„Ich bin schnell angekommen“

Kaiserslautern · Im Osten geboren und aufgewachsen, im Westen in leitender Funktion: Für Psychologieprofessor Thomas Lachmann ist das Realität. In der Wissenschaft spielt das Ost-West-Thema aus seiner Sicht keine Rolle mehr – im Alltag vieler Menschen dagegen schon.

Dass er einmal ein begeisterter Anhänger des FC Kaiserslautern und der Pfälzer Weinberge werden würde, hat Thomas Lachmann vor 25 Jahren nicht geahnt. Der junge Sachse hatte damals gerade mit dem Psychologiestudium in Leipzig begonnen, als die Wiedervereinigung kam. Seitdem ist viel passiert: Lachmann hat Karriere gemacht und ist in den Westen gegangen, seit 2006 hat der Psychologe einen Lehrstuhl an der TU Kaiserslautern .

Wie sieht er das deutsch-deutsche Miteinander 25 Jahre nach der Wiedervereinigung , die am Wochenende gefeiert wurden? Meistens werde in den Medien nur der "Jammer ossi", der Unzufriedene gezeigt, sagt der 48-Jährige, "und das finde ich ein bisschen schade". "Ich glaube schon, dass die allermeisten froh sind, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist", sagt er. Allerdings akzeptiere er auch, dass es hier und da Leute gibt, die das ganz anders sehen.

Ihm selbst hatte die Wiedervereinigung zunächst nicht nur Gutes gebracht. Der Sohn eines Neuropsychiaters aus Weischlitz im heutigen Vogtlandkreis hatte nach dem Militär 1988 ein Lehramtsstudium für Sonderpädagogik begonnen. Nach dem Mauerfall hieß es jedoch, diese Art Sonderpädagogik gebe es im Westen nicht, andere Qualifikationen seien nötig - "eigentlich musste man noch einmal von vorn beginnen", sagt Lachmann.

Er begann Psychologie zu studieren. "Das habe ich nicht bereut." Weil die Leistungen gut waren, bekam er ein Hochbegabten-Stipendium und ging 1992 eine Zeit lang an die University of California in San Diego, wo sein Interesse an der Forschung erwachte. Ihr blieb er treu. Er befasst sich schwerpunktmäßig damit, wie Kinder lesen lernen und wie man sie fördern kann.

2005 lockte eine Professorenstelle in Bamberg - "das war natürlich eine Riesen-Herausforderung", sagt er. Nicht in wissenschaftlicher Hinsicht, da hatten sich die Niveaus der Unis in Ost und West nach seiner Ansicht in den späten 90ern angeglichen. Lachmann überlegte vielmehr, ob er etwas gegen seinen sächsischen Dialekt tun sollte, um nicht sofort als Ossi zu erscheinen, ließ es dann aber. Schließlich seien die Studenten heutzutage gewohnt, dass die Professoren von überall her kämen.

Als er im Jahr 2006 einen Ruf nach Kaiserslautern erhielt, griff der Familienvater zu, obwohl es ihm in Bamberg gefiel. "Man entscheidet in der akademischen Welt immer danach, wo die bessere Position und Ausstattung ist", erklärt er.

"Ich bin schnell angekommen im Westen", sagt Lachmann. In Kaiserslautern wurde er bald zum Dekan gewählt. Zudem ist der Psychologieprofessor Sprecher einer Forschungsinitiative des Landes. Er leitet ein Forschungszentrum, dem eine Reihe interdisziplinärer Arbeitsgruppen angehören. An seinem Lehrstuhl laufen mehrere große Projekte, darunter auch eine Studie zur Auswirkung von Fluglärm auf die Entwicklung von Kindern im Umfeld des Frankfurter Flughafens.

Inzwischen sehe er Kaiserslautern und Rheinland-Pfalz als Heimat an, sagt er. Seine Frau fand in der Uni-Stadt schnell einen Job, sein zweiter Sohn wurde hier geboren. Durch seine Kinder wurde der einstige Fußballmuffel zu einem Fan des 1. FC Kaiserslautern . Lachmann liebt nach eigenen Angaben die Pfälzer, und er mag die Südliche Weinstraße, deren Hügel ihn an das Vogtland erinnern.

Der Ärger, den er 1990 wegen der Schwierigkeiten mit dem ersten Studienfach empfand, ist verflogen. Zwar habe die Wende seiner Generation neben Chancen auch Risiken gebracht, dennoch: "Ich bin ohne Wenn und Aber froh, dass das alles passiert ist und freue mich noch heute darüber." Allerdings spiele auch Glück eine Rolle, sagt er - und hat Verständnis für jene, die skeptischer sind, weil es bei ihnen vielleicht nicht rund lief.

Und sein Fazit? In der akademischen Welt spiele es längst keine Rolle mehr, ob man im Osten oder Westen lebe. Für ihn sei es auch keine Besonderheit im Westen zu leben - abgesehen davon, dass Eltern und alte Freunde weit weg sind. "Es wäre jedoch Unsinn, zu behaupten, dass es die Unterschiede nicht mehr gibt, denn die sind ja objektiv da", sagt Lachmann und nennt Arbeitslosenzahlen und Verdienst als Beispiele. Auch im Alltag spielten "Ost" und "West" immer noch eine gewisse Rolle, etwa in der Art der Darstellung des anderen. Das stellt er auch immer noch an sich selbst fest. "Bei manchem blöden Witz von Comedians bin ich durchaus noch sehr sensibel." Mit seiner Herkunft ist er an der Uni nicht allein: Laut Pressestelle gibt es noch mindestens vier Forscher mit Ost-Wurzeln. Die Zahlen werden aber nicht erfasst. Das bestätigen auch die Hochschulrektorenkonferenz und das Statistische Bundesamt.

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