Tattoo Expo Kunst, die unter die Haut geht

Saarbrücken · Vom Schäferhund bis zum Baby: die Motive, der Besucher der 13. Internationalen Tattoo Expo könnten unterschiedlicher nicht sein.

 Die 23-jährige Lena aus Spiesen-Elversberg lässt sich von ihrem Nachbarn, „Tattoo-Artist“ Luc Kurz, eine Kriegerin mit Schwert und nacktem Busen stechen. Trotz Lächeln – ganz ohne Schmerz geht das nicht.

Die 23-jährige Lena aus Spiesen-Elversberg lässt sich von ihrem Nachbarn, „Tattoo-Artist“ Luc Kurz, eine Kriegerin mit Schwert und nacktem Busen stechen. Trotz Lächeln – ganz ohne Schmerz geht das nicht.

Foto: Katja Sponholz

Celine aus Beckingen ist eine der ganz wenigen in der Saarlandhalle, die noch keines hat. Aber im Juni wird sie 18, und sie weiß schon genau, wie ihr erstes Tattoo aussehen und wo es sich befinden soll: „Die Koordinaten von meinem Zuhause“, sagt sie, „unter die linke Brust, möglichst nah am Herzen.“ Zur 13. Internationalen Tattoo Expo Saar ist sie an diesem Wochenende mit ihren (tätowierten) Eltern gekommen, ebenso Lea aus Homburg. Auch sie ist 17 und noch „ohne“. „Es soll etwas Kleines sein. Aber das Motiv fehlt noch“, gibt sie zu. Das, was sich Lena (23) aus Spiesen-Elversberg gerade von ihrem Nachbarn Luc Kurz unter den neugierigen und faszinierten Blicken der Messe-Besucher stechen lässt, kommt jedenfalls nicht in Frage. Schließlich füllt die langhaarige Kriegerin mit Schwert und dem hervorquellenden Busen aus dem engen Oberteil nahezu den kompletten Rücken der Blondine aus. Immer wieder bleiben Leute stehen und nicken anerkennend. „Sieht toll aus“, meint auch Leas Mutter Nicole. „Und sie liegt so entspannt!“

Aber ohne Schmerzen geht es eigentlich nicht, wenn man sich ein Tattoo stechen lassen möchte. Das weiß jeder, der an diesem Wochenende hierhin gekommen ist und selbst eine solche Körperbemalung hat – und das sind viele. „Die Frauen sind dabei manchmal härter im Nehmen“, weiß Jörg Süßdorf, einer der Veranstalter, und seit 40 Jahren selbst tätowiert. Und die Damenwelt hat in der einstigen Tattoo-Szene von Rockern, Seefahrern und Knastbrüdern stark aufgeholt. „Fifty fifty“ ist das Verhältnis mittlerweile, schätzt Süßdorf.

Auch sonst hat sich viel getan, seitdem er mit der „Interessengemeinschaft Pop und Rock“ vor 13 Jahren zum ersten Mal zur Tattoo Expo einlud. Diese Art von „Körperschmuck“ sei damals eher noch verpönt gewesen, und zu den 40 Tätowierern in die kleine Location nach St. Ingbert kamen 500 Besucher. An diesem Wochenende rechneten die Veranstalter mit fünf bis 8000 pro Tag. Wobei die Zahl der Tätowierer – die hier „Tattoo-Artisten“ heißen – bewusst auf 120 begrenzt wurde, damit es genug Aufträge für alle gab. Schließlich kamen die Experten für Körperbemalung nicht nur aus Deutschland, sondern nahmen weite Anfahrten bis aus Griechenland, Spanien und England in Kauf. Und nicht jeder, der wollte, durfte auch dabei sein: Professionalität war eine der Grundvoraussetzungen, die sie erfüllen mussten – und natürlich großen Werte auf Hygiene, Sauberkeit und Pflege legen.

Doch wer es an diesem Wochenende in die Saarlandhalle geschafft hat, hat genug zu tun: Überall summt und brummt es, Stand an Stand sitzen oder liegen die Besucher und haben ihre Waden, ihre Bäuche oder ihre Rücken entblößt, um sich verschönern zu lassen. Von Männern, bei denen man mitunter Schwierigkeiten hat, ein freies Stückchen Haut zu finden.

„Das ist wie eine Sucht. Erst will man nur eines, und schon ist der Arm zu“, meint Süßdorf, der selbst Motorräder- und Auto-Motive bevorzugt. Die Zeiten, dass man sich nur irgendein 0815-Kreuz auf den Oberarm stechen ließ, sind lange vorbei. Heute wählt man Motive, zu denen man eine persönliche Beziehung hat, die individuell sind – wie die Namen der Kinder oder das Ultraschallfoto des ersten Babys. „Von Namen der Freundin oder politischen Motiven raten wir ab“, sagt Süßdorf. Dafür nehmen immer mehr Tattoos, die wie Fotos aussehen, Einzug auf die Haut. „Realistic“ heißt der neueste Trend, der zugleich wegen seines Detailreichtums eines der aufwändigsten Körperbilder ist und unter allen Stilarten als Königsdisziplin gilt. Doch auch Trash Polka (eine Kombination aus fotorealistischen Motiven mit grafischen Elementen), Mandalas und die besonders farbigen „Colours“ haben das Port-Folio der Tattoo-Artisten erweitert.

 Ein Besucher lässt sich auf der Expo ein Porträt stechen.

Ein Besucher lässt sich auf der Expo ein Porträt stechen.

Foto: Katja Sponholz

Und wenn doch etwas schief gehen sollte, gibt es ja immer noch die Möglichkeit, das Tattoo  (unter ebenso hohen Kosten und Schmerzen wie beim Entstehen) wieder entfernen zu lassen. Bei der Expo Saar hatten jene Besucher übrigens Glück, die die beiden hässlichsten und missratendsten Tätowierungen hatten: Für die „Gurke“ erhielten sie an diesem Tag ein so genanntes „Cover Up“ in Höhe von 250 Euro zum Verschönern des Fehlers. Neben Saskias Sternchen am Handgelenk, Sylvias Pferdkopf am Oberarm und Kevins SpongeBob am Oberschenkel trat unter anderem Sascha mit seinen chinesischen Schriftzeichen am Unterarm an. Technisch zwar perfekt gemacht, gibt er zu, aber leider der Name seiner Exfrau, mit der er gerade einen Rosenkrieg führt. „Ich habe es nicht bereut, es gemacht zu haben – damals hat es mir Kraft gegeben“, blickt er zurück, „aber jetzt will ich nicht mehr an sie erinnert werden.“ Den begehrten Gutschein gewinnt an diesem Tag zwar eine andere „Gurken“-Trägerin, das Tattoo wird aber dennoch verschwinden. Rund 300 Euro, schätzt Sascha, wird das kosten. Von Körperbemalung hat er trotzdem nicht die Nase voll. Das nächste Tattoo ist schon fest eingeplant. Allerdings nicht der Name seiner neuen Freundin auf dem anderen Arm, sondern ein realistisches Bild auf seiner Wade: von seinem Schäferhund.

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