Fitte Alte

Mainz · Kinder und Jugendliche treiben immer weniger Sport im Verein. Doch Senioren kommen in Scharen in die Turnhallen in Rheinland-Pfalz. Ihr Ziel: „Fit bleiben.“ Und zusammen Kaffee trinken.

 Rita Schlee aus Mainz hat auch mit 81 Jahren Spaß an der Bewegung. Foto: Andreas Arnold/dpa

Rita Schlee aus Mainz hat auch mit 81 Jahren Spaß an der Bewegung. Foto: Andreas Arnold/dpa

Foto: Andreas Arnold/dpa

Statt Aufpeitsch-Rhythmen wie im Fitnessstudio dringen leise melodische Töne durch die Turnhalle in Mainz-Gonsenheim. Die kleinen Hanteln, die langsam unters Hallendach gestreckt werden, wiegen meist 500 Gramm, für die wenigen Männer auch mal ein Kilogramm. Polo- und Baumwollhemden , sogar mit Seidenschal kombiniert, sind den wenigen knalligen Funktionshemden zahlenmäßig weit überlegen. In Sachen Gleichgewicht aber steht die Seniorensportgruppe den Jüngeren um nichts nach.

"Die Ferse ganz leicht anheben, und halten", sagt Trainerin Daniela Rohe vorne auf der Bühne. 31 Senioren stehen auf einem Bein, während sie ihre Hantel mit beiden Armen seitlich über dem Kopf halten. Dann legen sie das Gewicht ab, greifen sich einen Ball, führen ihn um den Körper herum und schwingen ihn vor und zurück. "Schön aus den Beinen rausarbeiten", ruft Rohe. "Und wir werden kleiner, kleiner, ganz klein. Schön wieder aufrichten."

Die Seniorengymnastik sei ein Renner, erzählt die hauptamtliche Diplomsportlehrerin Rohe. Dabei ist es bei der Turngemeinde 1861 Mainz-Gonsenheim nur eines von vielen Angeboten für Ältere - neben Stuhlgymnastik, Wirbelsäulengymnastik, Fitness-Übungen mit Bewegungsbegleiter und dem Angebot "Fit im Alltag".

Ein Blick in die Statistik bestätigt das. Zwar nimmt die Zahl der Schüler, die in Rheinland-Pfalz im Verein Sport machen, seit 2009 deutlich ab - was unter anderem an den Ganztagsschulen liegt. Aber die Zahl der über 61-jährigen Vereinssportler steigt stark an. In den vergangenen 15 Jahren kletterte sie um ganze 57 Prozent.

Viele Menschen blieben ihren Vereinen treu, wenn sie alterten, erklärt Heike Franke vom Sportbund Rheinhessen. Dabei gingen die Senioren nicht nur zum Nordic Walking oder Radfahren. "Auch die Schnupperangebote im Klettern nehmen die Senioren gerne wahr", sagt sie. Die Vereine reagieren, indem sie neben Jugendwarten jetzt auch Seniorenberater engagieren.

In der Turngemeinde Gonsenheim ist das Frauke Braun. Sie organisiert Gesundheitsvorträge, Museums- und Stadtführungen mit Café-Besuch, Strick-Häkel-Treffen mit Kaffee sowie Krimilesungen mit Weinprobe. "Mein Ziel ist es, die Leute vom Sofa runterzuholen. Wir haben ja vor allem alleinstehende Frauen", sagt sie. Kaffee sei da immer eine Anreiz.

Auch in den Gesundheitsprogrammen des Deutschen Roten Kreuzes in Rheinland-Pfalz stünden die sozialen Kontakte mit im Fokus, sagt Anna Hoja, Referentin für Gesundheitsförderung. "Es geht nicht nur um Sport und Bewegung, sondern immer auch um Zwischenmenschliches." Beim Rotes-Kreuz-Angebot in Gymnastik , Tanzen, Yoga und Wassergymnastik könne sie aber - anders als in den Vereinen - keine Zunahme der Teilnehmerzahlen feststellen.

Rita Schlee ist eine der Sportlerinnen, die im Verein alt geworden, aber jung geblieben sind. Seit 48 Jahren komme sie schon in die Turnhalle in Gonsenheim, sagt die 81-Jährige. "Wenn ich das nicht machen würde, wäre ich nicht so fit", ergänzt sie. "Ganz sicher." Auch Arlette Rieger (79) trainiert regelmäßig. Die Gymnastik sei gut, weil alle Muskeln trainiert und gedehnt würden - aber die Bewegungen seien nicht so hart wie beim Tennis, das sie bis voriges Jahr spielte. "Es ist nicht so brüsk", sagt Rieger.

Mittlerweile böten Vereine auch Kurse wie "Fit bis 100" an, sagt Hiltrud Gunnemann, Abteilungsleiterin Sportentwicklung beim Landessportbund. "Das sind niederschwellige Übungen für Alltagsfertigkeiten, etwa Fingerfertigkeit fürs Zähneputzen, Nägel feilen und Haare kämmen." Zunehmend gingen die Trainer auch in Altersheime, um vor Ort mit den Menschen die Erhaltung der Alltagsbewegung zu trainieren.

Die 90 Jahre alte Sabine Anbuhl braucht das nicht. Sie mache zwei Aktivitäten am Tag, sagt sie. Das könne Radfahren sein oder Spazierengehen, aber auch Gymnastik oder Schwimmen. Den Kurs bei Trainerin Rohe schaffe sie gut - auch wenn es ihr manchmal ein bisschen schwerfalle, die ganze Stunde über zu stehen. "Hinterher bin ich müde. Aber ich erhole mich immer erstaunlich schnell."

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