenden Autos endet, auch nicht. Eines haben die Fahrer der Fahrzeuge alle gemeinsam: Sie wollen auf die andere Seite des Flusses, in das Nachbarland Rheinland-Pfalz. Oder umgekehrt, von Rheinland-Pfalz nach Hessen. Normalerweise nehmen viele Fahrer den Weg über die Straße. Seit gut einer Woche geht das aber nur mit großen Mühen. Die Schiersteiner Brücke, eine der wichtigsten Verbindungen im Rhein-Main-Gebiet, ist gesperrt.

Die Autobahnbrücke gilt als Nadelöhr zwischen den zwei Bundesländern. Bis zu 90 000 Fahrzeuge überquerten das Bindeglied zwischen Mainz und Wiesbaden täglich. Wegen Sicherheitsmängeln hat die Polizei das marode Bauwerk vergangenen Dienstag überraschend gesperrt. Für Fußgänger , Autos und Radfahrer soll das nach Angaben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD ) von gestern voraussichtlich auch bis Ende März noch so bleiben. Lkw-Fahrer müssen vermutlich sogar noch länger ausweichen. Plan B ist deshalb für viele Pendler nun das Schiff. Auf den Fähren am Rhein herrscht seitdem Hochbetrieb.

Ebenso auf der Rheinfähre Maul, die zwischen Ingelheim und dem hessischen Oestrich-Winkel pendelt. "An einem normalen Wochentag sind es 700 bis 800 Autos, momentan haben wir bis zu 2500 pro Tag", sagt Betriebsleiter Michael Maul. Über die Fastnachtstage sei es ruhiger gewesen. Aber seine Befürchtung, dass sich ab Aschermittwoch wieder lange Autoschlangen vor der Rampe bilden, hat sich bestätigt.

Pro Fahrt nimmt die Fähre 32 Autos mit, das Ticket für Pkw kostet 4,50 Euro. Auf hessischer Seite sind es deutlich weniger Passagiere , die am Morgen nach Rheinland-Pfalz wollen. Im rheinland-pfälzischen Ingelheim stehen um halb Acht knapp hundert Autos. Fahrradfahrer und Fußgänger kommen noch hinzu. Damit diese möglichst schnell an das andere Ufer gelangen, pendelt die Fähre ohne Pause hin und her. Eigentlich hat sie einen Halbstundentakt.

Zusätzliche Leute angeheuert

Um dem Ansturm Herr zu werden, beschäftigt Maul nun mehr Mitarbeiter. Vier Mann zusätzlich sind es - der Rüdesheimer Geremeg Abbe hat heute seinen zweiten Tag. Ähnlich schaut es auch in anderen Betrieben aus. An der Autofähre Bingen-Rüdesheim arbeiten seit der Brückensperrung sechs Helfer mehr. "Wir haben schon unsere Saisonkräfte aktiviert, die normal erst im April anfangen", sagt Oliver Junck vom Fährbetrieb. Zwei Fähren sind im Dauereinsatz, eine weitere fährt seit vergangener Woche.

Auch die Fahrrad- und Personenfähre, die vom hessischen Niederwalluf auf die andere Rheinseite nach Budenheim fährt, ist in Betrieb. "Normal fahren wir im Winter gar nicht, wir haben sie als Notfähre eingesetzt", sagt die Leiterin Elisabeth Nikolay. Für Autos ist hier kein Platz, um die soll sich ab Donnerstag eine zusätzliche Autofähre der "Bingen-Rüdesheimer Fähr- und Schiffahrtsgesellschaft" kümmern.

Die Sperrung der viel befahrenen Brücke ist für die Fähren eine Herausforderung, da sind sich die Betreiber einig. Aber es bringt natürlich auch mehr Geld in die Kassen. Pech haben allerdings oft die Wartenden selbst - wie ein Geschäftsmann aus Bad Kreuznach, der auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen ist. Er steht in der Autoschlange vor seinem Wagen, in den Händen hält er ein Ticket. Sein Flieger geht um 8.30 Uhr. Und die Uhr zeigt zehn vor.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort